4. Ausflug

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Ein klassisches Büro erwartete mich – ein Schreibtisch direkt an der Fensterschreibe zum Schwimmbad, ein breiter Aktenschrank an der Seite, ein weiterer Tisch in der Mitte des Raums, der wohl für Besprechungen oder Brotzeitpausen gedient hatte.

Auf dem Schreibtisch stapelten sich lose Papiere, Blöcke und Akten, Stifte lagen umher, ebenso eine Computermaus. An der hinteren Ecke stand sogar noch eine Kaffeetasse mit Löffel darin. Die Vorrichtungen für Bildschirm und Computer selbst waren noch deutlich auszumachen, doch entweder war die Technik gleich mit der Schließung entfernt worden oder irgendwelche Banausen hatten etwas davon brauchen können. Beides erschien mir gleichermaßen realistisch.

Mehr aus Langeweile als aus Interesse griff ich nach der Tür des Aktenschranks, um sie aufzuziehen. Eine Reihe aus Knöpfen und Hebeln lachte mir daraus entgegen. Mit gerunzelter Stirn beugte ich mich vor, in der Hoffnung, vielleicht die Beschriftungen noch entziffern zu können, doch die Jahre des Verfalls hatten für absolute Unlesbarkeit gesorgt.

Ich brauchte unbedingt ein Foto hiervon. Eifrig zückte ich mein Smartphone, doch leider behielt Liam Recht, was die Aufnahmequalität betraf: Im Gegensatz zu seinem professionellen Equipment konnte man klassische Handykameras wirklich vergessen.

Wie auf Kommando zuckte Blitzlicht durch das winzige Büro, ließ die Armaturen vor mir für einen kurzen Moment aufleuchten.

Wenn man vom Teufel sprach.

„Liam?" Ich sah nicht auf. „Gibt mir mal die Kamera bitte."

Er antwortete nicht. Wahrscheinlich war er eingeschnappt darüber, dass ich das Foto selbst machen wollte.

Ich verdrehte die Augen. „Meine Fresse, Payno. Du kannst es auch selbst fotografieren." Ich trat einen Schritt zurück. „Schau? Ich..."

Ich brach ab.

Liam war nirgendwo zu sehen. Nicht einmal zu hören.

Mit gerunzelter Stirn trat ich näher an die Tür. „Payno?"

Plötzlich schien es mir im Allgemeinen ungewöhnlich still zu sein. Liam und Louis hatten ihr Gezanke offenbar aufgegeben, ebenso ihre Wanderung durch die Halle, denn es rührte sich nichts mehr. Absolut nichts.

Schlagartig fühlte ich mich unwohl, umfasste unwillkürlich mein Smartphone fester.

„Leute?" Dünn und heiser hallte meine Stimme über das gähnend leere Sportbecken.

Täuschte ich mich, oder war es auf einmal noch viel, viel dunkler als vorhin? Wo zum Henker war der Mond hin, dessen Licht vorhin noch durch das Glasdach gedrungen war? Braute sich dort draußen etwa ein Unwetter zusammen? Das würde zumindest den Blitz von vorhin erklären. Instinktiv tastete ich nach der Taschenlampe, die für gewöhnlich an meinem Gürtel hing, und fluchte unterdrückt. Ich hatte das Ding im Büro liegengelassen. Wie dumm musste man sein?

Frustriert tastete ich mich ins Büro zurück. Wie erwartet lag die Taschenlampe neben dem Armaturenschrank auf dem Boden, doch ehe ich danach greifen konnte, ließ lautes Grollen das Gebäude erbeben. Donner. Als es erneut blitzte, zuckte ich zusammen – und prompt kollidierte mein Ellbogen mir dem Armaturenbrett im Schaltschrank, betätigte dort unfreiwillig mehrere Knöpfe. Gott sei Dank lief hier kein Saft mehr. Kein Saft, keine funktionierenden Gerätschaften, ganz einfach.

Endlich schnappte ich mir die Taschenlampe und suchte mehrere Sekunden lang dümmlich nach dem Ein/Aus-Knopf – und bemerkte dann erst, dass irgendetwas vor sich ging.

Da war ein Surren. Und ein Schaben.

Etwas knackte und quietschte.

Mein Puls stieg exponentiell, pumpte mein Blut wie wild durch meine Adern. Ehe ich mich zurückhalten konnte, hatte ich schon die Kamera-App geöffnet und eine Videoaufnahme gestartet. Sollte nun etwas geschehen, würde ich dafür sorgen, dass wir es danach auf Band hatten.

Todgeküsst (Ziall Slow-Burn; Side-Larry)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt