„Weißt du eigentlich, was auf YouTube und Instagram abgeht, seit dieser Livestream im Krankenhaus in die Hose gegangen ist?"
Wie immer drang Louis' dramatisches Krähen so laut aus meinem Handy, dass ich es mit verzerrtem Gesicht ein Stück von meinem Ohr entfernen musste, um keinen Gehörschaden zu erleiden.
Unwillkürlich sah ich mich um, doch keiner der anderen Fahrgäste des Stadtbusses schien die beginnende Eskalation am anderen Ende meiner Leitung mitbekommen zu haben.
Eilig schraubte ich die Lautstärke meines Handys ein wenig herunter.
Dieser Typ hatte kein einziges seiner Organe unter Kontrolle.
„Anscheinend hat der Livestream länger durchgehalten, als wir angenommen hatten!", plapperte er in heller Aufregung weiter drauflos. „Ich hab mir vorhin eine Aufnahme angesehen, ganz bruchstückhaft sieht man noch, wie wir die Esoteriker entdecken, dann noch unsere Flucht und viel Geschrei, und dann ist Ende. Meine Fresse, Niall, das ist Drama pur! Ich kapiere zwar nicht, wie mein Handy noch übertragen konnte, nachdem es doch eigentlich längst abgestürzt war, aber anscheinend ist ein gespenstinduzierter Absturz ein wenig anders als ein normaler. Es gibt sogar Leute, die denken, wir sind tot, und jetzt panisch das Netz nach unseren Todesanzeigen durchforsten. Kein Wunder, wir haben uns seit dem Livestream auch nicht mehr gemeldet, weder über unsere YouTube-Accounts noch privat. Es..."
„Louis!", fuhr ich ihm irgendwann über den Mund, als es mir zu bunt wurde. Ich hatte gerade ganz andere Sorgen als unseren YouTube-Kanal. „Könnt ihr nicht einfach irgendetwas posten, um zu beweisen, dass wir alle am Leben sind?"
Eine kurze, enorm fassungslose Pause entstand, dann startete er mit einer weiteren Wörtersintflut durch, und ich konnte nur noch gequält die Augen schließen. Nachdrücklich massierte ich mir mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel.
Ich hatte Kopfschmerzen. Und mir war so warm. Ließ Zayns Behandlung mit dem Tee und den Eisentabletten womöglich nach? Wäre eine Auffrischung nötig? Eine realistische Annahme, aber nein, ich brauchte keine blöde Tee-Behandlung vom blöden Zayn Malik mit seiner blöden, pinken Mütze. In allererster Linie brauchte ich jetzt erst einmal Klarheit, was Junia in Harrys Hotel zu suchen hatte.
„... du noch dran?" Nun klang Louis endlich ein wenig gemäßigter und auch leicht misstrauisch. „Niall?"
„Ja, ja." Meine Ohren summten. „Was?"
Er schwieg einige Sekunden lang. „Ich sagte, dann poste ich ein Selfie vom letzten Ausflug und schreibe darunter, wie unfassbar toll es war. Und ich weise unter anderem darauf hin, dass es keine Toten gab."
„Gute Idee. Mach das." Aktuell hätte ich wohl so ziemlich allem zugestimmt, um dieses Gespräch so schnell wie möglich beenden zu können. Ich machte mir viel zu viele Sorgen darum, in welchen Schwierigkeiten Junia exakt in dieser Sekunde stecken könnte. „Hör mal, Lou, ich komme heute wahrscheinlich erst irgendwann nachts heim. Wir sehen uns also erst morgen. Bis dann!"
Eine aufgebrachte Wörterflut setzte ein, doch ich hatte das Gespräch schon beendet. Hierfür war morgen definitiv eine Entschuldigung fällig, und Louis würde mir wohl eine saftige Ohrfeige verpassen, aber das war mir gerade egal.
Eine Welle aus Geflüster schwappte über mich hinweg. Das Geflüster aus dem Krankenhaus, das mich in der darauffolgenden Nacht in meinen Albträumen verfolgt hatte. Das Geflüster der Getöteten, der Seelen.
Ächzend presste ich mir die Hände an die Schläfen, dann direkt die heiße Stirn an die kühle Fensterscheibe neben mir.
Hörte es denn gar nicht mehr auf?
DU LIEST GERADE
Todgeküsst (Ziall Slow-Burn; Side-Larry)
FanfictionLost-Place-YouTuber Niall Horan zieht mit seinem Team von einem verlassenen Ort zum nächsten, um Klicks in Millionenhöhe zu erzielen - bis er auf einem seiner Ausflüge eine merkwürdige Begegnung erleidet. Der unfreundliche, mit seltsamen Gerätschaft...