Teil 4

98 9 2
                                    

Vor uns liegt ein großer Pizzakarton und wir sitzen weiter an dem alten Holztisch. Wir wissen nun, wen wir für die Entführung brauchen und wie wir es machen wollen. Wir werden Maya morgen nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause abfangen. Sie dann zum Flugplatz bringen und von da aus fliegen wir nach Los Angeles. Keine 5 Stunden nach der Entführung, werden wir mit der Bermuda in Richtung Rotterdam los fahren. Ich selbst werde im Flieger auf Maya warten. Das einzige, dass noch fehlt, ist die Idee, wie man sie verletzungsfrei und ohne Fluchtversuche ihrerseits auf das Schiff bekommt. "Gibst du mir mal dein Handy?", frage ich meine Mutter, nachdem mir eventuell ein Weg eingefallen ist. Skeptisch sieht mir meine Mutter zu, wie ich den Kontakt von Elisa raus suche und ihre Nummer wähle. Nach einigen Sekunden nimmt sie auch schon ab. "Alles in Ordnung?", fragt sie direkt und klingt etwas abgehetzt. "Bei uns ja, du klingst aber etwas gestresst.", sage ich entspannt und höre nur ein Schnauben am anderen Ende. "Wie kann man immer ein so schlechtes Timing haben.". Sofort beginne ich zu lachen, da ich nun weiß, wieso sie so gestresst oder besser gesagt, außer Atem klingt. "Ich würde ja sagen, bestell der Richterin liebe Grüße, aber das könnte wohl Fragen aufwerfen.". Wieder ein Schnauben. "Welches Medikament kannst du empfehlen, wenn ich jemanden für 6-7 Stunden außer Gefecht setzen muss?". Nun herrscht Stille. "Ich sollte vermutlich Fragen, wieso du das wissen möchtest, doch die Vergangenheit hat mich gelehrt, dir keine Fragen zu stellen. Du brauchst extrem starke Beruhigungsmittel, dass geht aber immer auf die Atmung. Das darfst du nicht vergessen.". Ich höre wie es am anderen Ende raschelt. "Ich stelle deiner Mutter ein Rezept aus. Spritz immer nur einen Milliliter in den Oberschenkelmuskel und sei bitte vorsichtig.". Schon hat Elisa wieder aufgelegt. Vermutlich konnte sie auch nicht länger reden, ohne das Fragen aufgekommen wären. "Elisa stellt dir ein Rezept aus, die Männer sollen das mitnehmen.". Meine Eltern nicken beide. "Super, ich bin Elisa wieder einmal etwas schuldig.", sagt meine Mutter und versucht mich böse anzuschauen, doch da sie dabei immer mehr zu grinsen beginnt weiß ich, dass sie das nicht wirklich ernst meint

Während mein Vater wegen der Arbeit telefoniert und meine Mutter sich irgendwo in diesem verfallenen Haus rumtreibt um es sich anzusehen, bin ich durch die Tür in der Küche nach draußen in den Garten getreten. Es lässt sich noch erahnen, dass dieser mal in einem guten Zustand war. In einer Ecke ist noch ein kleiner Springbrunnen zu erkennen, den die Natur sich beinahe vollständig zurück erobert hat. Ein kleiner Kiesweg führt von der Küchentür zu diesem und in Richtung Bach. An letzterem angekommen, schaue ich in das klare Wasser, das aus den Bergen zu kommen scheint. Zumindest der Temperatur nach zu urteilen. Nachdem ich meine Finger an meiner Hose abgetrocknet habe, blicke ich in die Spiegelung. Was wenn Maya mich nicht mehr in ihrem Leben will? Wenn sie mich hasst, weil ich ihr Leben zerstört habe? Ich könnte es sogar verstehen. Wegen mir ist sie nicht bei ihrem Sohn und hat quasi alles verloren. Trotz das ich in Gedanken bin, nehme ich die Schritte hinter mir wahr. "Está todo bien?", fragt mich meine Mutter ruhig, nachdem sie ihr Kinn auf meiner Schulter abgelegt hat. Da ich neben dem Kiesweg in Richtung Bach stehe und sie auf dem Kiesweg selbst, ist sie ausnahmsweise ein Stück größer als ich. "Was mache ich, wenn sie mich hasst?", frage ich ruhig und schaue dabei in den Wald. Würde ich meine Mutter jetzt ansehen, könnte ich die Tränen nicht zurück halten. Maya macht mich noch immer schwach, auch wenn ich seit über einem Jahr nicht mehr mit ihr gesprochen habe. Der Gedanke an sie reicht, um mein Herz schneller schlagen zu lassen. "Mi amor, sie liebt dich. Vielleicht wird es dauern, aber sie wird dich nicht hassen.". Ich lehne mich vorsichtig zurück in ihre Arme. Hoffentlich wird sie recht behalten. Doch das werde ich erst Morgen herausfinden, wenn Maya auf der Bermuda zu sich kommt und ich vor ihr stehe. Das gute ist, dass wir zu der Zeit schon mitten auf dem Meer sein werden und sie damit wenig Flucht Möglichkeiten hat. Dies bedeutet aber auch,  sollte sie mich hassen, ich mich dem jeden Tag aufs neue stellen muss. Zwar ist es ein großes Frachtschiff doch selbst auf diesem werde ich ihr nicht ewig aus dem Weg gehen können.

DilemmaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt