Want you back

466 12 2
                                    

Tränen rollen mir über die Wangen. Ich lasse meinen Kopf auf deine Matratze fallen. Das sollte so nicht passieren. Dafür, dass wir beide einen Autounfall vor ein paar Tagen hatten, bin ich schon wieder auf den Beinen. Zumindest einer. Warum konnte der Autofahrer nicht bremsen?

Ach ja, richtig, er war betrunken und ist uns voll auf dein Auto gerammt. Ich hoffe für ihn, dass du wieder aufwachst. Die Medikamente wurden zwar schon abgesetzt, aber bis jetzt ist noch nichts passiert. Lässt ganz schön lange auf dich warten!

"Bitte, wache wieder auf", flüstere ich leise. Ich setze mich wieder hin und drücke kurz deine Hand, bevor ich aufstehe und zum Fenster gehe. Zumindest ist der Ausblick auf den Park nicht schlecht. Schade, dass du ihn nicht sehen kannst. Ich lehne den Kopf an die Wand neben dem Fenster.

Ich hoffe sehr, dass du mich hören kannst und vielleicht wachst du ja heute auf, während ich dir etwas erzähle.
Die erste Erinnerung, die in meinen Gedanken aufpoppt, sind deine Autos, mit denen du gerne gespielt hast.

"Du wolltest mir unbedingt eins deiner Autos geben, da ich in der Ecke so alleine mit meinem Buch saß. Ich habe damals kein Wort verstanden von dem, was du gesagt hast, da meine Familie erst kurz davor in die Schweiz gezogen ist. Ich konnte kein Deutsch, nur Englisch. Dich hat es aber nicht davon abgehalten, mir ein Auto in die Hand zu drücken. Ob ich dann tatsächlich damit gespielt habe weiß ich gar nicht mehr. Kannst du dich noch erinnern?"

"Und du hast nicht damit aufgehört. Du hast mich regelrecht mit deinen Autos verfolgt, bis ich nicht mehr nein sagen konnte", fahre ich fort.
Ich muss kurz lachen.
"Also eins muss man dir lassen, hartnäckig bist du auf jeden Fall", erwidere ich schmunzelnd.

"Naja, dafür konnte ich dich dann davon überzeugen, mit mir auf der Schaukel zu spielen. Der beste Part war immer, als du mich angeschubst hast. Und das hast du vor sieben Tagen immer noch gerne gemacht. Ich hoffe, das war nicht das letzte Mal!"

Ein Seufzen entfährt mir. Dann gehe ich wieder zurück zu deinem Bett. Du siehst aus wie eine weiße Wand. Jegliche Farbe ist dir aus dem Gesicht gewichen und der weiße Verband unterstreicht das Ganze nur noch.

Ich greife nach deiner Hand und lasse mich wieder auf den Stuhl sinken.
"Komm schon. Ich weiß das du das kannst. Ich vermisse dich", versuche ich es diesmal auf portugiesisch.

Lustigerweise hast du ewig gebraucht, um mir die Sprache beizubringen, da ich in der ersten Klasse keine Lust dazu hatte. Als ich die dann hatte, konnte ich es mir einfach nicht merken. Keine Ahnung, wie du so viel Geduld dafür aufbringen konntest. Aber du hast es geschafft. Danke, dafür."

Meine andere Hand streichelt sanft seine Wange.
"Ich habe noch eine lustige Erinnerung. Mir war damals beim Picknick in der Schule plötzlich so schlecht, dass ich mich übergeben habe. Dummerweise war das genau auf deinem Schoß. Ich habe dir echt danach hoch angerechnet, dass du nicht schreiend davongerannt bist."

Auch wenn das echt peinlich war, musste ich danach selber lachen. Aber erst als ich wieder gesund war, da ich eine Lebensmittelvergiftung hatte.
Was danach passiert ist, war weniger lustig. Du bist einfach umgezogen, ohne mich mitzunehmen. Auch, wenn wir immer in Kontakt waren, habe ich dich unglaublich vermisst.

Und dann standest du plötzlich nach unserem Abitur vor meiner Haustür. Wir hatten zwar davon geredet zusammen zu studieren, aber das war ein Traum, der sehr weit weg war. Das Glück war damals echt auf unserer Seite, da wir sogar an derselben Uni angenommen wurden.

Du hast mich damals vor Freude durch die Luft gewirbelt und mir einen Kuss auf die Wange gegeben. Das hat ganz schön viele Schmetterlinge in meinem Bauch in Aufruhr gebracht. Ab dem Zeitpunkt habe ich gemerkt, dass sich unsere Gefühle verändert haben.

Auch wenn wir es beide erst geleugnet haben, da wir Angst hatten, wir machen etwas kaputt. Irgendwann haben wir uns dann aber doch getraut.
Langsam beuge ich mich vor und gebe dir einen Kuss. Vielleicht hast du ihn gemerkt?

Da sich das aber so seltsam anfühlt und ich einen Moment für mich brauche, löse ich mich ruckartig von dir und springe auf.
Ich verstehe gerade nicht so ganz, was mich nun dazu geritten hat. Ich bin so unruhig, das ich anfange hin- und herzutigern. 

"Nino?"
Dieses eine Wort unterbricht meine Aktion. Habe ich mir das gerade eingebildet oder war das nun echt? Ängstlich schaue ich zu dir. Ich bin etwas geschockt, als du mich anschaust und stürze wieder zu dir.
"Mo, du bist endlich wach!"

KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt