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Noah wusste Bescheid, dass Colin in etwa 15 Minuten am Bahnhof war. Er hat sich bereit erklärt, ihn davor abzuholen, damit er nicht ewig durch Hamburg irren musste. Trotz Adresse konnte diese Stadt sehr verwirrend sein. Insgeheim freute Colin sich darauf. 

Als sein Zug im Bahnhof einfuhr beeilte er sich, um aus dem Trubel heraus zu kommen. Es dauerte 5 Minuten bis Colin den richtigen Ausgang fand. Als er zur Tür hinaustrat, schien ihm sie Sonne direkt ins Gesicht. Dann schaute er sich um. Es war eine Straße, ein paar Autos parkten am Rand, wenige Menschen liefen umher. 

Und mittendrin stand Noah.

 Sie erblickten sich zeitgleich und als sie dich gegenseitig in die Augen sahen, blieb für Colin die Zeit stehen. Ohne zu überlegen, stürmte er auf ihn zu und schmiss sich in seine Arme. Zum Glück hatte Noah nichts dagegen. Er war ihm die letzten Meter sogar entgegengerannt. Colin vergrub seinen Kopf in Noahs Halsbeuge und er steckte die Nase in Colin's Haare. Keiner sagte etwas. Sie standen bestimmt 5 Minuten einfach so da, hielten sich gegenseitig in den Armen, so als könnten sie die verlorene Zeit so aufholen. Colin hielt die Augen geschlossen und nahm den Geruch von Noah auf. Er hatte sich in all den Jahren nicht geändert. Und Colin erinnerte sich immer noch an den Geruch. 

„Ich hab dich vermisst", sagten sie gleichzeitig, als sie sich aus der Umarmung lösten. Beide mussten kurz auflachen und Colin bemerkte, dass in Noahs Auge eine Träne glitzerte. „Weinst du?", fragte Colin ihn und als die Träne über seine Wange rollte, strich er sie sanft mit dem rechten Daumen weg. „Nein, ich hab nur was im Auge", versuchte Noah sich rauszureden. 

Colin hatte definitiv zu viel Angst gehabt. Es gab keine wirkliche unangenehme Spannung. Während der Autofahrt zu Noahs Wohnung redeten sie nicht wirklich. Sie hörten leise Musik und schwiegen. Es war nicht unangenehm. Colin konnte sich gut entspannen, auch wenn er aufgeregt war, endlich wieder in Noahs Nähe zu sein. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, sein Herz stand kurz vor der Explosion. 

Die Autofahrt ging schleppend voran, dank des Hamburger Verkehrs. Deshalb brauchen sie auch fast 40 Minuten bis sie am Stadtrand sind, wo Noah wohnte. Er lebte in einem Mehrfamilienhaus in der obersten Wohnung. 

Als Colin durch die Tür trat, fühlte es sich für ihn nicht fremd an. Eher nach sehr langer Zeit nach Hause kommen. Es sieht fremd aus, ja, aber das Gefühl, dass dieser Ort ihm vermittelt ist Geborgenheit. Hinter ihm trat Noah durch die Tür und aus einer Tür in der Wohnung kommt ein Hund angerannt. 

Nicht nur irgendein Hund, sondern Freddy. 

Colin hatte ihn natürlich auch vermisst. Er und Noah waren oft mit dem Hund spazieren gegangen. Meistens durch den Wald. Manchmal durch den Park, wo sie sich auch noch ein Eis gekauft haben. Aber immer Händchen haltend. 

Freddy erkannte Colin wieder, was ihn irgendwie überraschte. Der Hund sprang an ihm hoch, beschnüffelte ihn ausführlich und ließ sich von Colin streicheln. Noah lächelte die beiden glücklich an. Genauso hatte er früher schon geschaut, wenn Colin sich mit Freddy beschäftigt hatte. Noah musste endlich ehrlich mit sich sein, er liebte Colin immer noch. Das hatte er versucht zu verdrängen, aber jetzt kamen alle Gefühle wieder hoch. Zu Noahs Überraschung sind sie sogar stärker geworden. 

Als Colin wieder aufstand, brannte irgendeine Sicherung in Noahs Hirn durch. Er legte seine Hände an Colin's Wangen und platzierte seine Lippen auf denen seines Gegenübers. Für beide Männer blieb die Zeit stehen. Auf diesen Moment mussten die beiden 7 Jahre warten und sie haben nicht bemerkt, wie sehr sie dieses Gefühl vermisst hatten. Der Kuss blieb sanft, war aber trotzdem begierig.

 Bis Colin Noah sachte von sich drückte. „Nicht. Nicht bevor wir wissen, was wir sind", sagte er und brachte ein etwas größeren Abstand zwischen die beiden. „Tut mir Leid, ich hätte das eigentlich nicht tun dürfen. Wir sollten erstmal reden, ich glaube da haben wir viel Aufholbedarf".


Sie hatten sich auf das Sofa gesetzt und dann mindestens 3 Stunden einfach nur geredet. Ihnen ging der Gesprächsbedarf nicht aus, allerdings war es nicht wirklich tiefgründig.

 „Noah. Ich bin hier, weil ich Antworten brauche. Warum? Warum hast du Schluss gemacht?", sprach Colin das Thema endlich an. Noah schluckte. Er wusste, er konnte nicht ewig davor weg rennen. „Das ist kompliziert..." „Ich bin hier, um die Wahrheit zu erfahren. Ich hab Zeit, aber bitte sei ehrlich." 

„Eigentlich hat alles in meiner Vergangenheit angefangen. Meine Eltern sind stark konservative Menschen. Ich wusste, dass sie uns nicht akzeptieren würden, deswegen habe ich dich vor ihnen verschwiegen. Mir war es peinlich, dass meine Eltern so sind, deswegen hab ich dir das nie erzählt. Aber dann haben sie mein Handy durchsucht, weil ich einmal zu oft nicht auf sie gehört hatte. Da haben sie natürlich alles gesehen, von Bildern zu Chats. Dann haben sie mich gezwungen mich von dir zu trennen und den Kontakt haben sie mir auch verboten. Sie haben gewartet bis wir getrennt waren und haben mich dann in ein Internat für schwer-erziehbare gesteckt. Mein Handy musste ich zu Hause lassen, deswegen habe ich mich nicht mehr gemeldet. Und hätte ich es getan, hätten sie Freddy ins Heim geschafft und dafür gesorgt, dass ich ihn nie wieder sehen konnte. Ich musste mich zwischen euch entscheiden. Ich hab mich für Freddy entschieden, weil ich feige war. Ich hatte Angst, wie weit meine Eltern noch durchgreifen würden, wenn ich dich weiterhin treffen würde. Als ich meinen Abschluss und einen Job hatte, hab ich den Kontakt mit meinen Eltern abgebrochen. Aber ich hatte mich nicht getraut, mich bei dir zu melden. Ich wusste, dass du nach meiner Nummer nicht auf mich warten würdest. Also hab ich akzeptiert, dass ich mit Freddy alleine bin". 

„Bis jetzt...", sagte Colin nach Noahs Monolog. Hätte er das gewusst, hätte er gewartet. Er hätte Noah geholfen. Doch vor allem hätte er ihn nicht allein gelassen. Er wäre an seiner Seite geblieben. Sie hätten für ihre Beziehung und für Freddy gekämpft. 

i can't breath without youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt