Teil 9

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Überrascht sieht Maya mich an. Sie steht nur da und ihr Blick wechselt zwischen mir und dem Paket. Sie trägt eine schwarze Leggings und die graue Sweatshirtjacke, die ich ihr gestern über die Schultern gelegt habe. Ihre Beine sind noch schlanker als vorher, füllen kaum die Leggings aus. Es erschreckt mich sie so zu sehen und es fühlt sich schrecklich an, dafür verantwortlich zu sein. Ich muss Anatoli aus dem Weg räumen und das so schnell ich kann. Maya muss wieder ein normales Leben führen können. Kurz räuspere ich mich, wodurch Maya mich sofort wieder ansieht. "Außerdem findest du ein Handy in diesem Paket. Du kannst damit nur eine Nummer anrufen, solltest du in Schwierigkeiten kommen. Ansonsten erhältst du wöchentlich eine Nachricht mit einem Bild, was Tristan macht und wie es ihm geht.". Mayas Augen weiten sich, nur bei der Erwähnung seines Namens. "Wie?", stottert sie leise und ich sehe, wie sich wieder der glasige Schleier über ihre Augen legt. "Niemals hätten meine Eltern oder ich zugelassen, dass ihm etwas zustößt. Er ist bei Freunden in Pflege. Sie passen gut auf ihn auf. Du findest auf dem Handy bereits einige Bilder und Videos. Zu deiner und seiner Sicherheit, kannst du nicht mit ihm sprechen, doch ich gebe alles um es so schnell wie möglich zu ändern.". Langsam trete ich auf die zierliche Frau vor mir zu. Da sie nicht zurück geht, traue ich mich und lege sanft meine Lippen an ihre Stirn. "Es tut mir leid, dass ich dir das alles angetan habe. Ich hätte mich nie in dich verlieben dürfen.". Ohne sie noch einmal anzusehen, verlasse ich die Kabine und gehe wieder zurück in meine. Dort lege ich mich auf mein Bett und starre die Decke an, in der Hoffnung, dass alle Antworten die ich brauche, plötzlich an dieser stehen. Doch stattdessen teilt man mir nach einiger Zeit über Funk mit, dass Maya nun das Schiff verlassen hat. Dieses mal habe ich sie verloren und ich weiß, dass es nun kein zurück mehr gibt. Von Malaysia aus, werde ich mir einen Weg nach Moskau suchen und Anatoli zur Strecke bringen. Was mit mir dabei passiert, interessiert mich aktuell relativ wenig. ich möchte nur eins: Maya ein normales Leben mit ihrem Sohn ermöglichen. So wie sie es verdient hat.

Zuerst habe ich versucht, an einem Plan zu arbeiten, doch meine Gedanken waren die gesamte Zeit bei Maya. Also bin ich in die Kombüse gegangen und habe mir eine Flasche Whiskey organisiert. Zwar war es kein wirklich guter, doch die Menge die ich getrunken habe, hat ausgereicht, dass ich keine Gedanken mehr an sie oder irgendwen anders verschwendet habe und nur noch geschlafen habe. Die letzten Tage waren anstrengend, dass merke ich daran, dass ich erst am Nachmittag wieder wach werde, mit höllischen Kopfschmerzen. Der Geruch, der in meiner Kabine herrscht macht es nicht besser, sondern sorgt dafür, dass ich geradewegs zur Toilette sprinte und dieser einen Einblick in mein Inneres gebe. Da allerdings nichts in meinem Magen war, was wieder hätte heraus kommen können, bleibt es bei Galle und einem brennenden Gefühl im Rachen. Noch einige Zeit sitze ich am Boden und beginne dann zu lachen. Wie konnte es soweit kommen, dass ich mich wegen einer Frau betrinke. Ich fühle mich jämmerlich, doch Strafe muss sein. Daher spüle ich mir den Mund aus, ziehe mir Trainingskleidung an und begebe mich in den Trainingsraum. Auf dem Weg, habe ich mir noch eine Flasche Wasser organisiert, die ich zur Hälfte noch vor betreten des Raumes bereits geleert hatte. Dadurch, dass der Großteil der Crew gestern den Abend an Land und vermutlich in Clubs verbracht hat, ist es ruhig und ich bin alleine. So beginne ich, nachdem ich mich etwas warm gemacht und erneut gegen die aufsteigende Übelkeit gekämpft habe, Gewichte zu stemmen. Ich darf mir nun keine Fehler mehr erlauben. Wenn ich an Anatoli ran kommen möchte, muss ich in Bestform sein!

Wie viel Zeit ich genau mit trainieren verbringe, nehme ich nicht wahr. Erst als ich völlig erschöpft auf dem Boden liege, stelle ich fest, dass sich das Schiff wieder in Bewegung setzt. Nun ist es wirklich vorbei. Maya ist vermutlich schon in der Wohnung und wird nun hier bleiben, während ich davon fahre. Ein leichtes ziehen in meiner Brust und meiner Magengegend, lässt mich meine Augen schließen. Es ist wirklich faszinierend, wie sehr auch der Körper auf Gefühle reagieren kann. Zwar wollte ich dies so nie feststellen, doch man muss ja die positiven Effekte mal bedenken. Ich weiß nun, was ich nie wieder spüren möchte. Also geht es zurück zu belanglosen One-Night-Stands und zu meinem Glück, fährt auf diesem Schiff jemand mit, mit der ich das gleich ausleben kann.

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