Kapitel 20

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Nachdem wir etwas plauderten, sah ich wie Lena Kerem an den Armen zog und mit ihm spielen wollte. Das war so süß. Er nahm sie an der Hand und sie gingen schaukeln. Hand in Hand. Ich wünschte, ich wär statt Lena das Mädchen, das die Hand Kerems hielt und mit ihm schaukelte.

Ich sah ihnen lächelnd zu und träumte dabei vor mich hin. Ich träumte, wie er mir seine Hand reichen würde. Wie ich sie dann annehmen würde und er mich zu den Schaukeln mitziehen würde. Ich träumte, wie er auf der anderen Schaukel neben mir sitzen würde und meine Hand halten würde. Wie wir langsam lächelnd schaukeln würden und über unnötige Themen reden würden.
Plötzlich hörte ich ein lautes Geräusch. Das kam eindeutig von Lena. Ich ließ meine Gedanken verschwinden und widmete mich der realen Welt. Als ich zu Lena und Kerem sah, bemerkte ich, dass Lena auf dem Sand saß und sich an ihrem Bein festhielt. Sie pustete an ihrem Knie und Kerem, der sich neben Lena kniete, versuchte sie zu trösten. So süß. Er stand auf und ging auf Ella, Lenas Großmutter, zu. Währenddessen rannte ich zu Lena und fragte, was passiert sei. Ich dummes Kind hab zu der Zeit natürlich über Kerem nachgedacht, anstatt mich auf Lena zu konzentrieren. Kerem geht einfach nie aus meinem Kopf raus, das geht nicht.

Lena: "Ich bin auf mein Knie gefallen, als ich von der Schaukel gesprungen bin!"

Ich sah vom Augenwinkel, wie Kerem mit Ella gemeinsam zurück kam. Ella schien sehr besorgt, aber auch genervt zugleich zu wirken. Kerem hatte  ein Pflaster in der Hand und klebte es dann sorgfältig auf Lenas Wunde. 

Ella: "Mensch, Lena! Was hast du denn wieder angestellt?!"

Ich: "Ella, sie ist hingefallen. Nichts sehr schlimmes, das kann ja mal passieren. Nicht wahr, Lena?"

Lena: "Genau."

Ella: "Ach, wenn du nur wüsstest, wie oft so etwas schon passiert ist."

Lena drehte nur die Augen und schaute dann zu Kerem.

"Danke, Kerem für das Pflaster!", rief Lena und sprang in Kerems Arme.

Kerem: "Kerem ABI."

Lena schaute verwirrt und Kerem und ich lachten nur.

Endlich. Wir waren alleine. Nicht, dass ich was gegen Ella und Lena hätte. Doch ich freute mich sehr darüber, dass Kerem und ich jetzt "ungestört" sein konnten und um den See gingen, da wir den Weg nachhause gingen. Ich wollte nicht, dass wieder eine lange Stille herrschte, deshalb versuchte ich ein Gespräch aufzubauen. Doch genau dann, als ich etwas sagen wollte, sprach Kerem. 

Kerem: "Das mit Deniz nochma-"

Ich: "Ist es okey, wenn wir das mit Deniz und allem erstmal zur Seite schieben. Bu konuyu konuşmak istemiyorum artık." (Ich möchte über dieses Thema nicht mehr reden.)

Kerem: "Okey."

Ich: "Lass uns einfach über etwas anderes reden."

Kerem: "Und das wäre was?"

Ich: "Hmm.. Erzähl was über dich! Wir kennen uns kaum, abe-"

"Aber verstehen uns trotzdem so gut. Hilal, weißt du was? Es kommt mir so vor, als würden wir uns schon so lange kennen.", sagte er mit seiner sanften Stimme.

Ich war sprachlos, denn es ging mir genauso. Ich hätte nicht gedacht, dass er das genauso sehen würde.

Ich: "Ja, ja du hast Recht. Trotzdem können wir uns ja besser kennenlernen. Zum Beispiel: Was ist dein Lieblingshobby? Oder wer ist dein bester Freund? Hast du schon deinen Führerschein? Und was mich auch interessiert: Betest du eigentlich?"

Kerem schaute etwas überfordert wegen der Bombardierung der Fragen. "Warte, warte. Also, zuerst: Ich spiele am liebsten Fußball, wie du dir bestimmt denken kannst."

Ich: "Ja, stimmt. Aber machst du auch anderen Sport?"

Kerem: "Also ich geh alle zwei Tage pumpen. Sieht man ja auch an meinen Muckis."

Er lachte und ich lachte dann auch. So ein Angeber. Ich schlug ihm gegen sein Arm, was ihn mal wieder nicht störte.

Ich: "Salak." ("Idiot.")

Kerem: "Ja, also halt Fitness und Fußball. Und was hattest du noch gefragt? -Ach ja, Führerschein. Nein, sonst würde ich ja nicht mit dem Bus zur Schule kommen. Ich bin nämlich noch nicht dazu gekommen, aber hab es auf jeden Fall noch vor."

Ich: "Wann denn?"

Diese Frage stellte ich absichtlich. Ich wollte nämlich wissen, wann er anfängt, damit ich mit ihm zur selben Zeit und zur selben Fahrschule gehen kann.

Kerem: "Ich wollte nächsten Monat anfangen, also im Mai."

Ich: "Und was ist mit Abi?"

Kerem: "Ja, krieg ich schon irgendwie hin in sha Allah (Wenn Allah will). Und zu deiner Frage mit meinem bestem Freund: Also ich habe keinen richtigen "Freund für's Leben". Eher meine Kumpels, kennst die ja aus der Klasse. Cengiz, Ali und Burak."

Ich: "Ja, kenn ich. Die sind alle in deiner Klasse, oder?"

Kerem: "Ja, genau. Die spielen auch mit mir Fußball. Kenne die auch seit der fünften Klasse, also seitdem ich auf dieses Gymnasium gehe. Und was hattest du zuletzt gefragt? Beten?"

Ich: "Ja, habe ich."

Kerem: "Ja, ich bete alhamdulillah." (Alles Lob gebührt Allah)

Ich: "Echt? Fünf mal am Tag?"

Er nickte, woraufhin ein "Ma sha Allah" von mir kam. (Allah hat es so gewollt) Als ich nach vorne blickte, bemerkte ich, dass wir an der Lanstraße ankamen.

Kerem: "Wo musst du jetzt lang?"

Ich: "Ich muss durch diesen Wald da hinten."

Kerem: "Sicher, dass du alleine dadurch willst? Um diese Uhrzeit?"

Ich schaute auf meine Armbanduhr. Es war 19:05 Uhr. Galatasaray kam mir in den Sinn, denn 1905 war das Jahr, an dem die Fußballmannschaft gegründet wurde.

Kerem: "Hast du was gesagt?"

Ich: "Hab ich was gesagt?"

Kerem: "Ich hab 'Galatasaray' verstanden."

"Echt?", fragte ich erstaunt. Ich hatte ja nicht mal eine Ahnung, was ich sagte. "Ja, ehm ich hab das gesagt.", sagte ich lachend.

Kerem guckte etwas komisch. "Wieso? Bist du Galatasaray'lı? (Für Galatasaray) "

Ich: "Die Uhrzeit erinnerte mich daran und ja bin ich, du auch?"

"Nein, Fenerliyim ben tabi." ("Nein, ich bin natürlich für Fener/Fenerbahçe."), sagte er stolz.

Ich drehte meine Augen und guckte etwas arrogant. "Das haben wir zwar nicht gemeinsam, aber jetzt weiß ich noch mehr über dich."

Kerem: "Was haben wir denn noch gemeinsam?"

Ich: "Das Beten haha. Ich bete auch, alhamdullilah."

"Hätte ich nicht erwartet, wenn ich ehrlich bin.", sagte Kerem erstaunt.

Ich lächelte und wollte ihn umarmen als Verabschiedung, doch dann realisierte ich, was ich tat. Ich stoppte sofort. Peinlich. Ich glaube, es lag einfach an der Angewohnheit, meine Freundinnen immer zu umarmen. Einen Jungen umarmte ich nie. Generell mit einem Jungen schreiben oder sogar sich zu treffen war bei mir eigenlich tabu. Doch bei Kerem war ich mir sicher, dass er der Richtige war. Anstatt zu lachen oder ähnliches, nahm mich Kerem einfach in die Arme.
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"Wenn Ramadan beginnt, werden die Tore des Himmels geöffnet, die Tore des Höllenfeuers geschlossen und die Satane in Ketten gefesselt."

Ich wünsche einen gesegneten Ramadan an alle Muslime! Möge Allah euer Fasten und eure Gebete annehmen.





Hilal & KeremWo Geschichten leben. Entdecke jetzt