9 - Der Morgen danach

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Evangeline POV


Ich befand mich unmittelbar im Verbotenen Wald. Die Umgebung war still, zu still. Orientierungslos schaute ich mich um, in der Hoffnung irgendetwas zu erkennen. Aber mir bot sich nur Dunkelheit und dichtgewachsene Bäume. Hinter mir vernahm ich ein Geräusch, erkannte es aber nicht. Erschrocken drehte ich mich um. Niemand war da. Als ich mich noch einmal drehte, sah ich eine Person auf mich zukommen. Sie war groß, in einem eleganten, dunkelgrünen Mantel gehüllt. Das Gesicht konnte ich nicht erkennen, da diese Person die Kapuze des Mantels tief ins Gesicht gezogen hatte. Für einen kurzen Moment blinzelte ich und beim Öffnen der Augen sahen mich zwei leuchtendgrüne Augen finster an.


Mir sprangen die Augen sofort auf und ich sah mich benommen um. Was war das für ein merkwürdiger Traum? Noch etwas schlaftrunken drehte ich meinen Kopf leicht, um mich zu orientieren, wie ich es auch schon im Traum getan hatte. Ich lag in einem Bett, aber nicht in meinem Zimmer. Erst als mir ein kleiner Hauch in den Nacken gepustet wurde, realisierte ich, wo ich mich befand. Es war Sebastians Zimmer! Ein starker Arm lag über meiner Hüfte und hielt mich fest. Direkt an meinem Rücken spürte ich seinen warmen, muskulösen Körper an mir ruhen. Er schlief noch. Ich legte mir meine Hand an die Stirn, noch immer kreisten meine Gedanken dem Traum hinterher. Doch als ich ebendiese Hand erblickte, zuckte es in mir. Der Handrücken war rot und Bissspuren formten sich darauf ab. Was bei Merlin...? Ich erblickte meinen blanken Arm, sah aufgeregt auf meinen restlichen Körper, der zwar von einer Decke umhüllt, jedoch nackt war. Meine Gedanken sortierten sich langsam und ich kam aus dieser Schlaftrunkenheit hervor. Sebastian hatte letzte Nacht geschrien und ich war zu ihm ins Zimmer gestürmt. Er hatte einen schlechten Traum von Anne und windete sich, bis ich ihn aufwecken konnte und er mir mehr oder weniger in die Arme fiel. Wohl eher ich ihm. Er war so aufgewühlt, dass er mich bat bei ihm zu bleiben. Doch dann nahm alles seinen Lauf. Diese Nähe zu ihm, diese Verletzlichkeit von ihm zu sehen, machte mich schwach. So kannte ich ihn nicht. Sebastian war immer ein starker, selbstbewusster Junge gewesen, der ein festes Ziel vor Augen hatte. Niemals zeigte er Schwäche, nicht einmal, als er seinen Onkel getötet hatte. Letzte Nacht sah ich seine weiche, verletzbare Seite. Er wollte, dass ich bei ihm blieb. Meine Nähe spendete ihm Trost und Geborgenheit, jedoch wussten wir beide, worin diese Zweisamkeit enden sollte. Und das tat es. Mir schoss augenblicklich ein verschwitzter, lustvoll stöhnender Sebastian vor mein inneres Auge und ich spürte, wie sich in mir alles zusammenzog. Ich hatte wirklich Sex mit ihm gehabt. Sebastian Sallow hatte mich um meine Unschuld gebracht. Und es war so unglaublich schön mit ihm, dass es mich schon wehmütig stimmte, dass ich diesen Moment nicht für die Ewigkeit einfrieren konnte.


Der Arm um meine Hüfte drückte fester zu und ich vernahm ein leises Raunen hinter mir. Er wurde wach.
„Du liegst ja doch noch neben mir.", sprach er mit einer für mich sehr erotisch klingender, rauen Morgenstimme. Ich musste lachen. Weg konnte ich ja schlecht, wenn er mich so festhielt: „Wo sollte ich denn sein?" Er legte seinen Kopf in meine Halsbeuge und wirkte noch nicht ganz wach, eher total verpennt, als hätte er eine lange Nacht gehabt. Woran das wohl lag?
„Wenn du nicht hier schlafen möchtest, dann hättest du jeder Zeit-„
„Ich wollte aber hier schlafen.", unterbrach ich ihn. Sebastian wirkte anders. Friedlicher, aber dennoch vorsichtiger als sonst. Ich hätte mit einem Spruch gerechnet, aber er löste seinen Arm etwas und suchte meine Hand, um seine Finger mit meinen zu kreuzen: „An was denkst du gerade?"
Ich drehte meinen Kopf zu seinem Gesicht, um ihn anzusehen. Seine Haare standen ihm unordentlich in alle Richtungen ab und sein Blick war verschlafen. Ich ließ meine Augen zwischen seinen und den Lippen hin und her wandern. Ich wusste, was ich wollte. Er löste sofort seine Finger von meinen, legte die Hand unter mein Kinn und strich mit dem Daumen über meine Lippen. Das war ein Moment, wo ich wieder unter ihm zerfloss wie ein Eis in der Sonne. Meinen Blick hielt ich aber stand. Er grinste mich schelmisch an und sagte mit frechem Unterton: „Oh, da haben wir wohl einen kleinen Nimmersatt."

Shadows of SallowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt