Teil 7

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Einen Moment lang herrscht Stille und wir sitzen nur nebeneinander. Beide mit der Tasse in der Hand und den Blick nach vorne gerichtet. "Dein Grabstein ist wirklich schön. Vermutlich die Wahl deiner Mutter?". Diese Frage lässt mich schmunzeln. Eine Woche nachdem ich aus dem Koma erwacht bin, hat mir mein Vater ein Bild von dem Grabstein gezeigt. Er ist schlicht und enthält nur meinen Namen, meinen Geburts- und Sterbetag, sowie große, eingravierte Engelsflügel. Meine erste Frage an ihn war, ob es die Wahl von Mum war und er hat nur genickt. "Ja.". Wieder Stille. "Wer ist der zweite Gast?", fragt mich Paola und schaut dabei über ihre Schulter zu mir. Sie hat sich etwas nach vorne gelehnt und wie von selbst habe ich meine linke Hand auf ihren Rücken gelegt und streiche sanft über diesen. Sie trägt ein schwarzes Top und mich wundert, dass sie nicht friert. "Jemand der nicht gefunden werden darf.". Paola schließt kurz ihre Augen, weiß aber auch, dass sie nicht weiter nachfragen braucht, da ich nicht antworten werde. "Soll ich heute Nacht in deine Kabine kommen?", fragt sie mich nach einem kurzen Moment und kaut dabei leicht auf ihrer Unterlippe. Etwas das sie häufiger tut und nicht soll, da ich es unglaublich attraktiv finde. Ich löse meine Hand von ihrem Rücken und greife nach meiner Tasse. Mein Blick ist stur auf das Meer gerichtet und ich kämpfe ein wenig mit mir selbst. Es ist lange her, dass ich jemandem näher gekommen bin und es fehlt mir. Doch es fehlt mir vor allem mit der Frau, die noch schlafend in der Kabine liegt. Natürlich habe ich keine Beziehung und es dürfte kein Problem darstellen, ein wenig Spaß zu haben. Doch ich habe Sorge, dass es unnötige Differenzen aufwerfen könnte. Der Grund warum ich Gefühle und Beziehungen bisher immer zu anstrengend  fand. "Es wäre wohl besser, wenn du es nicht tun würdest.". Paola, die sich nun auch zurück an den Container gelehnt hat, legt ihren Kopf auf meine Schulter. "Du weißt wo du mich findest.". Wir genießen die Ruhe, trinken den Cappuccino und schauen zu, wie die Sonne langsam untergeht.

Während ich die Sitzkissen zurück in den Container räume, höre ich mein Funkgerät. "Boss?". Ich greife sofort nach diesem. "Ja?". Es dauert nur einige Sekunden bis eine Antwort kommt, doch es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. "Das Paket ist wach.".

Selten bin ich so schnell über dieses Schiff gelaufen wie heute. Etwas außer Atem stehe ich nun vor der Kabinentür und hole tief Luft. Leise klopfe ich an die Tür, welche sofort geöffnet wird. Der Mann, der mich angefunkt hat, verlässt direkt die Kabine und ich trete ein. Maya sitzt auf dem Bett und schaut mich direkt an. "Nein.". Dieses Wort wiederholt sie immer und immer wieder, während ich nur an der Tür gelehnt stehe und sie ansehe. In ihren Augen ist eine Mischung aus Wut und Verzweiflung zu sehen. Es dauert nur Sekunden, bis die Tränen beginnen über ihre Wangen zu laufen. Am liebsten würde ich sie in den Arm nehmen, doch ich habe Sorge es dadurch nur noch schlimmer zu machen. Also bleibe ich genau an der Stelle stehen, schaue Maya an und warte darauf, was sie als nächstes tun wird.

"Du bist tot. Man Hat mir Bilder deiner Beerdigung gezeigt. Du kannst nicht hier sein.". Es ist der erste Satz, den Maya schafft auszusprechen, nachdem sie sich etwas beruhigt hat. "Du bist tot. Ich habe bezeugt, dass Anatoli dich erschossen hat.". Sie sitzt zitternd auf dem Bett. Ihre Beine an ihren Körper gezogen, ihre Arme um diese gelegt. Ihr Gesicht ist gerötet, ihre Wangen nass und ich weiß nicht, was ich tun soll. "Was mache ich hier?", fragt Maya leise. "Was mache ich hier?", wiederholt sie lauter bis sie mich förmlich anschreit. Ich hole tief Luft. "Anatoli wusste wo du bist. Ich musste dich beschützen.". Maya beginnt zu lachen. "Beschützen?! Ich habe alles wegen dir verloren. Ich habe dich verloren! Zumindest dachte ich das.". Sie ist wütend und ich kann es verstehen. "Maya es war das beste in dem Moment.". Wieder lacht sie. "Das Beste für dich, ja. Weil du immer nur an dich denkst.". Ich möchte nicht mit ihr streiten und kann auch nichts sagen, dass es wieder gut machen würde. "Wo bin ich?", fragt Maya, nachdem sie sich erneut im Raum umgesehen hat. "Auf einem Schiff.". Schockiert blicken mich ihre dunkel braunen Augen an. Dann springt sie auf und rennt zum Fenster. "Du hast mich entführt.", schreit Maya panisch und rennt auf mich zu. Sie schubst mich von der Tür weg und ich lasse es zu. Zwar hätte ich sie problemlos aufhalten können, nur bezweifle ich, dass dies etwas gebracht hätte. Sie rennt aus der Kabine und der Mann, der vorher nach ihr geschaut hat, steht in der offenen Tür und schaut mich an. "Soll ich sie zurück holen?", fragt er mich und sieht dabei mehr als verzweifelt aus. Ein etwas amüsantes Bild bei einem großen, breitschultrigen Mann. "Nein, wo soll sie groß hin?!". Er nickt nur und zieht sich zurück. Ich hingegen, hole eine Sweatshirtjacke aus meiner Kabine und mache mich auf die Suche.

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