Die Ankunft

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Nachdem der Hurricane der Gefühle abgeebbt war und die Wut, der Hass und die Entrüstung mich verlassen haben, blieb lediglich eine Leere in mir zurück. Eine Leere, die mich von Innen heraus aufzufressen schien. Eine Leere, die mich lähmte und in einen Zustand der Apathie versetzte.

Die Reisegesellschaft hatte ihren Weg wieder aufgenommen, sodass wir uns tagsüber über die Straßen bewegten und abends rasteten. Ich wusste nicht, wo wir waren, noch wohin wir unterwegs waren. Ich hätte die Reiter, die sehr nah an meiner Kutsche ritten und wahrscheinlich die Aufgabe hatten, mich vor einem weiteren Fluchtversuch abzuhalten, fragen können, jedoch fehlte mir die Kraft. Sowohl zum Fragen, als auch zum Flüchten. Es ehrte mich jedoch, dass mehrere Männer dafür abgestellt wurden.

In meiner Teilnahmslosigkeit kauerte ich stumm in meiner Ecke der Kutsche und starrte aus dem Fenster. Ich vermied die Gesellschaft der anderen, denn ich verließ die Kutsche nur, um mein Geschäft zu verrichten und umging die geselligen Zusammenkünfte am Lagerfeuer. Das schien die Männer nicht zu stören - ich hatte sogar das Gefühl, dass es ihnen lieber war, dass ich mich fern hielt, da sie mich nicht dabei haben wollten. Sie schienen zu glauben, dass es mir nicht auffiel, wenn sie über mich tuschelten, das Wort "entstellte Hexe" fiel oder sie mir argwöhnische Blicke zu warfen. Ich war in einem Haushalt aufgewachsen, in dem ich das täglich erlebt hatte, deswegen war es egal, wie leise sie sprachen oder wie unauffällig sie mir nachsahen - ich merkte es.

Lediglich Cave - das war der Name des Mannes, der versucht hatte, Andrés zu beruhigen - versuchte mich in ihrer Runde aufzunehmen. Er brachte mir das Essen an die Kutsche, lud mich ein, mich zu ihnen zu gesellen und schob kleine Scherze zwischendurch, um die Stimmung zu lockern und obwohl ich ihm dankbar für seine Versuche war, lehnte ich jedes Mal ab. Ich schenkte ihm ein schwaches Lächeln, nahm ihm das trockene Fleisch und das Brot ab und verzog mich wieder auf meine Sitzbank.

Andrés wahrte ebenfalls Abstand zu mir - ob aus Schuldbewusstsein oder weil Cave ihm den Kopf gewaschen hatte, wusste ich nicht, doch ich nutzte diese Zeit zum Durchatmen und Nachdenken.

Die Leere in mir brannte wie bittere Galle, denn sie erinnerte mich daran, dass ich erneut gefangen war. Ich war von einer Gefangenschaft in die nächste gegeben worden. Der Baron schien keinesfalls grausam zu sein - er war nicht mein Onkel, doch worin lag der Unterschied? Die Bedingungen waren anders, jedoch war ich immer noch an einen Mann gefesselt.

Meinen zukünftigen Ehemann.

Andrés hatte deutlich gemacht, dass er mich nicht einfach so gehen lassen würde. Er hatte sich nicht umsonst die Mühe gemacht, mich zu suchen. Paria hatte Recht gehabt: Der Herzog bekam immer das, was er will.

Während der Reise bemerkte ich, dass mein Rücken nicht mehr schmerzte. Ich hatte seit meiner Ohnmacht nicht mehr daran gedacht; ich hatte es vollkommen vergessen. Jemand musste meine Wunden behandelt haben, während ich bewusstlos war. Wer auch immer das war, war ein Heiliger, denn selten waren meine Schmerzen nach einer solch kurzen Zeit bereits vergangen. Derjenige, der meine Wunden versorgt hatte, musste mich jedoch ausgezogen hab-

Ich hörte das schmatzende Geräusch, das wie ein Echo in mir widerhallte, als ich das Küchenmesser wiederholt aus dem Leib meines Verfolgers zog. Das glitschige Blut, das meine Hände vollkommen tränkte, machte es schwierig, die Waffe zu halten, doch in meiner blinden Raserei war mir das egal. Meine Wangen waren feucht; mein Hemd und die Hose klebten an meinem Körper...

Die Erinnerung brach abrupt ab, während ich erschüttert auf meine Hände starrte, an denen vor einigen Tagen noch das Blut eines Mannes klebte. Das Blut war überall an mir gewesen; es war-
Die Übelkeit stieg urplötzlich in mir auf, dass ich mir würgend die Hand auf den Mund pressen musste.

A court of stars and moonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt