Als sie schließlich im Auto saßen, färbte die Sonne den abendlichen Himmel bereits in wunderschöne Rottöne. Lin hatte das Fenster heruntergelassen und ließ sich die erfrischend salzige Meeresluft um die Nase wehen. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Ihre feuchten Haare waren offen und wehten ihr in leichten Wellen über ihre Schultern.
Bob saß am Steuer und fuhr den Wagen in traumwandlerischer Sicherheit über die Küstenstraße. Als er ihren Blick bemerkte, wandte er den Kopf und lächelte. Seine Hand legte sich auf ihre und ihre Finger verwoben sich miteinander.
Sein Blick enthielt eine Frage, die sie sofort verstand. ›Bist du glücklich?‹
Sie lächelte, ihr Daumen malte sanft kleine Kreise über seinen Handrücken. ›Ja!‹
Es waren diese Momente der stillen Zweisamkeit, die sie so sehr an ihrer Beziehung schätzte. Die Momente, in denen niemand etwas sagte und doch alles Wichtige gesagt wurde. Im Laufe der Jahre hatten sie eine eigene Sprache entwickelt und diese perfektioniert. Eine Sprache bei der Worte unnötig waren.
Als sie an seinem Elternhaus ankamen, wurden sie bereits erwartet. Caroline Andrews saß auf der Veranda vor dem Haus und erhob sich, als Bob das Auto auf die Einfahrt lenkte. Lächelnd trat sie ihnen entgehen und umarmte sie nacheinander.
»Hallo, ihr beiden. Wie schön es ist, euch zu sehen. Kommt rein.«
Bob nahm die beiden Koffer aus dem Kofferraum und stellte sie im Hausflur ab. Im Haus erwartete sie sein Vater Bill, der mit ausgebreiteten Armen auf sie zukam und Lin umschloss.
»Ladies First. Hallo, meine Liebe. Du siehst gut aus. Darf ich annehmen, dass mein Sohn gut auf dich achtgibt?«
Lin lachte auf und sie spürte, wie ihre Wangen warm wurden. Ein kurzer Blick zu ihrem Mann verriet ihr, dass auch er gedanklich gerade beim Picknick weilte. »Ja, er ist nett zu mir. Und wenn nicht, muss er mit dem Echo klarkommen.«
Verschwörerisch zwinkerte sie ihm zu.
»Und genau wegen des Echos bin ich nett«, meinte Bob grinsend.
Lachend begaben sich die vier zum Esstisch und nahmen Platz. Bill schenkte Wein aus – guten kalifornischen Rotwein – und sie plauderten munter über dies und das, bis Caroline den Auflauf aus dem Ofen holte und auf den Tisch stellte.
»Hm, Caroline, das ist großartig«, meinte Lin nach den ersten Bissen. »Vielen Dank.«
Bobs Mutter lächelte geschmeichelt. »Gerne. Freut mich, dass es euch schmeckt. Wenn ihr schon mal den weiten Weg zu uns kommt, muss doch etwas Besonderes auf den Tisch.« Sie konnte nicht umhin ihrem Sohn einen kurzen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen.
Der verdrehte lachend die Augen: »Ja ja, ich weiß. Ich arbeite zu viel und nehme mir zu wenig Zeit für euch. Das möchtest du doch sagen, Mom, oder?«
»So in der Art.«
»Naja, Caroline, von nichts kommt aber auch nichts«, mischte sich Bill ein. »Wenn er weiter Karriere als Journalist machen möchte, muss er dafür ein paar Opfer bringen. Erinnere dich nur an meine ersten Jahre.«
Sie seufzte. »Ja, ich erinnere mich. Dein Sohn hat dich in der Zeit maximal zum Sonntagsfrühstück gesehen.« Jetzt erntete ihr Mann den vorwurfsvollen Blick. »Ist das wirklich erstrebenswert?«
Bob schmunzelte, sah nicht aus, als wolle er diesmal auf den ewigen Streitpunkt eingehen wollen.
Auch Lin beobachtete die Diskussion amüsiert. Dann räusperte sie sich und nahm ihr Weinglas. »Wo wir gerade beim Thema sind ...«, sie wartete, bis alle Augenpaare auf sie gerichtet waren. Dann atmete sie tief ein und fuhr fort: »Ich hatte gestern nach dem Kundenessen noch ein Gespräch mit meinem Chef. Er hat eine Galerie in L.A. erworben, welche er neu organisieren möchte. Und er will, dass ich ihm dabei helfe und die Galerie vorübergehend leite.«
Schweigen.
Sie blickte in Augenpaare, die unterschiedliche Emotionen widerspiegelten. In den Augen ihrer Schwiegereltern zeigte sich Erstaunen und Freude, hieß es doch, dass sie häufiger zu Besuch sein würde. In Bobs eine Mischung aus Überraschung, Freude, aber auch Bedauern.
Die Stille war eine Zerreißprobe für ihre Nerven. Um etwas zu tun, griff sie erneut zum Glas und trank einen Schluck.
»Oh, Lin«, sagte schließlich Caroline. »Das ist ja wunderbar! Ich freue mich für dich!«
»Das ist eine großartige Chance!«, nickte Bill anerkennend. »Herzlichen Glückwunsch!«
»Das heißt, du musst nach L.A. ziehen?«, fragte Bob zögernd.
Sie nickte. »Zumindest für die Zeit der Umstrukturierung. Nicht für ewig, aber sicherlich ein paar Monate.«
Er nickte und schwieg. Sie sah seine Kiefermuskulatur arbeiten, was sie immer tat, wenn er nachdachte. Die Falte an der Stirn erschien. Seine Reaktion machte sie ziemlich nervös.
»Hast du schon zugesagt?«, fragte er schließlich.
»Nein, ich habe um Aufschub gebeten und werde Dillan am Montag Bescheid geben. Immerhin ist es nicht allein meine Entscheidung.«
Bob drehte sein Weinglas gedankenverloren hin und her. Dann stand er wortlos auf und zog sie von ihrem Stuhl in seine Arme.
»Ich bin stolz auf dich!«, flüsterte er in ihr Ohr. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Mach es! Sag zu! Wir werden das schon irgendwie hinbekommen.«
Lin atmete erleichtert aus und merkte erst jetzt, dass sie die Luft angehalten hatte. »Ja, werden wir«, meinte sie aus voller Überzeugung.
»Darauf sollten wir anstoßen!«, rief Bill aus und erhob sein Glas. »Auf Lin, die zukünftige führende Kunstexpertin des Landes.«
»Auf Lin!«
»Auf dich!« Bob erhob sein Glas und blickte ihr mit einer Mischung aus Stolz und Unsicherheit in die Augen.
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Dämonen der Vergangenheit (Drei Fragezeichen Fanfiction)
Fiksi Penggemar☆ Gewinner der Amby Awards 2023 ☆ Was muss geschehen, damit man seinem bisherigen Leben von einem Tag auf den anderen den Rücken kehrt und jeden Kontakt abbricht? Eyleen Andrews steht vor einem Rätsel. Eigentlich lebt sie das Leben, das sie sich i...