Kapitel 16

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Zwei Tage später stand Bob unschlüssig vor einem modernen Neubau. Seit einer halben Ewigkeit starrte er bereits die Namensschilder neben den Klingeln an, obwohl er die richtige schon längst gefunden hatte.

Seine Mutter hatte ganze Arbeit geleistet und dafür gesorgt, dass er nicht nur einigermaßen ausgeschlafen war, sondern auch Essen und Trinken nicht vergaß. Erholt und gestärkt hatte er endlich das Gefühl, einen klaren Gedanken fassen zu können. Er musste mit Justus sprechen, ob er wollte oder nicht. Doch bis er tatsächlich den Mut gefasst hatte, war weitere Zeit ins Land vergangen. Von Kelly hatte er sich schließlich die Adresse zu Justus' Apartment in Rocky Beach besorgt.

Und nun stand er hier und rang schon wieder mit sich.

»Entschuldigung«, ertönte plötzlich eine Stimme in seinem Rücken und riss ihn aus seinen Gedanken. »Könnte ich mal vorbei?«

Bob wandte sich um. Eine Frau mittleren Alters stand hinter ihm, in den Händen eine Einkaufstüte.

»Klar.« Bob sprang schnell auf Seite. »Sorry.«

Die Frau schloss die Tür auf und sah ihn dann neugierig an. »Wo wollen Sie hin?«

»Ähm, zu Mr. Jonas.«

»Na, dann kommen Sie rein.« Sie lächelte und bedeutete ihm mit dem Kopf mitzukommen.

Er folgte ihr und schenkte ihr ein dankbares Lächeln, was ihm trotz Nervosität erstaunlich gut gelang.

Vor Justus' Wohnungstür zögerte er erneut, gab sich jedoch einen Ruck und klopfte an. Er hörte ein Rumoren hinter der Tür, dann wurde sie geöffnet.

Ihre Blicke trafen sich. Einen kurzen Moment starrten sich beide wortlos an. Justus hatte sich verändert, wie Bob feststellen musste. Er war nicht mehr der pummelige Junge von damals. Stattdessen war der Bauch verschwunden und seine Schultern gleichzeitig breiter geworden. Offensichtlich hatte er im Laufe der letzten Jahre doch noch Freude am Sport gefunden.

Es war nicht zu übersehen, dass auch er Blessuren von dem Unfall davongetragen hatte. An seiner Stirn prangte ein großes Pflaster, sein rechtes Auge war blau unterlaufen und leicht angeschwollen. Außerdem bemerkte Bob, dass die rechte Hand bandagiert war.

»Hey«, sagte Justus schließlich nach einer langen Zeit des Schweigens und trat zur Seite. »Komm rein.«

Bob betrat die kleine Wohnung und stand gleich in einem schlicht eingerichteten Wohnzimmer, mit angrenzender Küche. Zwei Türen gingen vom Wohnzimmer ab. Schlafzimmer und Badezimmer, wie Bob vermutete. Die Küche bestand eigentlich nur aus einer Küchenzeile und einem schmalen Esstisch, an dem vier Stühle standen. Auch hier war alles schlicht gehalten und es blitzte vor Sauberkeit.

Bob schaute sich unschlüssig um, die Hände in den Hosentaschen verborgen, in der Hoffnung, so auch seine Nervosität verbergen zu können.

»Magst du einen Tee? Ich hab mir gerade eine Kanne Schwarztee aufgebrüht.«

Bob nickte nur, folgte Justus zum Tisch und setzte sich. Als Justus ihm eine dampfende Tasse hinstellte, griff er sofort danach, erleichtert, seinen Händen endlich etwas zu tun geben zu können.

»Wie geht es Lin?« Justus setze sich ihm gegenüber und trank einen Schluck.

»Unverändert.« Bobs Stimme klang rau und brüchig. Verdammte Nervosität. Er räusperte sich. »Sie ist immer noch nicht aufgewacht. Aber immerhin hat sich ihr Zustand nicht verschlechtert.«

»Was sagen die Ärzte?«

Bob zuckte mit den Achseln. »Dass wir abwarten müssen.«

Justus nickte bedächtig und trank noch einen Schluck. Er wirkte gefasst und bemüht, sich seine Überraschung über den unangekündigten Besuch nicht anmerken zu lassen. Aber auch er schien sich an der Tasse festhalten zu wollen. »Woher hast du meine Adresse?«

Dämonen der Vergangenheit (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt