Der Hof

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Ich traute mich lediglich, kleine, langsame Schritte zu machen, da jederzeit die Gefahr bestand, dass ich über einen der Röcke stolpern, in den hohen Schuhen umknicken oder ungeschickt über meine eigenen Füße fallen könnte - das wäre die größte Blamage, die mir neben meinem Kleid, ereilen könnte.

Andrés führte mich mit der Hand an meinem Rücken an den Gästen und der üppigen Tafel vorbei, jedoch nicht ans Ende des Tisches, sondern auf die Erhöhung, auf der zwei massive, kunstvolle Holzstühle thronten. Es kostete mich meine letzte Willenskraft, meine Beine dazu zu zwingen, die drei Treppenstufen zu erklimmen, um mich vor dem Hofstaat zu präsentieren. Das Klappern meiner Absätze auf dem polierten Marmor hallte ohrenbetäubend. Als ob ihre Aufmerksamkeit nicht schon auf mir liegen würde, erinnerte jeder Schritt sie nochmals an meine Anwesenheit.

Ich spürte ihre Blicke, die sich wie Dolche in meinen Rücken bohrten. Ich spürte ihr angespanntes, erwartungsvolles Schweigen, das mir die Kehle zuschnürte. Ich spürte ihr Misstrauen, das mir das Atmen erschwerte.

Sie hassen mich.

Vor den Stühlen drehten wir uns um und ich schaffte es, den Blick zu heben. Ich erkannte keinen von ihnen - welch Überraschung. Abgesehen von dem jungen Mann, dessen Bronzeaugen ermutigend zu mir aufschauten. Obwohl ich immer noch sauer auf Cave war, war ich überaus erleichtert, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Ein Gesicht, das unter dem linken Auge von einer violetten Schattierung verziert war. Ich runzelte die Stirn, was jedoch unter den vielen, steifen Schichten von Make-up hoffentlich nicht zu erkennen war.

Hatte er sich geprügelt?

Ein keiner Teil von mir wünschte sich, dass ich ihm dieses Veilchen verpasst hätte. Allerdings schien mir jemand anderes zuvor gekommen zu sein. Meine Spekulationen, was passiert sein könnte, verdrängte ich und betrachtete stattdessen die anderen Anwesenden - alles ältere Männer.

Natürlich. Grandios. Herrlich.

"Ich möchte Euch ganz offiziell meine Verlobte vorstellen. Rhory Cholís, meine zukünftige Ehefrau und Eure", Andrés stockte einen Moment, was mich zugleich verwirrte und verunsicherte, ehe er fortsetzte," Herzogin. Ich wünsche, dass Ihr ihr mit dem gleichen, wenn nicht sogar größerem Respekt begegnet, als mir."

Mein zukünftiger Ehemann sprach mit einer Stärke und Autorität, für die ich ihn beneidete, da ich sie mit in diesem Moment für mich selbst wünschte. Er blickte den älteren Herren selbstsicher entgegen, hatte das Kinn gehoben und schien bei seiner Ansprache mit vor Stolz geschwellter Brust meinen Namen und Titel zu nennen.

Das angespannte Schweigen gewann an noch mehr drückendem Gewicht, als der Hofstaat erwartungsvoll auf eine Reaktion, auf Worte oder irgendwas von mir wartetet. Die Panik lähmte meine Gedanken, denn für einen Moment verharrte ich völlig verloren, ohne zu wissen, was ich tun oder sagen sollte.

Was erwarten sie von mir?

Ich krallte meine zitternden Hände in den Rockstoff und ich leckte mir über die Lippen, um meine spröden Lippen zu befeuchten. Soweit mir das sperrige Kleid es erlaubte, sank ich in einen Knicks und erwiderte gepresst: "Ich freue mich darauf, Euch und diesem Hof als Herzogin zu dienen."

Sowas würde doch ein braves, gesittetes Frauchen sagen, oder?

Die Männer murmelten etwas und erwiderten meine Geste mit einer Verbeugung, wobei manche jene nur andeuteten und sich nicht einmal die Mühe machten, ihre Respektlosigkeit damit zu verbergen. Es waren keine zusätzlichen Worte nötig, um mir ihre Ablehnung zu verdeutlichen.

Ich merkte, wie Andrés missbilligend den Kiefer vorschob, als ihm die mangelhafte Reaktion auffiel, die eine klare Beleidigung darstellte. Er atmete lange aus, als müsse er die Kontrolle zurückgewinnen, bevor er alle zu Tisch bat.

A court of stars and moonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt