Kapitel 22

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Als Lin endlich das Krankenhaus verlassen konnte, stand die Sonne wieder einmal am strahlend blauen kalifornischen Winter-Himmel. Es war merklich abgekühlt, dennoch glichen die Temperaturen eher einen milden Frühlingstag in ihrer Heimatstadt Portland.

Sie genoss es, nach so vielen Wochen in der Klinik endlich wieder in Freiheit zu sein. Und die Aussicht auf ein gutes Essen, ihr eigenes Bett und etwas Privatsphäre, stimmte sie glücklich. Ihre Wunden waren gut verheilt. Von ihrer Kopfverletzung waren ein paar Narben und gelegentliche Kopfschmerzen zurückgeblieben. Ihre langen Haare hatte sie durch die OP an einigen Stellen einbüßen müssen und sie daher einfach von einer befreundeten Friseurin kurz schneiden lassen. Ihr Bein war noch nicht wieder vollständig genesen. Immer noch trug sie einen Gips, der sie auch noch eine Weile begleiten würde. Aber es war ihr egal. Sie war endlich entlassen und weder Ärzte noch Pflegepersonal hielt sie davon ab, mit ihren Krücken unterwegs zu sein. Viel zu lang war sie ans Bett gefesselt und hatte sich nach kurzer Zeit zu einer sehr unleidlichen Patientin entwickelt, die mit der verordneten Ruhe nicht wirklich klar kam.

Als Bob sie endlich abholte, machte sie in Gedanken drei Kreuze in den Kalender. Sie wusste nicht genau, was er mit ihr vorhatte und er ließ sich auch nichts entlocken. Aber im Grunde, war es ihr auch gleich. Hauptsache Freiheit!

Ihr Blick wanderte zu ihm und sie betrachtete sein Gesicht, auf dem ein zufrieder Ausdruck lag. Er hatte sich verändert in den letzten Wochen. Die Dunkelheit, die seine Augen dann und wann überschattet hatten, war verschwunden. Er wirkte entspannt und ausgeglichen. Nach seinem Urlaub hatte er zurück nach San Francisco in die Redaktion gemusst, war jedoch für ihre Entlassung wieder für ein paar Tage nach L.A. gekommen. Eigentlich hätte sie sich in ein Krankenhaus in San Francisco verlegen lassen können, aber sie hatte sich vehement geweigert. Und das, was sie sah, bestätigte sie nur darin. Trotz der Strapazen der letzten Wochen und der Sorgen um sie, hatte sie ihn schon lange nicht mehr so entspannt erlebt.

Als Bob bemerkte, dass er beobachtet wurde und sich ihr zuwand, lächelte sie.

»Was ist?«

»Verrätst du mir jetzt, wo du mich hinfährst?«

Er lachte. »Genauso wenig, wie vor fünf Minuten.«

»Ach, komm schon. Zum Strand geht's nicht, sonst hättest du vorhin links abbiegen müssen. Außerdem ist es dieses Mal für ein Strandpicknick etwas kalt. Wenn du die Richtung beibehältst, müssten wir in Rocky Beach ankommen. Stimmt's?«

Er zuckte nur mit den Schultern und blickte schmunzelnd auf die Fahrbahn.

»Fahren wir zu deinen Eltern?«, versuchte sie es weiter. »Nein, die waren gestern bei mir und haben mir erzählt, dass sie heute Freunde in San Diego besuchen. Oder geht's zu den Shaws? Grillparty bei den Temperaturen? Zuzutrauen wäre es ihnen ja.«

Keine Reaktion. Lin gab auf und schwieg seufzend. Er würde ihr nichts verraten.

Nach einigen Kilometern wurde ihre Vermutung bestätigt. Sie passierten das Ortsschild von Rocky Beach und Bob fuhr den Wagen durch Straßen und Ortsteile, die Lin bekannt vorkamen. Als Bob Richtung Osten abbog, hatte sie jedoch die Gewissheit, dass es auch nicht das Haus der Shaws ihr Ziel war.

Lin runzelte die Stirn. Als Bob noch einmal abbog, glaubte sie die Gegend wiederzuerkennen. Sie war bereits einmal hier gewesen, fiel ihr auf. Allerdings war es viele Monate her.

»Der Schrottplatz?«, fragte sie erstaunt. »Was wollen wir da?«

»Geduld, meine Liebe«, seufzte Bob.

»War noch nie meine Stärke.«

»Ich merk's.«

Wenige Minuten später fuhr er den Wagen durch das geöffnete Tor auf das Gelände und stellte ihn neben einem alten Pickup und einem dunklen Jeep ab. Lin öffnete ihre Tür und versuchte noch etwas unbeholfen ihre Krücken zu sortieren und auszusteigen. Eilig trat Bob um das Auto herum und half ihr nach draußen.

Dämonen der Vergangenheit (Drei Fragezeichen Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt