Die Sonne brannte erbarmungslos vom Himmel. Ein typischer kalifornischer Sommer, an den sie sich wohl nie gewöhnen würde. Das Wetter in ihrer Heimatstadt Portland war kühler und deutlich unberechenbarer - hatte aber durchaus seine Vorzüge. Sie schirmte ihre Augen vor der Helligkeit ab und sah ihrem Ziel entgegen: Ein großes schmiedeeisernes Tor, etwa hundert Meter entfernt. Dahinter erstreckte sich ein ausladendes Gelände voller Gerümpel und Schrottbergen. Das Gelände war von einem hohen Holzzaun umgeben, an dem sich einige Straßenkünstler verewigt hatten. Über dem Tor prangte das Schild ›Gebrauchtwarencenter T. Jonas‹ und darunter war ein Banner gespannt: ›Herzlich Willkommen zum Tag der offenen Tür‹.
Sie konnte die Menschenmassen nur erahnen, aber der Lautstärke nach zu urteilen, war bereits einiges los auf dem Gelände. Entsprechend wenige Parkmöglichkeiten gab es in der unmittelbaren Umgebung. Aber das Glück war auf ihrer Seite gewesen und sie hatte einen Parkplatz ganz in der Nähe ergattert.
Jetzt stand sie hier, noch etwas unschlüssig, was sie überhaupt suchte und erreichen wollte. Aber wenigstens anschauen konnte sie sich das Spektakel, wenn sie nun schon einmal da war.
Mit einem tiefen Seufzer schloss sie das Auto ab, setzte ihre Sonnenbrille auf und überquerte die Straße.
Als sie das Tor durchschritt, blieb sie stehen und betrachtete das Geschehen. Das Gelände war erstaunlich groß. Gleich am Eingang stand eine kleine Holzhütte mit der Aufschrift ›Büro‹, die zur Verpflegungsstation umgewandelt worden war. Sie entdeckte einen Grill, eine Theke mit belegten Broten und ein ausladendes Kuchenbuffet. Vor und neben dem Gebäude waren Tische und Bänke für die zahlreichen Gäste aufgestellt. Sonnenschirme schützten die Menschen vor der brennenden Sonne.
Ihr Blick wanderte weiter und entdeckte eine kleine Bühne mit einem Rednerpult und Mikrofon. Sie rief sich das Programm in Erinnerung, welches sie sich vor ihrer Fahrt hierher im Internet durchgelesen hatte. Am heutigen Tag sollte unter anderem eine kleine Versteigerung stattfinden. Den Gäste nach zu urteilen, die sich bereits vor der Bühne versammelt hatten, würde es bald soweit sein.
Und tatsächlich trat in diesem Moment ein kleiner Mann mit grauem Schnurrbart und Sommerhut auf die Bühne ans Mikrofon.
»Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren. Im Namen aller Mitarbeiter, möchte ich Sie herzlich im Gebrauchtwarencenter T. Jonas begrüßen. Ich freue mich sehr, dass sie bei diesem wunderbaren Wetter den Weg zu uns gefunden haben. Für den heutigen Tag haben wir einiges für Sie vorbereitet. Auf Ihrer rechten Seite befindet sich ein kleiner Flohmarkt mit einigen sehenswerten Einzelstücken aus unserem Sortiment. Auf dieser Bühne hier wird in wenigen Minuten die Auktion stattfinden, in denen ich Ihnen ausgewählte Stücke präsentiere, die hoffentlich einen neuen Besitzer finden werden.« Ein Schmunzeln ließ sich unter dem Schnurrbart erkennen. »Nach einer kleinen Pause wird es außerdem noch eine kleine Überraschung für die kleinen Gäste geben. Sollten Sie währenddessen Hunger oder Durst verspüren, wird Ihnen meine Frau drüben am Büro gerne eine Tasse Kaffee und ihren berühmten Kirschkuchen kredenzen. Bei Fragen oder Wünsche stehen ihnen meine Mitarbeiter gerne zur Verfügung. Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß und auf das wir Ihre Wünsche heute in Erfüllung bringen können.«
Applaus ertönte.
Der kleine sympathische Mann verbeugte sich leicht und winkte dann seine Mitarbeiter heran, die bereits mit dem ersten Objekt neben der Bühne warteten. Während der eine einen kleinen Tisch auf der Bühne aufstellte, trug der zweite eine ca. 80cm große Bronzefigur, die er vorsichtig auf dem Tisch drapierte.
Aufmerksam beobachtete sie die Szenerie und gesellte sich zu den Wartenden an der Bühne. Ein Blick genügte ihr und sie wusste, um was für eine Figur es sich handelte und wie viel sie wahrscheinlich einbringen würde. Die Bronze stellte die griechische Göttin der Jugend dar, Hebe, die einen Krug auf den Schultern trug und deren Körper sanft von einem Tuch umspielt wurde. Sie wurde auch häufig als Mundschenk der Götter bezeichnet. Die Figur schien - soweit das aus der Entfernung erkennbar war - in einem sehr guten Zustand. Allerdings war sie nicht selten. Da es sich um ein sehr beliebtes Motiv handelte, wurde sie häufig reproduziert. Viel sollte sie daher nicht einbringen, vielleicht 300 Dollar, schätzte sie.
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Dämonen der Vergangenheit (Drei Fragezeichen Fanfiction)
Fanfiction☆ Gewinner der Amby Awards 2023 ☆ Was muss geschehen, damit man seinem bisherigen Leben von einem Tag auf den anderen den Rücken kehrt und jeden Kontakt abbricht? Eyleen Andrews steht vor einem Rätsel. Eigentlich lebt sie das Leben, das sie sich i...