Teil 3

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Wir sitzen, nachdem wir die Stabilität der Stühle und des Tisches überprüft haben, jeder mit einer Tasse Kaffee in der Hand am Tisch und mein Vater berichtet, wie es in der Firma so läuft. Eigentlich hatte er vor, jetzt in Rente zu sein und mir die Firma zu überlassen, doch da dies schlecht möglich war, führt er sie nun doch weiter. Ihn selbst stört dies nicht so sehr wie meine Mutter, da sie gehofft hatte, etwas mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Doch natürlich versteht sie die Umstände und weiß, dass es nicht für lange so sein wird. Zumindest hoffe ich dies. Meine Mutter hat die letzten Monate damit verbracht, erneut das Haus in der Pierce Street zu renovieren und neu zu vermieten. Weder ich noch meine Eltern haben Interesse in diesem Haus zu Leben. Schon als meine Mutter beginnt zu reden, legt sich eine Gänsehaut über meinen Körper und auch meinem Vater sieht man die Anspannung an. Er war es, der mich damals aus dem Haus getragen hat. Als alle angenommen haben, ich sei tot, hat er mich aufgehoben und nach draußen getragen. Das trotz der Schmerzen, die er selbst wegen seinem Bein hatte. Elisa hat danach bestätigt, dass wenn er mich nicht sofort zu ihr gebracht und ich noch einige Minuten länger dort gelegen hätte, sie mich nicht mehr hätten zurück holen können. Für einen Moment war ich wirklich tot und mein Herz hat nicht mehr geschlagen. Zwar ist mein Leben wie es aktuell läuft nicht perfekt, doch ich habe es noch und dafür bin ich jeden Tag dankbar. Über den Tisch greife ich nach der Hand meines Vaters und drücken sie sanft, damit sich seine Anspannung löst. Auch meine Mutter bemerkt nun, wie sehr ihn das Thema mitnimmt und legt sanft eine Hand an seine Wange. "Ella vive.". Nach diesen Worten schaut mein Vater meine Mutter an. Den Moment scheinen sie mich auszublenden, doch das stört mich nicht. Nach kurzer Zeit lächeln sie beide und schauen wieder zu mir. "Ich habe noch schlechte Nachrichten.", sagt mein Vater nun ernst und ich ziehe meine Hand wieder zurück an die Tasse. "Meine Quelle bei den Marshals hat mir bescheid gegeben, dass Informationen an Anatoli weiter gegeben wurden. Der Aufenthaltsort von Maya war noch nicht dabei, aber es ist  nur eine Frage der Zeit.". Nun bin ich diejenige die ihre Kiefer fest aufeinander presst. Meine Hände sind zu Fäusten geballt und ich starre in meinen Kaffee. "Was wird der Zeugenschutz tun?", frage ich nach einiger Zeit des Schweigens. Als ich hoch schaue, sehe ich in den Augen meines Vaters die Antwort. Nichts. Tief atme ich ein, während meine Mutter ihre Hand auf meinen Unterarm legt. "Für sie existiert dieses Problem nicht, da sie leugnen, dass es Spitzel in ihrem System gibt.". Über diese Erklärung meines Vaters muss ich schmunzeln. Es ist immer wieder witzig, dass es Menschen gibt, die davon ausgehen, dass ein System fehlerfrei laufen kann. Kein System ist perfekt. "Sie muss also dort weg.", sage ich ruhig. Mein Vater nickt nur stumm und meine Mutter streicht mit ihrem Daumen weiter über meinen Unterarm. "Wir können sie nur schlecht einfach fragen ob sie mitkommt.", sagt mein Vater, doch das ist mir natürlich längst bewusst. "Wo liegt die Bermuda grad?", frage ich meinen Vater, der mich verwirrt ansieht. "In Los Angeles.". Die Bermuda ist ein Frachtschiff, dass zu einer Tochterfirma gehört und wir für weltweite Lieferungen nutzen. Zusätzlich transportieren wir damit ab und an Personen, die nicht im normalen System auftauchen dürfen. Aktuell würde mir kein sicherer Ort, als dieses Schiff einfallen. "Wo fährt sie als nächstes hin und wann?", frage ich meinen Vater, der immer noch nicht zu verstehen scheint, was ich vor habe. Er holt sein Handy raus und schaut es trotzdem für mich nach. "Rotterdam und danach geht es zum Port Kelang.". Plötzlich schaut mein Vater mich an, es scheint auch bei ihm geschaltet zu haben. Meine Mutter drückt meinen Arm etwas fester, sodass ich sie nun anschaue. "Du willst sie auf dieses Frachtschiff bringen lassen?", fragt sie entsetzt, doch ich schüttel den Kopf. "Nicht bringen lassen, ich werde sie auf dieses Schiff bringen.". Nun schauen meine Eltern nicht mehr skeptisch sondern entsetzt. "Und wenn Anatoli euch dort findet?", fragt meine Mutter, doch ich schüttel den Kopf. "Wie soll er uns finden, wenn wir keinerlei Technik mitnehmen und wir nur über den Boardcomputer kommunizieren.". Weiterhin der skeptische Blick meiner Mutter, mein Vater hingegen nickt langsam. "Lorenzo.", höre ich die entsetzte Stimme meiner Mutter. "Sofia mio caro, ich glaub sie hat recht. Dort wären sie vorerst sicher.", sagt er ruhig und streicht über die Hand meiner Mutter. Natürlich weiß ich nicht, wie Maya reagieren wird, wenn sie erfährt, dass ich noch lebe. Und ich weiß, dass ich sie wieder in Gefahr bringe. Doch wenn Anatoli und seine Männer in ihre Nähe kommen, ist sie sowieso nicht mehr sicher. Jetzt brauche ich nur noch einen Plan, wie ich sie auf das Schiff bringen kann. Doch zu meinem Glück, kennt mein Vater auch hier die richtigen Männer. Und während mein Vater und ich die Entführung planen, beschäftigt sich meine Mutter mit Online-Shopping. Als ich dies sehe, schaue ich sie etwas belustigt an. "Das ist weder deine Größe, noch dein Kleidungsstil.", sage ich grinsend, nachdem sie sich ihren Warenkorb anschaut. "Nein, aber deine. Du wirst Kleidung brauchen, genauso wie Maya, oder willst du ihr noch den Koffer packen, wenn du sie entführst.". Damit hat meine Mutter einen guten Punkt und ich lächel sie entschuldigend an. Mein Vater, der mich dafür auslacht, erhält von meiner Mutter einen leichten Tritt gegen sein Schienbein. "Benimm dich.". Nun muss ich Lachen. Es tut wirklich gut Zeit mit den Beiden zu verbringen und beinahe fühlt es sich an wie früher. Würde es nicht nach alten Möbeln und fauligem Holz riechen. Zusätzlich bin ich mir nicht sicher, ob ich im Augenwinkel nicht zwischendurch eine Ratte durch das Zimmer habe laufen sehen.

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