Sie

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Ich schließe meine Augen und sehe ...

sie.

Sie, mit ihren braunen, langen Haaren, die sie viel zu oft zu einem Zopf bindet.
Sie, mit den grünen Augen, in den sich der Frieden widerspiegelt und doch auch eine kleine Verletzlichkeit.
Sie, mit dem Gedanken beim lernen, um jeden stolz zu machen.
Sie, sie, sie.

Ich darf den Kopf nicht verlieren und muss sie aus meinen Gedanken verbannen. Aber immer wieder kehrt sie, wie eine lästige Fliege, zurück und stehlt sich jeden meiner Gedanken. Ich wälze mich in meinem Bett, mit dem wissen, dass es bereits Tags ist und jeder schon auf beiden Beinen steht. Nur ich nicht. Ich liege im Bett, wälze mich und denke an sie. Mein ganzer Körper ist angespannt und verflucht, es fällt mir äußerst schwer, mich zu kontrollieren. »Na, schon liebes Kummer?«, mein bester Freund betritt mein Zimmer. Genervt grummle ich und ziehe mir die Decke über den Kopf.

»So ein Stuss.«, kommt es gedämpft von mir. Kenny lässt sich seufzend auf die Couch nieder, die in meinem Zimmer steht. »Ich bin nur müde!«, Kenny lacht und sagt »Wenn du meinst.« Ich schlage die Decke beiseite und setze mich auf. Meine Haare völlig zerzaust. »Hier.«, Kenny wirft mir eine Packung Dorayaki zu, die ich ohne zu zögern öffne und direkt im Mund stecke. »Ich bringe Tee!«, informiert uns Ema, die geradewegs mit einem Tablett in der Hand - auf den Tassen, mit köchelnder Flüssigkeit - zu uns bringt.

Sie stellt es auf dem kleinen Tisch, vor der Couch ab und nimmt das Tablett mit sich. »Wird Zeit das du aufstehst.«, wendet sie sich an mich. Genervt stöhne ich und wende meinen Blick von ihr ab. Ich setze mich zu Kenny, auf der Couch, der direkt aufsteht und einen Kamm samt Haargummi anschleppt, nur um meine Haare zu machen. Er macht meine Haar immer und wenn er nicht da ist, dann übernimmt es Ema, weil wenn ich es mache sieht es schrecklich aus. Es sieht aus, als wäre eine Bombe explodiert, sagte Ema.

Nein, ein Vogelnest, sagte Shin, während er dabei eine geraucht hatte. Und Kenny hatte sich seufzend an die Schläfe gefasst und genervt nach dem Kamm und Haargummi gegriffen, um das Desaster zu korrigieren. Seit dem reißen sie mir den Kamm aus der Hand oder bringen ihn aus meiner Reichweite, sobald ich den Kamm nur ansehe. »Was steht heute an?«, frage ich mit vollem Mund, da Kenny immer der ist, der den Kalender auswendig kennt. »Nichts weiter.«
»Dann lass uns nachher zum Mini Restaurant schlendern!«, schlage ich grinsend vor. Kenny seufzt leise, da er weiß, dass es nichts bringt abzulehnen.

»Bald ist es soweit.«, sage ich, während ich mein Kindermenü in mir rein schaufle. Ich bin längst volljährig, aber nichts geht über ein Kindermenü. Es schmeckt einfach besser, als jeder andere Kram, das dieses Restaurant anbietet. »Willst du es direkt beim nächsten Treffen machen?«, fragt mich mein Vize, der längst Bescheid weiß. Ich halte mir die Gabel  überlegend an den Lippen und sehe dabei hinaus, aus dem Fenster. »Wann ist die nächste Versammlung?«, ich sollte mir allmählich die Termine merken, sonst wird das noch böse Enden.

»Am Freitag.«, antwortet Kenny und schlürft an seiner Cola, die er sich - statt eines Kindermenü's - bestellt hat. Kenny hat sich, soweit ich mich erinnern kann, nie ein Kindermenü bestellt. Dabei verpasst er die Köstlichkeiten auf diesem runden Teller. »Die Neue Ära ist längst eingereicht und wir sind die Top eins.«, ich lege die Gabel auf den leeren Tellern und grinse. »Es gibt nichts mehr zu bemängeln. Freitag ist es denn soweit.«, ich verschränke meine Arme vor meiner Brust und lehne mich zurück, während mein Blick aus dem Fenster fällt. »Ab Freitag wird es die Gang nicht mehr geben.«

»Ein Nickerchen wäre jetzt schön.«, ich strecke mich und gähne laut, als wir das Restaurant verlassen. Wir gehen um die Ecke, als etwas unsere Aufmerksamkeit erregt. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen Typen, um - ich schätze - zwei Personen. Und wenn ich mich nicht irre, gehören diese Typen zu uns. »Lass uns nachsehen.«, ich laufe über die Straßen und vernehme dabei eine Mädchenstimme, die wütend »Geht mir aus dem Weg!«, ruft. »Was ist hier los?«, frage ich, als ich angekommen bin und meine Hände in die Hosentaschen stecke.

Sofort drehe sich die Typen um und als sie erkennen, wer vor ihnen steht, verbeugen sie sich und begrüßen mich. »Echt jetzt? Scheißkerle!«, flucht Kiyomi, die überraschender Weise dasteht und wütend mit ihren Augen die Kerle anfunkelt. Ein weiterer Typ neben ihr, der sich ebenso verbeugt. »Kiyomi, was machst du denn hier?«, ich sehe an ihr herab, zu ihrem bandagierten Fuß. »Diese Mistkerle, die anscheinend zu dir gehören, wollten uns - wobei es mich am ehesten trifft - belästigen.«, wütend stampft sie an denen vorbei und stellt sich neben mich.

»E-Entschuldigt, wir wusste nicht, dass sie zu dir gehört.«, entschuldigt sich der Kerl bei mir. Ich sehe zu Kiyomi, dessen Augenbrauen zucken. »Ich gehöre niemanden!«, keift sie und ich lache herzlich auf, dann wende ich mich ernst an den Typen. »Wagt es euch noch einmal, ein Mädchen ungefragt anzufassen, oder ungefragt anzusprechen. Das nächste mal gibts Knochenbrüche.«, alle zucken zusammen und nicken hastig, ehe sie gehen, bis auf der andere, der neben Kiyomi gestanden hat. »Viel Glück morgen beim Test!«

Ich sehe zu Kiyomi, die diesen Kerl anscheinend nach kennt. Und plötzlich mag ich diesen Kerl nicht. Ein Gang Rausschmiss wäre geeignet, aber die Gang wird sowieso bald aufgelöst. »Danke dir.«, er lächelt sie an und verbeugt sich, dann wendet er sich mir zu und verbeugt sich, ehe er geht. Ihr Lächeln sollte nur mir gehören ... »Woher kennst du ihn?«, frage ich sie und spüre dabei Kenny's brennenden Blick auf mir. Soll er doch denken was er will! »Er geht in die Parallel Klasse.«, sagt sie und dreht sich zum Gehen um. »Solche Idioten.«, flucht sie und meint womöglich die Kerle, die sie davon abhielten nach Hause zu gehen.

»Ich hätt' es ihnen gezeigt, wenn ihr nicht gekommen wärt!«, murmelt sie selbstsicher und man sieht, wie sie rot um ihre Ohrenspitzen wird. »Sicher.«, sage ich. »Du glaubst mir nicht!«, sie dreht sich zu mir um. Ich hebe meine Hände in die Lüfte. »Natürlich glauben wir dir.«, Kenny grinst, während er unser Verhalten beobachtet. Sie öffnet empört ihren Mund. »Mit sowas gebe ich mich nicht ab.«, sie dreht sich um und stolziert weiter. Ihre Hände streckt sie in die lüfte, um sich zu strecken und erschöpft zu schnaufen.

»Wie du willst, Manjiro.«, sie bleibt stehen und sieht mich über ihre Schultern hinweg an. Und plötzlich beginnt mein Herz höher zu schlagen. »Ich war lange nicht mehr im Dojo!«

𝐈 𝐥𝐨𝐯𝐞 𝐲𝐨𝐮 𝐬𝐢𝐥𝐞𝐧𝐭𝐥𝐲Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt