Zur späteren Stunde saßen die beiden Frauen auf dem Sofa, jede eine Tasse dampfenden Tees vor sich. Die Männer hatten sich in Bills Büro zurückgezogen, wo Bill seinem Sohn die neueste Errungenschaft für seine Fotoausrüstung vorführen wollte.
Lin nahm einen Schluck aus der Tasse und lehnte sich seufzend zurück. »Das Essen war wirklich großartig, Caroline. Habe ich das schon gesagt? Und der Wein erst.«
Caroline lachte. »Ja, hast du. Das freut mich. Den Wein hat Bill letztens mitgebracht, als er hier in der Nähe in einem Weingut für einen Artikel recherchiert hat.«
»Ich frage ihn gleich nach der Adresse. Sobald ich mich in L.A. eingerichtet hab, werde ich dort auch hinfahren müssen.«
»Wann wirst du die Galerie übernehmen?«
Lin überlegte. »Ich weiß es noch nicht genau. Vermutlich in etwa einem Monat. Die Galerie hat Dillan vor einigen Wochen erst übernommen. Es gibt wohl noch einigen Papierkram, der vorab erledigt werden muss.«
»Und dann? Was sollst du tun?«
»Einen Kundenstamm aufbauen, Künstler kennenlernen und anwerben, verschiedene Veranstaltungen organisieren. Ich freue mich schon. Das wird ein Spaß.«
Caroline betrachtete sie lachend. »Ja, du klingst begeistert. Aber es wird nicht einfach werden, über die Distanz.«
Lin versuchte ein zuversichtliches Lächeln aufzusetzen. »Ich weiß, aber es wird gehen. Davon bin ich überzeugt.«
Caroline nickte. Sie schien kurz über etwas nachzudenken, dann fragte sie zögernd: »Wie sieht es eigentlich mit den Alpträumen aus? Er sagt immer, alles wäre in Ordnung. Aber das kaufe ich ihm nicht ab.«
Lin seufzte. Sie hatte bereits mit der Frage gerechnet. »Sie werden weniger. Aber sie sind immer noch da.«
Sie dachte zurück an die vielen Nächte, in denen er sich schwitzend und schreiend im Bett hin und her gewälzt hatte. Oft genug war sie rechtzeitig wach geworden, bevor der Traum seinen Höhepunkt erreichte und hatte ihn geweckt. Aber häufig war sie auch alleine im Bett aufgewacht und hatte ihn am Schreibtisch vorgefunden, wo er wieder mal eine Nacht durchgearbeitet hatte, nur um nicht wieder einzuschlafen und den nächsten Alptraum zu erleben.
»Am Schlimmsten sind sie weiterhin, wenn er gestresst ist«, berichtete sie. »Aber verrat ihm bitte nicht, dass ich es dir gesagt habe. Er wollte es für sich behalten.«
»Schon klar.« Carolin verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. »Er ist genau wie sein Vater.«
Lin lehnte sich nach vorne und stütze ihre Ellbogen auf die Knie. »Er hat mir bis heute nicht erzählt, was das für Alpträume sind. Woher kommen die Dämonen, die ihn verfolgen?«
Caroline blickte sie nur an und schwieg. Nach einer Weile, die Lin wie eine Ewigkeit vorgekommen war, sagte sie: »Du weißt ja, dass die Alpträume das erste Mal kurz nach seinem Unfall vor einigen Jahren auftraten.«
Lin hob die Augenbraue. »Was ist damals passiert, dass es ihn so lange belastet?«
Bobs Mutter seufzte. »Genau weiß ich es nicht. Er hat mit niemandem geredet. Selbst die psychologische Hilfe hat er abgelehnt und stattdessen versucht es aus seinem Leben zu verdrängen. Diese Geschichte kennst du. Nimm es nicht persönlich, dass er dir nie mehr erzählt hat. So ist er eben. Wir wissen alle nichts genaues.« Sie seufzte noch einmal. »Vielleicht wird er irgendwann darüber hinweg sein und dir alles berichten.«
»Ich befürchte, das wird nie der Fall sein«, gab Lin resigniert zurück.
»Was wird nie der Fall sein?«
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Dämonen der Vergangenheit (Drei Fragezeichen Fanfiction)
Fanfic☆ Gewinner der Amby Awards 2023 ☆ Was muss geschehen, damit man seinem bisherigen Leben von einem Tag auf den anderen den Rücken kehrt und jeden Kontakt abbricht? Eyleen Andrews steht vor einem Rätsel. Eigentlich lebt sie das Leben, das sie sich i...