2. Schwimmbad des Todes

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Nur so als Anmerkung vorweg: Ich legte mich nicht auf die Schnauze. Zumindest nicht vor laufender Kamera. Zu dem Zeitpunkt, als ich auf einen besonders großen Stein trat und tatsächlich zu Boden ging, hielt Liam diese nämlich gerade auf Louis gerichtet. Der Trottel ließ sich immer noch darüber aus, dass er nun ja völlig umsonst seine Schwimmsachen mitgenommen hatte, und das konnten wir unseren Zuschauern natürlich unmöglich vorenthalten. Dafür war sein Gelaber viel zu dumm.

„Niall, du bist so dumm."

Ich verdrehte die Augen, während ich mich aufrappelte und in übertriebener Gestik den Dreck von meiner dunklen Jeans klopfte. „Gleichfalls."

In diesem Zusammenhang sollte ich wohl erklären, dass wir einander nicht hassten, sondern nur fürchterlich gernze triezten.

„Hey." Liam ließ die Kamera sinken. „Bist du in Ordnung?"

„Natürlich ist er das", keifte Louis ungeduldig. „Es gibt hier nur eine Sache, die nicht in Ordnung ist, Payno: Nämlich, dass du den dramatischen Fall nicht auf Band hast!"

Liam prustete in einer Mischung aus Entsetzen und Fassungslosigkeit. „Bitte was? Er hätte sich den Knöchel brechen können, du unempathischer Sack!"

„Na und?"

Zähneknirschend wehrte ich Louis ab, der schon wieder den Arm um mich legen wollte – zweifelsohne, um einen weiteren Nouis-Schnappschuss in die unendlichen Weiten des Internets zu katapultieren.

„Tu doch nicht so, Payno", rief ich in Liams Richtung. „Wir alle wissen, dass es euch beiden vollkommen egal ist, ob ich mir irgendetwas breche."

„Ja, weil du dumm bist." Louis schien das Bedürfnis zu verspüren, diese Feststellung so oft wie möglich zu wiederholen.

„Und du brauchst Anti-Aggressions-Training." Ein Wunder, wie wir knapp eine Million Follower auf YouTube haben konnten. „Können wir weitermachen?"

„Selbstverständlich." Hochmutig hob Liam die Kamera wieder an. „Dann legt mal los mit eurem Bullshit."

Das Freizeitbad, das wir uns heute vornahmen, war zu seinen Blütezeiten der Renner gewesen. Seine ruhige Lage außerhalb der Stadt direkt neben einem kleinen Wäldchen und mit geräumigem Außenbereich hatte es zu einem vielbesuchten Erholungsort werden lassen. Die riesigen Fensterfronten des Hallenbads sowie die verglaste Kuppel im Zentrum des Gebäudes mussten damals majestätisch gewirkt haben, ebenso der weitläufige, von einem verschnörkelten Metallzaun eingefasste Parkplatz, auf dem wir gerade herumstanden.

Meiner Recherche nach war das Freizeitbad für lange Zeit der Stolz der Stadt gewesen, doch das hatte leider nicht ausgereicht, um es zu erhalten. Vor rund fünfundzwanzig Jahren musste es aufgrund fundamentaler Statikprobleme geschlossen werden, mit dem Vorhaben, die Probleme zu beheben und dann eine große Wiedereröffnung einzuleiten. Dazu war es am Ende jedoch nicht gekommen. Zu teuer wäre die Renovierung gewesen, zu groß die Konkurrenz neuer, modernerer Freizeit- und Badeanlagen im näheren Umkreis. Nicht einmal Zeit und Geld für einen fachgerechten Abriss hatte man sich genommen, sondern ließ einfach Wind und Wetter seinen Dienst tun.

Mit dem Resultat, dass über zweieinhalb Jahrzehnte hinweg ein Lost Place vom Feinsten entstanden war. 

Gut für uns.

Das vertraute, kribbelige Gefühl von Aufregung und Vorfreude drang bis in meine Fingerspitzen, während ich den Blick über das Gelände schweifen ließ. Die verwachsenen Pflastersteine des Parkplatzes, der verwucherte, schmiedeeiserne Zaun, die morsche Pforte an der Einfahrt. Die breite Eingangsfront des Hauptgebäudes mit der abblätternden, hellblauen Farbe und der zersplitterten Drehtür. Die Nischen links und rechts davon, in denen sich ursprünglich die Kartenautomaten befunden hatten. Die ebenso hellblaue Wendeltreppe an der rechten Seite des Gebäudes, die wohl als Notausgang gedient hatte. All das Laub und der Dreck auf der Glaskuppel, die verschmierten Fensterscheiben – und natürlich die monströse Silhouette der Röhrenrutsche, die hinter dem Gebäude in den dämmrigen Abendhimmel ragte.

Todgeküsst (Ziall Slow-Burn; Side-Larry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt