Das zischend Geräusch, wenn der dünne, unebene Holzstock durch die Luft schneidet, verfolgte mit bereits seit Jahren in meinen Albträumen. Es war eine unheilvolle Ankündigung, der immer ein brennender Schmerz folgte. Ich spannte meine Muskeln an, krallte meine Nägel in die Stuhllehne und beugte mich nach vorne, in dem lächerlichen Versuch dem Folgenden zu entgehen.
Das Holz knallte auf meine Haut, die unter dem wiederholten Schlag aufplatzte, sodass ich spüren konnte, wie das warme Blut über meinen Rücken rann. Ein wimmernder Schrei entfloh mir und meine Knie gaben leicht unter mir nach. Ich versuchte verzweifelt mich an der Stuhllehne festzuhalten und gleichzeitig den vorderen Teil meines Kleides festzuhalten, um meinen Oberkörper nicht komplett zu entblößen. Diese Demütigung würde mir den Rest geben.
Die Strähnen meines roten Haares klebten mir verschwitzt an Hals und Nacken. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte schnaufend den Schmerz wegzuatmen, während mir stumm die Tränen über die Wangen liefen.
Mein Onkel, Redrik Cholís, wischte sich das bereits gräuliche melierte Haar aus der Stirn, dabei bedachte er meine krümmende Gestalt mit einem abschätzigen Blick.
"Du scheinst nie daraus zu lernen, Rhory", tadelte er mich, dabei zollte seine Stimme von gespieltem Mitgefühl. Als würde er mir diese Behandlung äußerst ungern zukommen lassen. Als wäre es einzig und alleine meine Schuld. Als würde ich ihn dazu zwingen, mir das antun zu müssen.
Ich schwieg, denn ich wusste, dass egal was ich sagte, es entweder nichts bringen würde oder ihn noch wütender machen würde. Um mich von meinem brennenden Rücken abzulenken, fixierte ich einen Punkt in der dunkelroten Tapete des Arbeitszimmers und betete innerlich, dass mein Onkel genug hatte.
"Du weißt, dass du pünktlich und angemessen gekleidet zum Frühstück zu erscheinen hast. Wir versuchen schon lange aus dir eine vorzeigbare Dame zu machen, jedoch treibst du uns an die Grenzen unserer Geduld."
Ich hörte meinen Onkel näher kommen, dabei versuchte ich das Zittern zu unterdrücken. Ich wollte ihm nicht zeigen, wie viel Angst ich vor ihm hatte - oder dem, was er zutun vermag. Behutsam strich er mir die nassen Strähnen beiseite, dabei berührten seine kühlen Finger meinen Nacken. Reflexartig zuckte ich zurück, um Abstand zwischen uns zu schaffen, während die Übelkeit in mir aufstieg. Meine Reaktion blieb unbeachtet, stattdessen wanderten seine Finger weiter über meine schmalen Schultern. Die gezackten Narben ließen ihn inne halten.
"Deine Mutter war ebenfalls unbelehrbar, zudem bist du ihr wie aus dem Gesicht geschnitten", murmelte Redrik, eher zu sich selbst. Seine Berührung hinterließ ein ekliges Gefühl auf meiner gebräunten Haut. Ich wusste jetzt, weshalb meine Mutter damals so früh aus ihrem Elternhaus geflohen ist.
Sein Atem - er stank nach saurem Wein - prallte an mein Ohr, dabei konnte ich seinen Körper sehr nahe hinter mir spüren. Onkel Redrik war ein schlanker, drahtiger Mann, dem man ansehen konnte, dass er keinen einzigen Tag hat körperlich arbeiten müssen. Sein Gesicht war bereits von Altersfurchen gezeichnet, die vor allem daher kamen, dass er verkniffen drein blickte - die große Habichtnase förderte diesen Ausdruck nur. Sein braunes Haar hatte bereits an Fülle und Farbe verloren, jedoch waren seine grünen Augen immer noch berechnend intelligent.
Ich presste mir den Stoff meines Kleider fester vor und gegen die Brust. Ich hoffte, dass wenn ich nicht reagierte und starr stehen blieb, dass er das Interesse verlor und von mir abließ. Es war jedes Mal aufs neue ein Glücksspiel, welche Strategie funktionierte. Redrik war unberechenbar.
"Miréa war jedoch immer wunderschön gewesen", zischte er, wobei der angewiderte Unterton über mich hinweg rollte. Er entfernte sich von mir als stießen ihn die Narbe derart ab. Diese Abneigung war meine Rettung, weswegen ich kaum merklich erleichtert aufatmete. Meine hoffnungsvolle Erleichterung wehrte jedoch nur kurz, denn vollkommen unvorbereitet trafen mich weitere unkontrollierte Schläge mit dem Stock. Es steckte viel Wut in diesen Schlägen - als wäre Redrick wütend, dass ich nicht makellos und wunderschön war wie meine Mutter.
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A court of stars and moon
WerewolfUnter der Hand ihres Onkels durchlebt Rhory seit ihrem neunten Lebensjahr eine grausame Behandlung. Narbengesichtige Hure. Nutzloses Miststück. Entstellte Hexe. Rhory hofft und kämpft um ihre Freiheit, die täglich näher rückt. Eine Freiheit, die ihr...