Der Angriff

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Mein Herz pochte laut, beinahe ohrenbetäubend und verdrängte den verheißungsvollen Klang der Glocke. Ich hielt die Züge fest umklammert, sodass meine Fingerknöchel weiß hervortraten. Meine Schultern und Oberschenkel brannten, derart angespannt hielt ich meinen Körper, um bei dem Tempo, dass Andrés vorgab, nicht aus dem Sattel zu rutschen. Der Kaltschweiß rann mir den Nacken hinab und sorgte dafür, dass die Tunika an meinem Körper klebte.

Ein schreckliches Gefühl lag mir wie ein schwerer Stein im Magen.

Wenn es mir bereits so ging, wie musste Andrés sich fühlen?

Es wunderte mich nicht, dass der Herzog gnadenlos sein Reittier vorantrieb, um schnellstmöglich an seinen Hof zu gelangen. Seine angespannten Schultern, der ausdruckslose Ausdruck in seinem schönen Gesicht und die getriebene Ruhelosigkeit in seinen Meeresaugen sprachen Bände. Seine Gedanken mussten verrückt spielen. Sein Sorge musste unermesslich sein. Sein Angst musste sich wie Gift durch seine Adern fressen.

Das war sein Zuhause. Seine Leute. Seine Familie.

Und sie wurde angegriffen und er war nicht da.

Aus diesem Grund war ich mehr als erstaunt, dass der junge Mann es dennoch vollbrachte, darauf zu achten, dass wir einander nicht verloren, dass ich immer direkt hinter ihm war - auch, wenn er dafür sein Tempo drosseln musste.

Ich fühlte mich wie Ballast, der ihn davon abhielt, schnellstmöglich voranzukommen. Deswegen biss ich die Zähne zusammen, lehnte mich weiter nach vorne und trieb meine Stute noch etwas mehr an.

Als ich die Mauern in der Ferne ausmachen konnte, trug der Wind, der mir scharf ins Gesicht schnitt, das klägliche Geheul von Wölfen mit. Mein Herz stockte für einen Moment, bevor es in einem höllischen Tempo erneut zu rasen begann. Ein Rauschen betäubte meine Ohren, übertönte das Poltern meines Herzens, während mein Blickfeld an den Rändern zu verschwimmen begann.

Das Geheul trieb die dunkelsten Erinnerungen an die Oberfläche meines Geistes, obwohl ich krampfhaft versuchte, jene zu unterdrücken. Ich merkte, wie ich langsam hinter dem Dunkelhaarigen zurückfiel, weil ich wie erstarrt auf Maessy saß.

"Rhory, bleib in der Kutsche. Du musst mir versprechen, ganz gleich, was du hörst, du musst hier drin bleiben. Versprich es mir, Liebling", die warmen, zarten Hände meiner Mutter hielten mein Gesicht umfasst, während sie mich eindringlich ansah.

Ich blinzelte gegen diese Bild an, versuchte es aus meinem Kopf zu verbannen. Ich wollte dies nicht erneut durchleben.

Ihre Hand, an die ich mich schluchzend klammerte, war eiskalt, steif und blutig. Sie rutschte immer wieder aus meiner Umklammerung.

Die Zügel rutschten mir aus der Hand, während ich mir würgend die Hand gegen die Brust presste und die Augen zusammen kniff. "Rhory?", dumpf hörte ich die Stimme des jungen Mannes, der trotz des drohenden Unheils, sein Pferd zurückfallen ließ, um mit mir auf einer Höhe zu sein.

Reiß dich zusammen!

Andrés Zuhause war in Gefahr. Ich konnte ihm nicht wie ein Klotz am Bein hängen, ihn noch länger aufhalten, nur, weil ich mich in Erinnerungen suhlte. Ich riss mich aus meiner Starre, indem ich mir in die Hand biss, so fest, bis ich den metallischen Geschmack meines Blutes schmeckte. Ich konnte den sorgevollen Blick des Älteren auf mir spüren.

Der Schmerz katapultierte mich zurück in die Realität. In eine Realität, in der Andrés in Qualen gefangen zu sein schien. Das Jaulen, das durch die Wälder um uns herum hallte, schien ihm körperliche Schmerzen zu bereiten - er krümmte sich beinahe auf Schneeflocke. Dieser Anblick irritierte mich einen Moment, ehe ich wieder vollständig zur Besinnung kam und mein Pferd erneut antrieb und damit ebenfalls den Herzog wieder auf Spur brachte.

A court of stars and moonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt