Ich habe überraschend gut geschlafen, für die Tatsache, dass ich in einer Höhle am offenen Meer geschlafen habe.
Ich setze mich im Schlafsack auf und binde meine Haare zu einem Knoten, während ich mir meine Taktik überlege.
In der Theorie könnte ich hier in dieser Höhle eine ganze Zeit lang überleben. Ich habe durch das Meer einen Zugang zu Nahrung und gleichzeitig Schutz. Ich gehe nicht davon aus, dass viele der anderen Tribute darauf kommen, eine Klippe hinabzuklettern, die eindeutig ins Meer führt.
Aber die Spielemacher werden mich wohl kaum zwei bis drei Wochen in einer Höhle sitzen lassen. Ich bin mir sicher, dass sie ganz einfach das Meer steigen oder meine Höhle einstürzen lassen könnten.
Ich komme zu dem Schluss, dass ich mich mindestens jeden zweiten Tag an die Oberfläche wagen sollte, um das Publikum etwas zu unterhalten.
BUMM.
Ich zucke zusammen. Eine Kanone wurde abgefeuert. Ein weiteres Tribut weniger. Ich gehe davon aus, dass die Karrieros irgendwen erwischt haben.
Für das Kapitol gibt es für die ersten Stunden hoffentlich genug Morde und Ereignisse, die sie analysieren können, dass sie uns einige Stunden, vielleicht sogar Tage, Ruhe gönnen.
Ich ziehe den Essensrucksack zur Rate und breite mein Proviant vor mir aus: Ein Laib Brot, drei Äpfel, ein Stück Käse, eine Packung Knäckebrot, Trockenfleisch und mehrere Tüten getrocknete Früchte. Wenn ich es gut einteile, kann ich allein von diesem Proviant 4 oder 5 Tage durchkommen. Ich wil aber versuchen, so wenig wie möglich von diesem Vorrat anzurühen und stattdessen eher versuchen, selbst Nahrung zu beschaffen.
In dem Rucksack ist bereits eine leere Wasserflasche gewesen, als ich ihn vollgestopft habe. Ich habe drei weitere volle Flaschen dazugesteckt. Für heute reicht der Vorrat noch, doch ich brauche Nachschub.
Meerwasser ist nicht trinkbar, also muss ich nach einer Süßwasserquelle suchen. Ein Bach oder eine Quelle wäre mir am liebsten, ein Tümpel könnte auch noch in Ordnung sein, solange sich darin keine Algen befinden. Ich möchte nicht durch eine Vergiftung sterben.
Ich bin den vielen Trainingsstunden dankbar, die ich nicht darauf verschwendet habe, Waffen durch die Gegend zu werfen, sondern mich wirklich auf die Arena vorbereitet habe.
Ich weiß wenigstens, wie man Wasser abkocht. Ich bin mir nicht sicher, ob Hunter oder die anderen Karrieros das wissen.
Ich esse den Rest der Fische mit einer kleinen Scheibe Brot und packe dann einen Rucksack für meine Mission. Ich will eigentlich am Abend wieder in meinem Versteck sein, doch ich packe trotzdem genug Proviant ein, dass ich knapp zwei Tage damit auskomme. Man weiß ja nie.
Die Wasserflaschen hänge ich mir mit zwei Karabiner an meinen Gürtel, dann nehme ich meinen Speer und mache mich an den Aufstieg. Langsam weiß ich, welcher Weg der sicherste und welcher der Schnellste ist.
Oben auf der Klippe beeile ich mich, zum Wald zu kommen. Mir gefällt das offene Gelände nicht, wo man mich über Kilometer sehen kann.Stundenlang wandere ich, halte mich stetig in die Richtung, die meiner Meinung nach Süden ist und vom Füllhorn wegführt. Wenn die Karrieros nach ihrer Jagd auf die anderen Tribute irgendwo sind, dann am Füllhorn, wo sie ihren ganzen Proviant und ihre Ausrüstung lagern können.
Ich bin nervös. Die unheimliche Stille des Waldes lässt mich nicht los. Alles sieht gleich aus. Ich habe mich nicht verlaufen. Ich kann das Meer immer noch hören, aber der Wald verändert sich überhaupt nicht. Reihe an Reihe von hohen, dunklen Nadelbäumen, am Boden Unterholz und Dornen, aber nirgendwo auch nur ein einziges Tier. Ich höre keine Insekten und keine Vögel. Nicht mal ein Eichhörnchen huscht durch die Bäume. Das einzige Geräusche, dass ich höre sind meine Schritte, den Wind und das Meer. Wenn ich mich nicht sehr irre, gibt es gar keine anderen lebenden Wesen in dieser Arena außer den Tributen. Ich habe auch noch keine Pflanzenart gesehen, die auch nur annähernd essbar wirkt. Die heißt auch, dass der Proviant aus dem Füllhorn mit dem Meer die einzige Nahrungsquelle darstellt. Die Tribute, die bei der Eröffnung keinen Proviant ergattert haben, werden verhungern oder handeln müssen. Hoffentlich gibt es wenigstens Wasser -aber ja, die Bäume brauchen doch auch irgendwie Feuchtigkeit.
Ich gehe vor einem Baum in die Knie und taste nach der Erde. Sie ist klamm, vielleicht aber auch noch vom Morgentau. Ich nehme ein Messer aus meinem Gürtel und kratze an der Oberfläche des Baumes. Zähflüssiges Harz tritt hervor. Das hilft mir nicht viel. Ich wandere weiter durch den stummen Wald.
Die Sonne drückt erbarmungslos vom Himmel und ich beginne unter meinem Pullover zu schwitzen. Ich ziehe ihn aus und binde ihn um meine Hüfte. Nur mit dem weißen Top bekleidet wandere ich weiter. Um mich vor der Sonne zu schützen reiben ich meine Arme und Schultern im Gehen mit Erde ein.Es ist bereits früher Nachmittag, als ich ein leises Plätschern höre. Ich habe mich hingesetzt und etwas an dem Trockenfleisch geknabbert, als ich es wahrnehme. Sofort stehe ich auf und gehe darauf zu. Ein Stückchen den Hang hinauf stoße ich auf eine kleine Quelle, die aus der Erde sprudelt und in einem winzigen Rinnsal durch die Erde Richtung Klippe fließt.
Ich schöpfe das Wasser mit den Händen und trinke, dann spritze ich es mir ins Gesicht und auf die Arme und wasche mich. Ich fülle sämtliche Wasserflaschen auf und trinke noch mehr.
Immer noch ist das Wasser das einzige Geräusch in der Umgebung. Das Fehlen der Tiere beunruhigt mich. Ich bin zittrig und nervös, wie ein aufgeschrecktes Reh.
Erst als ich zum zweiten Mal aufschaue, registriere ich die Fußabdrücke, die dort auf der anderen Seite der Quelle hinterlassen wurden. Sofort springe ich auf und greife nach meinem Speer.
Jemand war bereits hier. Ich bin unvorsichtig gewesen. Mit erhobenem Speer drehe ich mich auf der Stelle und beobachte den Wald, höre auf jedes kleines Geräusch.
Nichts.
Vielleicht sind die Fußspuren auch noch von gestern.
Ich nehme meinen Rucksack und mache mich auf den Rückweg.
Die ganze Zeit über bin ich aufmerksam und angespannt und halte meinen Speer fest umklammert.
Ein lauter Knall lässt mich zusammenzucken. Das war eine Kanone. Ein weiteres Tribut ist tot. Wir genau kann ich nur raten.Am Abend entzünde ich in der Höhle ein Feuer und brate darauf die Fische, die über den Tag in mein Netz geraten sind. Während ich einige von ihnen esse, ertönt die Hymne. Das erste Gesicht im Himmel ist der Junge aus 8, das zweite das Mädchen aus 9.
Zwei weitere Tode. Für heute wird das dem Kapitol an Unterhaltung reichen, doch ich bin mir sicher, dass sie mich bald wieder aus meiner Höhle holen werde. Ich habe zwar gezeigt, dass ich aktiv bin und gut überleben kann, aber das Kapitol will uns zuschauen, wie wir uns gegenseitig umbringen.
Und leider bin ich die diesjährige Favoritin. Die Leute werden mich sehen wollen.
Ich versuche mir darüber keine Gedanken zu machen, als ich mich nahe am Lagerfeuer zusammenrolle. Während ich einschlafe halte ich Mags Kette fest in meiner Hand, der Geruch von Zuhause beruhigend in meiner Nase.
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Games of the Sea (Tribute von Panem ff)
FanfictionAls Alyssas Name bei der Ernte fällt, horcht ganz Panem auf. Finnick Odairs kleine Schwester wird in den Hungerspielen antreten! Das Kapitol ist begeistert, doch für Alyssa zählt nur der eine selbstsüchtige Gedanke, dass sie überleben will. Und so b...