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Heute


Als Olivia eingerollt auf der Couch aufwachte, war Ominis immer noch da. Er saß neben ihr auf dem Sofa, sein Kopf war zur Seite gefallen, seine Hand lag leicht auf ihrem Bein. Er schlief tief und fest. Olivia betrachtete einige Sekunden sein entspanntes Gesicht. Vorsichtig rollte sie sich vom Sofa und rückte ihn sanft dorthin, wo sie eben noch gelegen hatte. Ominis seufzte wohlig im Schlaf und zog die Decke fester um sich, mit der Olivia ihn nun zudeckte. Sie lächelten beide.

Ab dieser Nacht wurde Olivias Alltag in Hogwarts sehr viel erträglicher. Sie hatte immer noch jede Nacht Alpträume, aber hielt sich nicht mehr damit auf, vergeblich zu versuchen, in den Schlaf zu finden. Stattdessen stand sie auf und ging in die Krypta. Ominis war jedes Mal da.
Sie sprachen die meiste Zeit. Erst über Belanglosigkeiten, dann über die Geschehnisse um die Koboldaufständigen, über Olivias Rettungsaktionen mit Poppy und sogar über Harlow und Rookwood. Schließlich ließ Olivia ihrer Trauer über Professor Fig freien Lauf. In dieser Nacht weinte sie lange und Ominis ließ sie. Er versuchte nicht, ihre Tränen zu stoppen und hörte ihr einfach nur zu. Nur ein Thema umschifften beide sorgfältig. Keiner verlor ein Wort über Sebastian oder Anne.

Auch im Unterricht taute Olivia langsam auf. Sie unterhielt sich wieder mit Poppy und Natsai und scherzte mit Ominis.

Eines Tages saßen Olivia, Poppy und Ominis gemeinsam im Zaubertränke-Klassenraum und warteten auf Professor Sharp.
„Weißt du, ich bin richtig froh, dass du wieder richtig bei uns bist", sagte Poppy mit einem festen Blick auf Olivia. Diese verzog das Gesicht und lächelte verlegen.
„Ich meine, seit der Sache vor den Ferien... und dann als Sebastian dann auch noch nach Beauxbatons gegangen ist... Ich dachte, du erholst dich davon nicht mehr."

Olivia zuckte zusammen und Ominis versteifte sich.
„Ich... ich wollte nichts Falsches sagen – Entschuldige, Olivia, so war das nicht gemeint. Ich meine nur, weil du auch Professor Fig verloren hast und Sebastian dann auch noch auf das Auslandsjahr nach Frankreich..."

Poppys Stimme erstarb und sie sah schuldbewusst auf Olivia, die betreten auf ihre Füße starrte.
„Hey, wie wäre es, wenn du mal wieder zu einer Hausparty mitgehen würdest? Heute ist doch eine bei euch Slytherins, oder Ominis?", fragte Poppy schließlich viel zu laut und sah Ominis hilfesuchend an.

Dieser räusperte sich.
„Ja. Ja, heute Abend. Vielleicht solltest du wirklich mitkommen, Olivia."

Olivia sah überrascht hoch und betrachtete Ominis mit hochgezogenen Augenbrauen. Soweit sie wusste, war auch er seit Schulbeginn auf keiner Party mehr gewesen. Bei ihrem nächtlichen Weg in die Krypta war sie betrunkenen und feierwütigen Schüler hin und wieder über den Weg gelaufen, aber Ominis wartete jedes Mal auf sie und erwähnte auch nie die verpasste Gelegenheit.

„Ähm", sagte Olivia und sah ihre Freundin, die ihr hoffnungsvoll zulächelte, an „ja, warum nicht."
Poppy quiekte begeistert auf und Ominis Mundwinkel zuckte leicht nach oben. In diesem Moment betrat Professor Sharp den Unterrichtsraum und Poppy kehrte auf ihren Platz zurück.
„Du kannst ruhig ein bisschen mehr Begeisterung zeigen", flüsterte Olivia Ominis sarkastisch ins Ohr und grinste. Ominis schnaubte lachend auf, wofür er von Professor Sharp direkt eine Mahnung bekam.

Als der Zaubertranklehrer wieder fortfuhr, drückte Ominis Olivias Arm, beugte sich zu ihr und sagte leise: „Ich freue mich wirklich sehr."
Olivia bekam eine Gänsehaut.
Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus, das die ganze restliche Stunde nicht verschwand.

„Bei Merlins Bart! Ich wusste gar nicht, wie sehr ich das vermisst habe!", sagte Olivia an diesem Abend, als sie an der Seite von Olivia den Gemeinschaftsraum von Slytherin betrat. Schon immer hatte sie Partys geliebt: Die Musik, die Lichter, die vielen Menschen, die Atmosphäre. Das Haus Slytherin war dafür bekannt, immer die beste Stimmung zu generieren und schon beim Eintreten spürte Olivia, dass es das wieder mal geschafft hatte.

Die Musik war immer in der perfekten Lautstärke, je nachdem, wie es der oder die Hörende brauchte: Laut und voller Bässe, wenn man tanzte oder eher im Hintergrund, wenn eine Unterhaltung stattfand. Irgendein Slytherin-Schüler musste Kontakte zu den Hauselfen haben, denn während man sich bei anderen Partys das Trinken selbst nachfüllen musste, erschien hier auf Wunsch ein neuer Drink im Glas. Dies mochte auch der Grund sein, dass der Schwarzhandel mit Anti-Kater-Zaubertränken nach den Slytherin-Partys immer am meisten brummte.

Olivia stand da und sog die Atmosphäre in sich auf, als auch schon Ominis an ihrer Seite erschien. Er drückte ihr ein Glas in die Hand und zog sie an der Hand in den Raum hinein.
Es war ein toller Abend – Genau, was Olivia gebraucht hatte. Sie tanzte mit Poppy und Natsai und schaffte es auch, Ominis dazu zu überreden, auch wenn er sich nach kurzer Zeit wieder grinsend von der Tanzfläche mogelte. Sie saß gemeinsam mit anderen Schülern zusammen und freute sich, dass Ominis immer in ihrer Nähe war.

Als die Nacht sich dem Ende zu neigte und die meisten Leute gegangen waren, fanden sich Ominis und Olivia nebeneinander auf der Couch. Ominis lehnte entspannt seitlich an der Sofalehne und Olivia saß am anderen Ende. Es war eine vertraute Konstellation. Olivia war etwas schwindelig vom Alkohol, aber sie fühlte sich wohl. Ohne lange darüber nachzudenken, legte sie sich quer auf das Sofa und lehnte sich an Ominis, der sofort seinen Arm öffnete und sie an sich zog.

„Danke, dass du mich überredet hast, zu kommen", sagte Olivia, schloss ihre Augen und grinste „Gut, dass auch du mal wieder rausgekommen bist"
„Ohne dich wär's nicht dasselbe gewesen", sagte Ominis, und auch seine Stimme klang schleppend, als müsste er sich auf die Aussprache jedes Wortes konzentrieren.

Olivia drückte sich enger an ihn. Als sie eine Zeit so dagelegen hatten, Olivia im Arm von Ominis, flüsterte sie: „Ich wünschte, ich könnte für immer so bei dir liegen."
Ominis Finger strichen sanft über ihre Hände und fuhren die Linien auf ihrer Handfläche nach. Er schluckte.

„Würdest du... Hast du Lust, mit mir auf eine Hochzeit zu gehen? Ein Freund von mir heiratet am nächsten Wochenende und ich dachte, vielleicht..."
Olivia sagte nichts.

„Natürlich nur, wenn du Zeit hast und... wenn du nicht möchtest, ist es gar kein Problem, es ist nicht so, dass..."
„Natürlich möchte ich", unterbrach ihn Olivia schnell und lächelte „ich möchte sehr sehr gerne mit dir hingehen."

Ominis drückte ihre Hände kurz und fuhr dann fort, sie mit seinen eigenen zu erkunden.
Kurze Zeit später merkte Ominis an ihren tiefen, langen Atemzügen, dass Olivia eingeschlafen war. Er drückte sie näher an sich und legte sich ins Kissen. Nach wie vor streichelte er ihre Hände. Dies war die erste Gelegenheit, sie richtig zu erkunden, zu erfahren. Er wusste, dass er ihre Hände von nun an von allen anderen würde unterscheiden können. In tiefen Atemzügen nahm er ihren Geruch auf. Vielleicht konnte er diesmal, nur ein einziges Mal Glück haben. Auch wenn es immer einen Teil von ihm geben würde, den er ihr nicht offenbaren konnte; vielleicht war sie seine eine Chance, Frieden und Glück zu finden.

Einige Minuten später schlief auch er ein. Beide hatten diese Nacht keine Alpträume.

Im Schatten der BlutlinieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt