Teil 10

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Ruhig liege ich neben Paola im Bett. Sie liegt auf dem Bauch und ich streiche sanft über ihren Rücken und fahre die schwarzen Linien der Weltkarte entlang. Dieses Tattoo ist seit dem letzten mal deutlich größer geworden. Alle Orte an denen sie bereits war, sind markiert. Kurz denke ich darüber nach, wie ein solches Tattoo bei mir wohl aussehen würde. Bis auf die beiden Pole, wären wohl alle Länder vertreten. Nachdem ich sicher bin, dass Paola tief schläft, lege ich die Decke bis über ihre nackten Schultern und stehe dann vorsichtig auf. Leise ziehe ich mich an, schaue noch einmal zu ihr um sicher zu gehen, dass sie weiter schläft und verlasse dann die Kabine. Auf dem Deck hole ich mir die Sitzkissen aus dem Container und mache es mir am Bug bequem. Mein Blick ist auf das Meer gerichtet und ich atme tief durch. Die letzten Stunden taten gut um den Kopf frei zu kriegen. Doch jetzt, wo ich keine Ablenkung mehr habe, denke ich wieder an Maya. Die Zeit mit Paola war zwar schön, doch hätte ich die Möglichkeit gehabt sie gegen Maya zu tauschen, hätte ich es sofort getan. Mit geschlossenen Augen lehne ich meinen Kopf zurück und versuche meine Gedanken zu kontrollieren. Nichtmal als ich höre, wie sich Schritte nähern, öffne ich die Augen, da ich vermute, dass Paola wach geworden ist. Das Sitzkissen bewegt sich und durch die ausgestrahlte Wärme, spüre ich dass jemand neben mir sitzt. "Na, wieder  wach?", frage ich schmunzelnd, doch erhalte keine Antwort. Nun öffne ich doch skeptisch die Augen und muss mich stark zusammenreißen. Am liebsten hätte ich laut aufgeschrien und gejubelt wie ein kleines Kind, dass seinen größten Star das erste mal trifft. Denn ich blicke in die dunkelsten braunen Augen die ich kenne. Nicht Paola sitzt neben mir, sondern Maya und sie sieht mich einfach nur an. Wieso ist sie hier? Wieso wusste ich nicht, dass sie wieder auf dem Schiff ist? Erst jetzt fällt mir auf, dass mein Funkgerät seit gestern aus in meiner Kabine liegt. Vielleicht hat man also versucht es mir mitzuteilen und ich habe es nicht mitbekommen. Das bedeutet aber auch, dass sie wahrscheinlich eben in ihrer Kabine war. Und damit ist die Chance groß, dass sie Paola und mich gehört hat. Kurz schließe ich die Augen und atme tief durch, bevor ich Maya wieder anschaue. "Du bist hier?", frage ich ruhig und muss dann etwas über meine eigene Dummheit schmunzeln. Sie sitzt vor mir, also wo sollte sie sonst sein. Ich schüttel leicht meinen Kopf und versuche es dann erneut. "Wieso bist du nicht in Rotterdam geblieben?". Es herrscht Stille und Maya schaut mich nur an. "Anscheinend um dich mit einer anderen Frau zu hören.". Ich kann ihrem Blick nicht stand halten und schaue beschämt auf das Meer. "Meintest du es ernst?", fragt sie mich als nächstes und ich verstehe die Frage erst nicht. "Meintest du es ernst als du sagtest, du hast dich in mich verliebt?", fragt sie erneut und ich blicke sie wieder an. "Ja.". Maya nickt nur und schaut dann selbst einfach nur auf den Horizont. "Du bist die erste Frau, für die ich Gefühle habe. Und es fällt mir schwer damit umzugehen.". Maya schaut mich auch weiter nicht an, doch ich sehe, wie sie ihre Beine etwas fester umklammert, die sie an ihren Körper gezogen hat. Sie trägt eine Jeans und die dicke Sweatshirtjacke. "Ich wollte dich nie verletzen. Ich wollte nie dein Leben ruinieren und wenn ich könnte, würde ich alles rückgängig machen.". Schlagartig dreht Maya ihren Kopf zu mir und schaut mich an. "Ja, du hast mein Leben zerstört. Aber ich würde trotzdem nichts ändern wollen.". Sie überrascht mich mit dieser Aussage, löst ihre Arme von ihren Beinen und legt eine Hand kurz in meine. Sie drückt diese, lächelt mich an und sagt ruhig: "Gute Nacht Alex, bis Morgen.". Danach steht Maya auf und geht wieder, während ich sitzen bleibe und wieder auf den Horizont schaue. Maya ist hier. Sie ist auf dem Schiff und hat mich nicht verlassen, trotz allem was passiert ist.

Nach einer ganzen Weile bin ich zurück in meine Kabine gegangen, da es auf dem Deck zu kalt geworden ist. Dort fand ich ein leeres Bett vor, was mich eher weniger verwundert hat. Paola wird zurück in ihrer eigenen Kabine sein, was mir gerade recht kommt. Nur kurz habe ich mich Bett fertig gemacht, bevor ich schlafen gegangen bin. Ich hatte mir meinen Wecker auf 6 Uhr gestellt, damit ich früh beginnen kann, zu schauen was Anatoli macht. Nachdem ich mich angezogen habe, gehe ich kurz über die Kombüse um mir einen Kaffee zu organisieren. Natürlich treffe ich dort auf Paola, die sich bereits um das Frühstück für die Crew kümmert. Kurz grinst sie mich an, bevor sie sich wieder dem Speck widmet. "Heute Abend Runde 2?", fragt sie mich und ich kann sie weiter grinsen hören. Kurz muss ich auch lachen, doch dann schüttel ich den Kopf. "Ich denke eher nicht.". Paola stellt die Pfanne von der Herdplatte weg und dreht sich zu mir um. "Wer ist sie?", fragt sie mich nun direkt und wirkt dabei nicht sauer oder ähnliches. Es scheint reine Neugier zu sein. "Du magst sie oder?". Wir schauen uns einen Moment nur an, bevor ich langsam nicke. "Das ich das noch erleben darf.". Paola beginnt zu lachen und geht dann zur Kaffee Maschine. "Na los, schnapp dir etwas Speck und ich mach dir einen Kaffee.". Natürlich hätte ich mir auch Speck genommen, wenn sie es nicht gesagt hätte, aber so ist es etwas leichter. Nachdem ich mir ein Brot mit Frischkäse und Speck fertig gemacht habe und ich eine Tasse Kaffee in der Hand halte, verlasse ich lächelnd die Kombüse und begebe mich an Deck. Ohne Umwege gehe ich in den Container und starte den Computer. Ich habe viel nach zu holen, nachdem ich gestern keinen Kopf für das Ganze hatte.

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