Kapitel 5

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Doch ihr Vorhaben musste warten.

Der Umzug nach L.A. und der Aufbau der Galerie nahmen ihre ganze Aufmerksamkeit und Energie in Anspruch.

Drei Monate nach ihrem Umzug war der Herbst in Kalifornien angekommen. Wobei Herbst in L.A. lediglich hieß, dass die Temperaturen auf ein erträgliches Maß fielen und die vielen Sonnenstunden durch vereinzelte Herbststürme unterbrochen wurden. Dennoch ließ es Lin ein wenig aufatmen. Sie war diese Hitze einfach nicht gewohnt.

Die Arbeit in der Galerie war wie erwartet spannend und abwechslungsreich, aber auch sehr fordernd. In den letzten Wochen hatte sie selten ein paar Stunden am Stück gehabt, in denen sie nur für sich sein konnte und keinen Gedanken an die Arbeit verwendete.

Auch jetzt saß sie wieder im Auto und fuhr durch die kalifornische Küstenlandschaft. Sie war gerade bei einem Kunden gewesen, der ihr die Kunstwerke seiner Frau präsentiert hatte. Ein gut betuchter Kunde, der in Hollywoods Filmfabrik Karriere gemacht und sehr viel Geld verdient hatte. Lin war es, dank der umfangreichen Kundenkartei von Miller&Son's, zwar gewohnt in prachtvollen Villen ein und aus zu gehen und sich in den Kreisen sicher zu bewegen. Aber sie hatte schnell lernen müssen, dass Hollywood noch einmal eine ganz eigene Nummer war. Hier waren die Millionäre und Milliardäre noch exzentrischer und spezieller. Die Ehefrau des besagten Kunden war mindestens 30 Jahre jünger, als ihr Gatte und Lin hatte nichts Natürliches mehr an ihr finden können. Die Brüste waren zu prall und drohten bei jedem Lachen aus dem zu knappen Kleidchen zu fallen. Die Lippen waren bis zum Bersten aufgespritzt und gemeinsam mit den Unmengen an Make-Up verliehen sie der Dame einen etwas dümmlichen Ausdruck. Selbst die Haare sahen unecht aus, als hätte sie eine Perücke auf. Früher war sie sicherlich eine Schönheit gewesen. Aber jetzt?

Das künstlerische Talent der Dame war auch nicht sonderlich beeindruckend. Die Ölbilder, die man Lin stolz vorgeführt hatte, waren handwerklich grob und ohne eine Spur von Seele. Doch Lin war Profi genug, um sich ihre Meinung nicht ansehen zu lassen. Sie wusste, dass sie es sich nicht leisten konnte, einen so wichtigen Kunden vor den Kopf zu stoßen. Auch wenn die Bilder seiner Frau keinen großen Wert besaßen, würde sie dennoch das ein oder andere Stück in der Galerie ausstellen und Käufer werben. Zu wichtig war dieser Kontakt und zu bedeutend wiederum seine Kontakte zu Hollywoods High Society. Lin musste strategisch denken, wenn sie die Galerie zum Erfolg führen wollte. Der Tag hatte sie geschlaucht. Sie mochte solche Termine nicht. Aber es gehörte zum Job.

Um den Kopf frei zu bekommen, hatte sie die Fenster runtergelassen und ließ sich den Küstenwind um die Nase wehen. Aus dem Radio ertönte ein typischer gute Laune-Song, der in diesem Sommer rauf und runter gespielt wurde und Lin auch mitriss. Sie lächelte. Zu Hause wartete nur noch Papierkram auf sie. Aber den konnte sie auch noch abends erledigen. Sie würde sich ihre Badesachen schnappen, zum Strand gehen und die Sonne genießen, solange sie noch da war.

Plötzlich erschien ein Schild, dass die Ausfahrt nach Rocky Beach ankündigte. Wie automatisch lenkte Lin ihren Wagen vom High Way in Richtung der Kleinstadt. Erst, als sie das Ortsschild passierte, wurde ihr bewusst, was sie hier tat. Oder eben nicht tat. Denn einen Plan hatte sie gar nicht. Das erste Mal seit mehreren Wochen dachte sie wieder an ihr Vorhaben. Aber was wollte sie hier? Noch einmal zum Schrottplatz und einfach nach einem Justus Jonas fragen? Und dann? Was, wenn er da war? Was wollte sie ihn fragen?

Sie schüttelte über ihre eigene Dummheit den Kopf.

»So wird das nichts!«, sagte sie zu sich selbst. Sie brauchte einen Plan. Einfach zum Schrottplatz fahren war Blödsinn. Im besten Fall würde man sie wieder wegschicken. Im Schlechtesten vielleicht die Polizei holen. Immerhin wusste sie nicht, was zwischen den Dreien damals wirklich passiert war. Genau das sollte sie als erstes herausfinden.

Dämonen der Vergangenheit (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt