XV

461 15 0
                                    

„Hier, vielleicht hilfts etwas", murmelte Colin als er mit einer Tasse Tee in der Hand zum Sofa ging und das Getränk an Noah übergab. Noah hatte sich eine Decke um die Schultern gelegt und starrte emotionslos den schwarzen Bildschirm des Fernsehers an. Zwischendurch schniefte er hörbar, aber zum Glück sind die Tränen versiegt. 

„Danke", versuchte er zu seinem Freund zu sagen, allerdings blieb das Wort etwas im Hals stecken. Colin schüttelte unmerklich den Kopf und nahm Noah wieder in den Arm, nachdem er sich hingesetzt hatte. 

„Tut mir Leid. Das du das so hattest mitbekommen müssen", murmelte Noah nach ein paar Minuten, in denen er vielleicht 3 Schlücke von dem Tee genommen hatte. „Mein Vater ist und bleibt das größte Arschloch auf dem Planeten". Statt zu antworten, drückte Colin Noah einfach näher an sich und küsste seine Schläfe. Er wollte Noah zeigen, dass er noch da war, dass sein Vater ihn nicht abschreckte. Er hatte dem Blonden versprochen, für ihn da zu sein. Und zwar immer. Selbst in solchen Zeiten. 

„Ich werde morgen zu dem Essen gehen", sagte Noah plötzlich. Seine Stimme zitterte zwar etwas, aber trotzdem ließ die Aussage keinen Widerspruch zu. Colin schaute ihn entgeistert an. „Ich muss es für meine Mutter tun. Aber ich möchte, dass du mitkommst. Bitte". Noah flehte ihn an, und betete, dass Colin zusagte. Noah würde so gerne seiner Mutter helfen. Bedächtig nickte Colin. Wie er versprochen hatte, würde er bei Noah sein. 

„Mein Vater wird uns nichts tun, wenn Geschäftspartner dabei sind. Dafür ist sein Ruf zu gut", beruhigte Noah seinen Freund. Er wusste, dass Colin Angst hatte, dass sein Vater wieder ausfällig werden könnte, aber vor seinen Partnern hielt er immer Etikette. Und vorallem zeigte er sich nicht homophob, dass wäre sehr schlecht für sein Image. 

„Ich werde bei dir sein", versprach Colin flüsternd. Zusammen kuschelten sich die beiden Männer in die Decke aufs Sofa und aneinander. Den Gedanken an das morgige Essen schoben sie weit weg. 

„Lass und schlafen gehen", murmelte Colin, als jede Sekunde seine und Noahs Augen weiter zufielen. Im Bett fanden beide schnell einen traumlosen Schlaf.


„Wie seh ich aus?„, fragte Colin als er aus dem Bad trat und sich Noah präsentierte. Er hatte einen schwarzen Anzug an, mit weißen Hemd und seine Locken, so gut es ging, gebändigt. Noah, der noch in seinen bequemen Sachen war, pfiff einmal durch die Zähne und grinste Colin dann an. „Du warst noch nie hübscher". Colin schüttelte leicht den Kopf. Wahrscheinlich war er aufgeregter vor dem Essen als Noah, obwohl es seine Eltern waren. Colin wollte einen guten Eindruck hinterlassen. 

Wen verarschte er da, Noahs Vater hasste ihn. 

Und seine Mutter hatte ,laut Noah, immer die gleiche Meinung, wie sein Vater. Im Bad ging das Wasser an, offenbar war Noah unter die Dusche gesprungen. Colin setzte sich auf die Couch, darauf bedacht keine Falten in den Anzug zu bringen und zückte sein Handy. Er hatte Julia noch nicht geantwortet. Sie hatte noch ein paar Mal Fragezeichen geschickt, aber Colin hatte keinen Kopf dafür gehabt. 

Kurzentschlossen drückte er auf das Telefon-Symbol in der oberen Ecke. Es tutete 2 Mal ehe seine besten Freundin ihn fröhlich wie immer begrüßte. „Hallo Verschollener. Und, kommst du?". Typisch Julia, immer direkt mit der Tür durchs Haus fallen. Wobei es bei ihr schon fast eine Wand ist, mit der sie das Haus stürmt. 

„Ich muss noch mit Noah darüber reden. Bei uns geht es gerade etwas auf und ab", versuchte Colin sich herauszureden, allerdings wurde Julia hellhörig. „Ist alles gut? Streitet ihr?" „Nein. Sein Vater ist nur gestern hier aufgetaucht und jetzt gehen wir mit seinen Eltern essen", erklärte Colin seiner besten Freundin. „Warte, Noahs Eltern? Ich dachte, die hätten den Kontakt abgebrochen" „Hatten sie auch. Sein Vater ist spontan bei ihm aufgetaucht. Noah will dieses Essen für seine Mutter tun und ich begleite ihn". 

Schweigen entsteht auf der anderen Leitung, Colin hörte aber noch die gleichmäßigen Atemzüge von Julia. „Viel Glück, Colin", sagte sie schließlich. „Danke", flüsterte Colin zurück. Wie dankbar er war, dass er Julia an seiner Seite hatte. „Ich komm nach München. Versprochen", sprach er durch den Hörer, ehe sie sich verabschiedeten und auflegten. 

Inzwischen war auch Noah fertig geduscht und betrat, ebenfalls im Anzug, das Wohnzimmer. Colin erhob sich von dem Sofa und betrachtete seinen Freund. Er gab sich nicht Mühe unauffällig zu sein und nahm sich Zeit jedes einzelne Detail von Noah zu inspizieren. „Du siehts heiß aus. Und dann auch noch im Anzug", komplementierte der Lockenkopf den Blonden. Seine Haare waren wieder in einem Dutt, allerdings sah er wirklich penibel perfekt aus. Colin trat auf Noah zu und küsste ihn. Noah erwiderte den Druck kurz ehe er Colin wieder von sich schob. 

„Wir sollten los. Wenn wir zu spät kommen wird mein Vater uns umbringen. Und zwar nicht für den Fakt, dass wir da zusammen als Paar auftauchen", meinte Noah und griff nach Colins Hand. Freddy würde in der Zeit in der Wohnung bleiben. Die beiden Männer beugten sich nochmal zu dem kleinen Hund und durchwuschelten sein Fell. 

Dann gingen sie durch das Treppenhaus runter auf die Straße. Sie stiegen in Noahs Wagen und machten sich auf den Weg zu der Adresse, die Noahs Vater seinem Sohn zukommen gelassen hatte. Kurz bevor Noah ausparkte drehte er sich zu Colin. Sanft küsste er seinen Freund, er wollte Colin zeigen, dass er da war. Sie lösten sich und Noah sah Colin verliebt an. Wie sehr er diesen Mann nur liebte. 

„Wir schaffen das schon".


„Ich schaff das nicht", meinte Noah, als er und Colin vor dem Restaurant ankamen. Colin musste die beiden fahren, weil Noah so zitterte und auch jetzt wurde es leider nicht besser. Nichtmal Colins Hand, die sich um die des Blonden schlang wirkte wirklich. Normalerweise beruhigten Berührungen des Lockenkopfs Noah ungemein. Das es das jetzt nicht tat zeigte, wie viel Panik Noah vor der Sache hatte. 

„Wenn du willst, fahren wir wieder und sagen, dass es uns nicht gut ging", bot Colin an, als er merkte, wie Noah sich fühlte. Er wollte nicht, dass Noah sich dazu drängte. Colin verstand auch nicht wirklich, warum er hier war, wem wollte er etwas beweisen? „Doch, ich will das. Ich mach das für mich. Wenn es schlimm wird, kann ich vielleicht endlich komplett abschließen. Ich geb's nicht gerne zu, aber ich habe meine Mutter vermisst", sagte Noah und wurde zum Ende hin immer leiser. Colin drückte Noahs Hand etwas fester. 

„Ich bin bei dir. Und ich liebe dich". 

Dann gingen sie in das Restaurant. 

i can't breath without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt