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Heute

„Bist du bereit?", fragte Ominis steif, als Olivia am Tag der Hochzeit zu ihm trat. Sie trafen sich am Südausgang von Hogwarts, wo sie direkt nach dem Brückenbogen zum Fest apparieren wollten.

Olivia sah Ominis an. Sein dunkelgrüner Festumhang saß perfekt und trotz ihrer Aufregung bemerkte sie, wie gut er aussah. Nur sein Gesichtsausdruck, der in der letzten Zeit so viel weicher geworden war, war ernst.

Olivia seufzte. Seit der Nachricht, dass Sebastian bei der Hochzeit sein würde, hatten sie kaum miteinander gesprochen. Olivia hatte wieder an ihre Zimmerdecke gestarrt, statt die tröstende Gesellschaft Ominis in der Krypta aufzusuchen. Es kam ihr nicht fair vor, jetzt, wo sie ihre Gefühle selbst nicht mehr einordnen konnte.

„Ja, sagte sie leise „Ich hoffe, dass ich angemessen angezogen bin"
Ominis grinste verkniffen.
„Ich bin mir sicher, du siehst fantastisch aus. Gibst du mir deine Hand?"

Olivia sah ihn mit großen Augen an.
„Zum apparieren?", fügte Ominis hinzu. Sein Grinsen war etwas breiter geworden, doch nachdem Olivia sich an ihm festgehalten und er sie beide zur Hochzeit appariert hatte, war sein Gesicht wieder beherrscht.

 Olivia hätte nicht gedacht, dass sie so aufgeregt sein würde. Es fühlte sich an, als könnte sie keine Luft mehr bekommen.

Vor ihr türmte sich ein großes, aber nicht allzu pompöses Gebäude, dessen zwei große Türen weit geöffnet waren. Im Inneren befand sich ein großer Saal, in dem sich bereits einige Menschen tummelten.

 Olivia sah sich schnell um, doch sie konnte kein sommersprossiges Gesicht unter den Gästen ausmachen. Ominis legte sanft eine Hand auf ihre Schulter und führte zur Festgemeinde hin.
Hektisch fuhren Olivias Augen immer wieder über die Menschenmenge. Obwohl sie es nicht lassen konnte, Ausschau zu halten, ärgerte sie sich über sich selbst.

Gerade als sie sich förmlich dazu zwang, den Kopf zu senken, stolperte sie über die kleine Stufe, über die man in den Festsaal gelangte. Sie taumelte und rutschte mit dem anderen Fuß auch noch von der Stufe. Olivia verlor das Gleichgewicht und war im Begriff, nach vorne zu fallen. Da packte sie eine feste Hand am Oberarm und zog sie zurück. Ominis griff mit seiner anderen Hand ihre Seite und stellte sie sanft wieder auf die Füße.

Laut keuchend blickte Olivia zu Ominis hoch, der sie jetzt in seinen Armen hielt. Seine Mundwinkel kräuselten sich und als Olivia ihm ins Gesicht sah, fühlte sie sich das erste Mal an diesem Abend ein klein wenig ruhiger. Sie kicherte verlegen.

Olivia wollte gerade den Mund öffnen, um sich bei Ominis zu bedanken, als ihr Herz einen Schlag aussetzte. Hinter Ominis hatte sie eine verwuschelte Haarmähne und ein Gesicht voll Sommersprossen erblickt.

Sebastians hellbraune Augen hoben sich und sahen direkt in ihre. Olivia, die sich plötzlich bewusst wurde, dass sie noch immer von Ominis gehalten wurde, schreckte zurück und trat zwei kleine Schritte von ihm weg.

 Sebastian sah schlichtweg geschockt aus, woraus Olivia schloss, dass Ominis ihn nicht über ihre Anwesenheit informiert hatte. Unter der Überraschung meinte Olivia, andere Emotionen zu sehen, unter anderem – konnte es sein? Schuld?
Da erschien eine blonde, attraktive Frau an Sebastians Seite, die ihm lächelnd die Hand um die Taille legte.

 Abwesend drehte dieser seinen Kopf zu dem Mädchen, das so alt wie er zu sein schien, bevor seine Augen wieder Olivias suchten.

 „Olivia?", Ominis Stimme war drängend, woraus Olivia schloss, dass sie ihren Namen das erste Mal nicht wahrgenommen hatte.
„J...ja?", stotterte sie schuldbewusst.
Ominis seufzte und sagte resigniert: „Sebastian ist wohl da, hab ich recht?"
Schweigend erklomm Olivia die Stufe und trat ein paar Schritte in den Raum. Als sie sich umblickte, konnte sie Sebastian nirgendwo erkennen.

Olivia überlegte, was mehr wehtun würde; wenn er tatsächlich geflohen wäre oder wenn er blieb und sie ihm früher oder später gegenüber treten müsste.
Sie blickte sich um. Im vorderen Teil des Saals waren einige Reihen Stühle aufgestellt, die auf ein üppiges Blumenarrangement ausgerichtet waren. Plötzlich stutzte sie.

 „Ominis? Ich glaube, da vorne ist dein Vater. Zumindest wenn er es war, der dich am Ende des letzten Schuljahrs abgeholt hat."
Ominis blieb wie angewurzelt stehen.

 „Was?", seine Stimme klang schneidend und voller Grauen. Er zog seinen Zauberstab und orientierte sich im Raum.
„Nein, nein, nein", murmelte er leise. Er wandte sich zu Olivia, nahm sie am Arm und wollte sich umdrehen „Wir gehen wieder."

 „Ominis!", ertönte da hinter ihnen eine Stimme. Ominis blieb einen Moment stehen, bevor er ein steifes Lächeln aufsetzte und sich umdrehte.
Ein junger Mann war zu ihnen getreten, der Ominis gleich die Hand schüttelte.

 „Ich freue mich so sehr, dass du hier bist! Du hast ja bestimmt mitbekommen, dass meine Familie nicht kommen wird... da bedeutet es mir umso mehr, dass du gekommen bist. Mein Ersatzbruder quasi!"
Der Mann lachte nervös und Olivia wurde klar, dass es sich hier um den Bräutigam handeln musste.

 „Ich freue mich auch, Eridanus", sagte Ominis. Eridanus blieb einen Moment stehen und sah erwartungsvoll zwischen Olivia und Ominis hin und her. Schließlich sagte Ominis wiederwillig zu Olivia: „Das ist Eridanus Black, der Bräutigam."
Olivia schüttelte ihm die Hand und wartete, ob Ominis sie ebenfalls vorstellen würde. Als dies nicht geschah und Eridanus verwirrt die Stirn runzelte, sagte sie lächelnd ihren Namen.
„Alles klar, ich muss dann auch mal weiter", sagte Eridanus schnell und schlug Ominis auf die
Schulter.

 „Ach übrigens", fügte er im Gehen hinzu und grinste „dein Vater ist auch hier. Hat mich echt gewundert, aber freut mich auch. Auf die Gaunts ist scheinbar mehr Verlass als auf die Blacks".
Ominis stand wie angewurzelt und spielte nervös mit seinen Händen. Er schien unschlüssig, was er tun sollte.

Schließlich sagte Olivia zögernd:
„Die Leute setzen sich langsam hin... Sollen wir uns einen Platz suchen?"
Ominis nickte widerwillig und gemeinsam gingen sie zu den Stühlen.
„Wo willst du sitzen?", fragte Olivia
„Die letzte Reihe", antwortete Ominis knapp und Olivia setzte sich an den Rand. Ominis setzte sich mit versteinertem Gesicht auf den Platz neben ihr. Auf seiner anderen Seite saß niemand, die beiden Stühle waren jedoch mit Reiseumhängen reserviert worden, die über den Lehnen
hingen.

Olivia blickte betrübt auf ihre Schuhe. Wie fürchterlich dieser Tag sich entwickelt hatte. Ominis schlechte Laune machte alles noch schlimmer. Ob es an Sebastian lag? Wo war er überhaupt?
Sie blickte sich um und entdeckte ihn tatsächlich. Er kam aus dem Flur rechts von Olivia, der wohl zu den Toiletten führte. Das blonde Mädchen lief hinter ihm her und Olivia erkennte entsetzt, dass die beiden direkt auf sie zu liefen.

Im Schatten der BlutlinieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt