Harry atmete erleichtert aus, als er Louis eine Woche später vor der kleinen Farmhütte stehen sah, die zu ihrem festen Treffpunkt geworden war.
Er lebte.
Das war das wichtigste.
Harry hatte in den letzten Tagen kaum an etwas anderes denken können, war vor Sorge ganz krank gewesen.
Doch nun, als er ihn vor sich stehen sah, musste er den Drang unterdrücken, ihm augenblicklich um den Hals zu fallen.
„Mein Gott", sagte er und beobachtete lächelnd, wie Louis seine Zigarette wegwarf, um ihm einen sanften Kuss zu geben. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, dich zu sehen."
Louis zog den Jüngeren ein Stück weiter zu sich. „Da wäre ich mir nicht so sicher."
Die beiden Männer hielten sich einen Augenblick lang fest und genossen das süße Gefühl der Erleichterung, das nach und nach jeden Zentimeter ihres Körpers erreichte.
Als sie die Hütte schließlich betraten, gab es kein Halten mehr.
Louis zog den jungen Soldaten zu sich auf das Sofa, küsste seinen Hals und hörte zufrieden das nachdrückliche Seufzen an seinem Ohr.
Innerhalb kürzester Zeit hatten sich die Männer von ihrer Kleidung befreit, und Harry spürte Louis' warmen Körper über sich, wie er sich an ihn drückte, ohne auch nur eine Sekunde von seinen Lippen abzulassen.
Vorsichtig ließ er seine Hand an Harry's Eingang wandern, ehe dieser eine Hand in Louis' Nacken legte und ihn noch dichter an sich zog.
Die anfängliche Unsicherheit der beiden, wenn sie miteinander schliefen, war verflogen.
Sie waren sich vertraut, und sie wussten, dass sie sich aufeinander verlassen konnten. Und dass es nichts und niemanden auf dieser Welt gab, der ihnen diesen Moment nehmen konnte.
Louis platzierte sich an Harry's Eingang, ehe er vorsichtig in ihn eindrang. Harry krallte die Hände in Louis' Hüfte und hielt die Luft an, um den anfänglichen Schmerz möglichst nicht an sich heranzulassen.
Louis seufzte und beschleunigte seine Bewegungen erst, nachdem Harry sich wieder etwas entspannt hatte.
Mittlerweile wusste der deutsche Leutnant, dass er dafür meistens eine Minute brauchte - was man ihm nicht verübeln konnte.
Hier, auf den Schlachtfeldern um Flandern war wohl niemand tiefenentspannt. Dort, wo der Tod hinter jeder Ecke lauerte, anstatt dem Heldenmut, den sich die Bevölkerung vorstellte.
Louis schob die düsteren Gedanken beiseite. Er spürte Harry's Hand an seiner Hüfte, wie ihr Druck langsam etwas nachließ.
Harry bemerkte, dass der Schmerz langsam der Erregung wich und streckte den Rücken durch, schob sich Louis entgegen und spürte dessen warme Lippen an seinem Hals.
Er fühlte sich wohl, ja fast schon geborgen in diesem Moment.
Zuneigung erfüllte seinen Körper. Zuneigung einem Deutschen gegenüber, den er eigentlich hätte verabscheuen müssen.
Noch nicht einmal unterhalten hätte er sich mit ihm dürfen.
Und jetzt lag er hier, auf einem alten Sofa in einer verlassenen Hütte im Hinterland und schlief mit ihm.
Lust durchdrang jeden Winkel seines Körpers, und er spürte Louis' Hand in seinen Haaren, wie sie vorsichtig über seinen Hinterkopf strich, um schließlich den Griff zu festigen.
Louis schloss eine Hand um Harry's Erektion, begann, sie vorsichtig zu bewegen und glaubte, sein Herz würde einen Schlag lang aussetzen.
Noch nie zuvor hatte er ein so inniges Verhältnis zu irgendjemandem gehabt. Diese intensiven Emotionen, die sich tief in seiner Brust festgesetzt hatten, waren völlig neu für ihn. Er hatte nicht geglaubt, dass Gefühle für einen Menschen so stark sein konnten.
Harry stöhnte auf, als Louis seine Bewegungen beschleunigte, und zog ihn weiter zu sich nach unten, damit er ihre Lippen aufeinander legen konnte.
Die beiden Männer erreichten ihren Höhepunkt beinahe gleichzeitig.
Louis ließ sich schwer atmend neben Harry nieder und schloss ihn fest in seine Arme. „Ich liebe dich, Harry..."
Harry konnte es deutlich spüren, dieses angenehme Kribbeln in seiner Magengegend. „Ich liebe dich."
Louis gab Harry einen Kuss auf die Wange, und die beiden Männer zogen sich wieder an, um hinter dem Haus eine Zigarette zu rauchen.
In der Ferne hörten sie Geschosse knallen, und Harry spürte, wie sein Puls sich automatisch wieder beschleunigte.
„Du siehst besorgt aus", bemerkte Louis und bedachte den jungen Soldaten mit einem mitfühlenden Blick. „Willst du darüber reden?"
Harry dachte einen Moment lang darüber nach.
Wollte er das?
Konnte er das überhaupt, ohne den nächsten Panikschub zu riskieren?
Harry seufzte. „Es ist wegen Greg..."
Louis zog die Augenbrauen zusammen. „Niall's Bruder?"
Harry nickte. „Er ist letzte Woche gefallen."
Louis entging das Zittern in Harry's Stimme nicht. Ebenso, wie die nervöse Ängstlichkeit in seinem ganzen Verhalten nicht unbemerkt blieb.
Er senkte seinen Blick. Natürlich fühlte er sich schuldig, und natürlich wusste er, dass durch den Stellungskrieg tausende Soldaten einen sinnlosen Tod starben, während keine der beteiligten Parteien nennenswerte Geländegewinne verzeichnen konnte.
„Das tut mir leid", sagte er also, und er beobachtete die Tränen, die sich in Harry's Augen sammelten.
„Das ging alles so schnell", erzählte er und konnte nicht verhindern, dass sich ihm die Bilder wie ein Film aufdrängten.
„Ich weiß", antwortete Louis und legte eine Hand auf Harry's Schulter. „Aber du musst aufhören, dich deshalb verrückt zu machen. Du kannst nicht mehr klar denken."
Harry zitterte am ganzen Körper. Das angenehme Kribbeln war zu einer unangenehmen Form von Furcht geworden, die selbst seine Fingerspitzen zittern ließ. „Niall spricht kaum noch ein Wort. Zu niemandem", erzählte er und fuhr sich über das blasse Gesicht. „Ich habe manchmal das Gefühl, er ist nicht mehr richtig anwesend."
Louis seufzte. Er wirkte ehrlich betroffen. „Das ist eine extreme Belastung. Es wird seine Zeit brauchen, bis er das verkraftet hat."
„Kann man so etwas überhaupt verkraften?", hakte Harry ein und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. „Er hat seinen Bruder sterben sehen und ihn schließlich in einem namenlosen Massengrab beerdigen müssen."
Louis senkte den Blick und atmete hörbar aus. „Hat man denn seiner Familie schon Bescheid gegeben?"
Harry lachte bitter auf. „Er hat das Telegram an seine Mutter persönlich unterschrieben."
Der deutsche Leutnant presste die Lippen zusammen.
Ihm fehlten die Worte.
Gab es überhaupt eine adäquate Antwort, die man in einem solchen Gespräch geben konnte?
Ein Telegram, mit der Nachricht über den Tod des eigenen Sohnes - unterschrieben von dem Leutnant des Bataillons persönlich, der gleichzeitig der nun noch einzig lebende Sohn war.
Dieser Krieg war grausam.
Es schien, als hätten die Soldaten den Glauben an das Gute im Menschen verloren.
Doch konnte man es ihnen verübeln?
Wie sollte man sich den Glauben an das Gute auch bewahren, wenn man täglich auf so widerliche Art und Weise von Grausamkeit und Tod umgeben war?
„Ich sehe sie wieder", sagte Harry da plötzlich und er schien irgendwie durch Louis hindurch zu sehen. „Die Toten. Die Schüsse. Sie verfolgen mich bis in meine Träume und sind immer da, wenn ich schlafe. Tagsüber fühle ich mich, als würde ich die gleiche Situation noch einmal durchleben, auch wenn ich gerade nicht an der Front im Einsatz bin. Es ist, als könne mein Gehirn nicht zwischen der Vergangenheit und dem Hier und Jetzt unterscheiden."
Louis legte besorgt die Stirn in Falten. „Das ist seltsam", bemerkte er schließlich. „Auf deutscher Seite gibt es nämlich ganz ähnliche Schilderungen."
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Hallo meine Lieben!
Herzlich Willkommen im Wochenende.❤️
Na, was denkt ihr zu dem Kapitel? Bin gespannt auf eure Meinungen!All the love,
Helena xx
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The Great War
Romance1914. Der erste Weltkrieg tobt seit fünf Monaten, und an der Westfront kämpfen Deutsche und Briten erbittert gegeneinander an. Bei Ypern in Belgien ereignet sich in diesem Jahr ein wahres Weihnachtswunder. Die eigentlich verfeindeten Soldaten legen...