Wandern ist nicht so mein Ding

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Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare. Warum immer ich?
Zusätzlich macht mir die Hitze sehr zu schaffen, sodass ich mir mit meinen Handrücken über meine verschwitzte Stirn wische.

Und der stechende Schmerz in meinem Knöchel macht es nicht besser.
Mist. Mist. Mist.
Was mache ich denn jetzt? Mein Handy hat leider auch keinen Empfang hier.

Prima. Und nun? Ich hätte doch besser mit meiner Freundin Route wandern sollen. Nun habe ich den Salat. Wie soll ich jetzt aus dieser misslichen Lage wieder herauskommen?
Frustriert stöhne ich auf.

"Hallo, kann ich Ihnen helfen?'', fragt mich eine männliche Stimme.
Ein Mann mit blonden Haaren, die er in einen Zopf gebunden hat, taucht neben mir auf.

Tatsächlich genau mein Typ. Aber mir wäre es doch lieber gewesen, wenn ich ihn in einer anderen Situation getroffen hätte.

"Ähm, ich weiß nicht."
Ich bin gerade so irritiert, dass ich keine Antwort wirklich zusammen bekomme.

"Sind Sie sich sicher? Sie sehen nicht so aus, als ob sie okay wären."
"Uhm, ich weiß nicht. Ich glaube, ich habe mir die Knöchel verstaucht."

"Bist du gestürzt?"
"Ja, ich bin ausgerutscht, da ich den einen fiesen Stein dort auf dem Boden übersehen habe."

"Darf ich den mir mal ansehen? Ich kann mich damit aus."
"Ich denke, das wäre eine gute Idee."
"Ich glaube auch nicht, dass ich diesen Berg jemals wieder ohne Hilfe herunterkommen würde.
Sie kommen echt wie gerufen", antworte ich verzweifelt.

"Na dann, komme ich ja wirklich wie gerufen", antwortet er verschmitzt.
"Komme, ich helfe dir erstmal hoch."
"Ich darf doch du sagen, oder?"

"Ja, klar. Ich bin übrings Miriam."
"Sehr gut. Schöner Name übrigens. Und ich bin Andrew."

Vorsichtig zieht er mich vom Boden hoch in eine stehende Position und legt mir vorsichtig einen Arm um mich, sodass ich mich auf ihn stützen kann.
Ein leichter Schauder fährt mir über den Rücken, als er mir den Arm um die Schulter gelegt hat.

"So, na dann wollen wir dich mal aus der Schussbahn bringen."

Sachte setzt er mich auf einen großen Findling ab und fängt an in seinem Rucksack nach etwas zu suchen, bis er eine kleine rote Tasche herauszieht.

"Welcher Fuß ist es denn?"
"Der Rechte."
"Okay, ich werde dir nun vorsichtig den Schuh ausziehen."

"Könnte durchaus schmerzhaft sein."
Ein Seufzen entfährt mir.
"Na, schön. Schlimmer kann es nun eh nicht mehr werden."

"Bestimmt nicht."
"Das Schlimmste ist gleich vorüber."
Zumindest versucht er mir das einzureden. Denn der Schmerz, der meinen rechten Knöchel beim Abtasten durchfährt ist genauso schlimm, wie der beim Ausziehen des Schuhs.

Ein Schmerzensschrei entfährt mir. Das Einzige angenehme sind seine Finger, die sich super weich anfühlen. Und auch wenn die Untersuchung höllisch wehgetan hat, waren seine Finger so vorsichtig wie möglich.

Nachdem er den Knöchel abgetastet hat, beginnt er meinen Fuß vorsichtig nach rechts und links zu bewegen. Das ist so schmerzhaft, dass ich krampfhaft versuche nicht zu schreien.

"Tut mir leid. Ich musste mir erst erstmal einen Überblick verschaffen", antwortet er entschuldigend.

"Ich kann mir vorstellen, dass du Schmerzen hast, so wie dein Knöchel aussieht. Gebrochen sieht er nicht aus, aber er ist auf jeden Fall überdehnt und blau. Ich werde dir auf jeden Fall den erstmal bandagieren. Aber wir müssen auf jeden Fall eine Bandage bestellen. Achso und bitte kühlen."

"Du hast nicht zufälligerweise ein Kühlkissen mit?"
"Meine Schmerzen sind einfach unerträglich."

"Du hast Glück. Sowas habe ich tatsächlich mit. Aber erstmal die Bandage."
"Du bist aber echt gut ausgestattet dafür, dass du hier im Gebüsch herum kraxelst", antworte ich beeindruckt.

"Tja, ich bin auf alle Fälle immer vorbereitet. Man weiß ja nie", antwortet er schmunzelnd.
"So das hätten wir."

Verblüfft starre ich auf die schneeweiße Bandage. Das ging schnell.

"Und hier ist wie versprochen das Kühlkissen", antwortet er.
Dieses fixiert er geschickt nochmal mit einer weiteren Bandage. Man könnte meinen, bei der Geschwindigkeit, die er vorlegt, das er das jeden Tag macht.

Auf jeden Fall bin ich beeindruckt.

"So, dass hätten wir. Jetzt müssen wir dich nur noch den Berg wieder runter bekommen. Ich will es nicht beschönigen. Es könnte durchaus schmerzhaft für dich werden."

Yeah, genau so hatte ich mir meinen Sonntagnachmittag vorgestellt.
"Naja, nicht wenn du mich runter trägst", antworte ich scherzhaft.

"Die Idee ist eigentlich nicht schlecht."
"Um Gottes Willen das war ein Scherz", lache ich.
"Ich meine das aber durchaus ernst. So können wir deinen Fuß optimal entlasten. Mit diesen kannst du heute eh nichts mehr machen.

"Damit würdest du eher alles schlimmer machen, als besser glaub mir."
"Du hast dir sozusagen schon einen Sitzplatz auf der Couch gebucht."

Und schneller als ich schauen kann, trägt er mich Huckepack.
Ein Quicken entfährt mir. Ein bisschen komisch fühlt es sich schon an. Ich meine, wer trägt den eine Wildfremde Huckepack durch die Prärie.

Das ist ein bisschen seltsam und dennoch kann ich nicht leugnen, dass es mir gefällt.
Der Nachmittag ist nun sogar noch besser geworden als vorher. Gut, das mit dem Fuß ist doof gelaufen. Das gebe ich zu. Aber alles andere. Also ist Wandern nun doch mein Ding.

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