Teil 5

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Mit den Fingern trommel ich immer wieder auf meiner Armlehne. Ich bin genervt von mir selbst und meiner Nervosität. Nach außen wirke ich, bis auf meine Finger, recht kühl und ruhig. Mit dem Piloten habe ich kaum ein Wort gesprochen, sondern bin nur in die Maschine gestiegen und warte nun auf den Rest. Eigentlich müssten sie schon längst hier sein, doch bisher kam nur die Nachricht, dass sie das Paket eingeladen haben und sich auf den Weg machen. Eine nette Umschreibung dafür, dass sie Maya sediert und entführt haben. Aber ich glaube, dass man sowas generell nicht freundlich formulieren kann. Endlich sehe ich Scheinwerfer und einen schwarzen Mercedes, der sich dem Flugzeug nähert. Ich hoffe wirklich, dass sie sie nicht in den Kofferraum gelegt haben, wie die anderen, die sie sonst abliefern. Zu meiner Freude aber, ziehen sie die regungslose Maya von der Rückbank. Mein erster Blick fällt auf ihren Brustkorb. Dieser hebt und senkt sich in gleichmäßigen Abständen. Ihre Augen wurden mit einem schwarzen Tuch verbunden und ihre Hände und Füße sind gefesselt. "Euer ernst?", frage ich daher, nachdem die Männer sie auf der Sitzbank hinter mir abgelegt haben. Doch diese zucken nur mit den Schultern und einer wirft mir ein schwarzes Mäppchen zu. Etwas verwirrt blicken ich ihn an, doch er dreht sich zu den anderen und sie verlassen die Maschine. Hoffentlich konnten sie Maya außer gefecht setzen, bevor sie sie sehen konnte. Denn die drei wirkten eher wie russische Auftragsmörder, als wie Personen, die sie eigentlich nur retten wollen. Zwar war es unser Ziel, den Verdacht auf Anatoli zu lenken, sollte es doch jemand beobachten, doch Maya braucht ja keine Albträume haben, während wir sie quer durch das Land fliegen. Nun fällt mir das erste mal auf, dass ich nicht weiß, ob sie Schiffe überhaupt mag oder ob sie seekrank wird. Der Zeitpunkt um sich solche Fragen zu stellen ist zwar etwas spät, aber besser spät als nie. Hoffentlich wird sie einfach nicht seekrank, sonst hasst sie mich erst recht. Nach einem letzten Blick auf ihren Brustkorb wende ich mich dem Mäppchen auf meinem Schoß zu und klopfe kurz an die Wand vor mir, als Zeichen für den Piloten die Maschine zu starten. In dem schwarzen Mäppchen befinden sich noch 4 volle Spritzen und 4 von ihnen sind leer. Elisa hat einen Zettel dazu geschrieben, dass eine Spritze etwa 2-3 Stunden hält. Dementsprechend haben sie Maya am Anfang etwas mehr geben müssen. Immer wieder drehe ich mich um, um sicher zu gehen, dass sie noch schläft und vor allem noch atmet. Nachdem die Maschine in der Luft ist, setze ich mich seitlich, sodass ich sie die gesamte Zeit im Blick haben kann. Sie trägt eine blaue Jeans und eine weiße Bluse, die etwas Dreck abbekommen hat. Ihre Hände sind hinter ihrem Rücken gefesselt und ich ahne schon, dass sie morgen Schmerzen in den Schultern haben wird. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass es leichter ist jemanden zu tragen, wenn dieser gefesselt ist. Daher lasse ich alles wie es ist und beobachte die Frau vor mir, wie sie hoffentlich friedlich schläft.

Eine Spritze musste ich ihr nach geben, kurz bevor wir gelandet sind. Als Bewegung in ihren Körper kam, habe ich darüber nachgedacht ihr die Augenbinde abzunehmen und zu schauen wie sie reagiert. Das Pflaster einfach schnell abreißen und hoffen, dass es gut ausgeht. Allerdings hat zum Glück mein Verstand wieder eingesetzt, denn im schlimmsten Fall hätte sie am Flugplatz angefangen zu schreien oder wäre weggelaufen. Und das letzte, das wir gebrauchen könnten, wäre die Aufmerksamkeit anderer zu erregen. Daher habe ich sie erneut sediert und wieder ihre Atmung beobachtet. Ich konnte mich nicht zurückhalten und habe ihr vorsichtig einige Strähnen unter der Augenbinde weggeschoben und bin mit den Fingerspritzen sanft über ihre Wange gefahren. Wäre dies ein Liebesfilm, hätte sie sich im Schlaf in meine Hand gelehnt. Doch es ist keiner, weshalb ich meine Hand schnell wieder weggezogen und sie in Ruhe gelassen habe. Es ist nicht fair sie zu berühren, wenn ich nichteinmal weiß, ob sie je wieder von mir berührt werden möchte. Etwas dämlich komme ich mir zwar schon vor, dass ich sie entführen lasse und mich dann nicht traue sie zu berühren, doch für mich ergibt diese Entscheidung Sinn. Und so stehe ich daneben und sehe zu, wie sie erst aus der Maschine in einen Wagen und am Hafen aus dem Wagen auf die Bermuda getragen wird. Das schwarze Frachtschiff ist bereits bei unserem Eintreffen bereit zur Abfahrt. Und nachdem Maya von einem großen, bärtigen Mann in die Kabine getragen wurde, spüre ich, wie sich das Schiff in Bewegung setzt. Natürlich gibt es reichlich Kabinen auf diesem Schiff, doch die meisten für 3-6 Personen. Es gibt nur 3 Kabinen in denen etwas größere Einzelbetten und ein eigenes Bad vorhanden sind, eine davon dem Kapitän und die zwei anderen gehören auf dieser Reise Maya und mir. Während der Kapitän ein Deck höher schläft, liegen unsere Kabinen etwas tiefer, doch beide haben ein Fenster. Nachdem ich mich davon überzeugt habe, dass Maya weiter ruhig schläft und vor allem auch weiterhin atmet, gehe ich kurz in meine Kabine. Die Kleidung wurde bereits eingeräumt und auf dem Bett liegt ein kleines Paket. Gerade als ich dieses öffnen möchte, klopft es an der Tür. "Ja?". Einen Moment höre ich nichts, dann ein tiefes Räuspern. "Das Paket wacht auf.", sagt eine dunkle Männerstimme und ich kann sie dem großen, bärtigen Mann zuordnen, der Maya in die Kabine getragen hat. Sofort lasse ich das Paket zurück auf mein Bett fallen und gehe in die Nachbarkabine. Maya, deren Fesseln wir nach der Ankunft gelöst haben, bewegt sich noch sehr langsam, aber ihre Atmung ist schneller als vorher und auch ihre Augenlider zucken immer wieder. Zumindest solange, bis sie langsam beginnt ihre Augen zu öffnen und mich nach einem kurzen Augenblick aus diesen tiefen dunkelbraunen Augen anschaut, die ich seit über einem Jahr so vermisst habe.  

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