VI

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Noah hatte für Colin das Gästezimmer vorbereitet. Zwar genossen die beiden, wieder Zeit miteinander zu verbringen, allerdings fühlte es sich für Colin und Noah zu früh an, in einem Zimmer zu schlafen. Und dann auch noch in einem Bett. 

Bis 23 Uhr redeten die beiden. Über Gott und die Welt. Sie merkten gar nicht wie schnell die Zeit verflog. Irgendwann wurden die Themen weniger und das Gähnen immer mehr. „Bist du müde?", fragte Noah, als Colin schon das fünfte mal innerhalb von 5 Minuten gähnte. Colin nickte und schloss die Augen ein wenig. „Vielleicht sollten wir morgen weiter reden und gehen jetzt erstmal schlafen. Ich werde auch langsam müde", sagte Noah. 

Er ließ Colin Vortritt im Bad und ging dann selber hinein um Zähne zu putzen. Vor der Tür zum Gästezimmer, welches gegenüber von Noahs Schlafzimmer wartete Colin bereits in seinen Schlafklamotten. Unsicher blieb Noah in gewissem Abstand vor ihm stehen. Stumm betrachten sich die beiden. Irgendwann kam Colin langsam näher an Noah heran. 

„Sag, dass das dumm ist. Das ich dich einfach nicht vergessen kann und das ich dich immer noch liebe", flüsterte er leise und griff sanft nach Noahs Hand. Dieser ließ das zu und schaute Colin sanft an. „Es ist nicht dumm. Ich liebe dich auch noch. So sehr, dass es wehtut", flüsterte Noah noch leiser als Antwort. 

Sanft legte sich ein kleines Lächeln auf Colins Lippen und schon lag er in den Armen des Blonden. Es war eine Umarmung, in der sie sich gegenseitig nur hielten, damit sie sich nicht verlieren würden. Sie hingen aneinander, als würden sie gerade ertrinken. 

Langsam schob Noah Colin von sich und schaute ihn sanft an. „Schlaf gut", flüsterte er und gab ihm einen kleinen Kuss auf die Stirn. Am liebsten hätte er „ich liebe dich" rangegangen, aber das würde eine Grenze überstreiften. Mit der Zeit konnten sie diese durchbrechen, aber es war heute der erste Tag, an dem die beiden sich sahen, nach Jahren. 

Sogar diese leichte Berührung war schon fast zu viel, aber er konnte sich nicht halten. Colin hatte die Augen geschlossen und ließ sie auch zu als Noah sich langsam von ihm entfernte. 

Sachte öffnete er sie wieder und sah Noah vor sich stehen. Er glaubte immer noch, es wäre ein Traum. „Schlaf du auch gut". Auch ihm lag ein „ich liebe dich" auf den Lippen, allerdings ginge das zu weit. Für Noah und auch für sich selbst. Er wollte sich Noah nicht direkt komplett öffnen, schließlich hatte Noah ihn so sehr verletzt wie es noch nie jemand gemacht hatte. Und das konnte er leider nicht vergessen. Vergeben ja, Vergessen wahrscheinlich nie. 

Es würde dauern bis er Noah wieder so sehr vertraute wie vor 8 Jahren, aber es würde funktionieren. Die Gefühle konnte Colin nicht leugnen. Die beiden gingen durch ihre jeweilige Tür, aber nicht ohne noch einmal den jeweils anderen anzusehen. 

Die Türen schlossen sich und die beiden versuchten zu schlafen, was gar nicht so einfach war, wenn man bedachte, dass ihre große Liebe im Zimmer neben an lag.


„Was willst du essen? Ich hätte Müsli oder Müsli", fragte Noah, als Colin frisch geduscht und angezogen aus dem Bad kam. „Müsli klingt gut", antwortete Colin und grinste Noah an. Bei dieser Auswahl konnte er nur lachen. 

Noah bereitete 2 Schüsseln vor, die er auf den Tisch stellte, bevor er schnell Freddys Napf auffüllte. Er war schon mit ihm draußen, während Colin noch geschlafen hatte. Schweigend frühstückten sie. Es war nicht wirklich unangenehm, es war diese Art von Schweigen, weil es zu früh ist zum Reden. 

Jeder hing seinen Gedanken nach. 

In Noahs Fall drehten sie sich um Colin. Er dachte daran, wie sehr er ihn verletzt hatte und er ihm jetzt trotzdem, nach 7 Jahren, wieder gegenüber saß und ihm irgendwie verziehen hatte. 

Colin dachte an Noa, das erste Mal seit er bei Noah war. Er dachte daran, wie unfair er sich ihr gegenüber verhalten hatte, wie nett sie jeden seiner Launen mitgemacht hatte und diese nie hinterfragt hatte. Er war ihr etwas schuldig, dass wusste er, allerdings wusste er nicht, ob Noa ihn jemals wiedersehen wollte. 

Colin ließ die Gedanken weiterschreiben. Sein Blick fiel auf Noah und sofort sah er den 16-jährigen Jungen wieder vor sich. Denjenigen, der jeden Tag gezählt hat, bis er bei seinen Eltern ausziehen könnte und denjenigen, der ihn glücklich gemacht hatte. Er hatte ihm ein Gefühl von ewiger Liebe vermittelt. Und jetzt tat er das immernoch, er war immernoch der Junge, der von seinen Eltern verletzt wurde, sowohl körperlich, als auch seelisch. Noah hatte ihm mal erzählt, dass sein Vater kurz vor der Trennung angefangen hatte, ihn und seine Mutter zu schlagen. Noah redete nicht gerne darüber, am liebsten würde er das alles hinter sich lassen.

 Colin saß einem Mann gegenüber und sah trotzdem nur einen Jungen, der geliebt werden wollte. Und das tat er. Und wie er das tat.

„Du bist hübsch, wenn du so nachdenklich aussiehst", meinte Noah irgendwann und holte Colin aus seinen Gedanken. Sofort nahmen seine Wangen einen kleinen Rotschimmer an und er lächelte Noah verliebt an. Er fand ihn hübsch. Zwar hatte Noah das schon gesagt, aber Colin wollte es immer hören. Nicht als Ego-push, sondern weil er die Art liebte, wie Noah diese Worte aussprach. Bei keinem anderen klangen sie so besonders und so als wären sie nur für ihn bestimmt. 

„Willst du dir heute ein wenig die Stadt anschauen? Ich könnte dich herum führen, wenn du das willst", fragte Noah und ruinierte diesen angenehm stillen Moment von den beiden. Colin nickte als Bestätigung und zusammen räumten sie das bisschen Geschirr wieder auf, ehe sie sich ihre Jacken schnappten und ihre Schuhe anzogen. Daran hatte sich nichts geändert. Wie früher hatte Noah schwarze Boots mit seinem dünnen brauen Mantel kombiniert und Colin trug Chucks mit seiner Lederjacke. Früher hatten sie sich genauso gekleidet und es war schön zu sehen, dass sie daran nichts geändert hatten.


„Genug, meine Füße tun weh", beschwerte sich Colin. Noah hatte ihn seit fast 4 Stunden durch jede Gasse in Hamburg gejagt und langsam konnte Colin nicht mehr laufen. 

Er ließ sich auf eine Bank fallen, die ganz in der Nähe stand und schloss die Augen, während er den Kopf in den Nacken legte. Noah hatte sich zu ihm gesetzt und lachte etwas über die Kondition von Colin. Er persönlich war gerade mal bei der Hälfte seinen Limits angekommen. Dank Karate und früher sogar Tennis hatte er einen gewissen Vorteil was Sportlichkeit und Ausdauer anging. 

„Das war noch nicht mal die Hälfte", sagte er mit einen leichten Lachen, woraufhin Colin ihn verdattert ansah und seinen „willst-du-mich-eigentlich-komplett-verarschen"-Blick an. Das brachte Noah nur noch mehr zum Lachen und er grinste sein Gegenüber unschuldig an. 

 Doch schnell verlor er sich in den Augen von Colin. Sie zogen ihn an wie ein Magnet und er konnte sich nicht von ihnen losreißen. Genauso ging es Colin, nur das sein Blick an Noahs Lippen klebt. Colin wusste, dass er gesagt hatte, es wäre zu früh, aber er konnte nicht anders. Dieses Gefühl in ihm schrie nach Noahs Nähe und er konnte diesem nicht länger widerstehen. 

Langsam beugte er sich zu Noah und verringerte Zentimeter um Zentimeter den Abstand zwischen den beiden, bis ihr Lippen sich sanft in der Mitte trafen. Feuerwerk, Gänsehaut, Schmetterlinge. All das kam in ihm zum brodeln bei diesem Gefühl, er hatte es viel zu lange verwehrt bekommen. Colin konnte es nicht leugnen, er war süchtig nach Noahs Lippen. Und seinen Augen. Und seinem Körper. Nach Noah. Noah erwiderte den Kuss vorsichtig, schließlich wusste er nicht, was für Colin okay war, er machte keinen Druck. Der Kuss war unschuldig, aber lang. Sie tauschten Gefühle aus, Gefühle, die zwar versteckt wurden, aber nie weg waren. Sie konnten sich nichts vormachen, sie liebten sich immernoch. Doch es sollte komplizierter werden, als es jetzt ist. Manchmal reichte reine Liebe nicht aus.

i can't breath without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt