Games of the Sea (Tribute von Panem ff)

Sieger

Das soll es also sein.
Das Finale der 71. Hungspiele.
Meine Hand umschließt den Schaft des Speeres mit festem Griff. Ich schließe meine Augen und atme zitternd die rauchgeschwängerte Luft ein. Jetzt ist es also soweit.
Meine Augen schweifen über den Platz. Der Kreis aus Feuer. Es ist kein schlechter Ort. Sollte ich jetzt sterben, würde es wenigstens ein spektakulärer Tod sein.
Ich trete an den Rand des Füllhorns und schaue zu Hunter hinunter.
Ich könnte ihn von hier oben mit meinem Speer aufspießen, doch sollte ich ihn verfehlen, würde ich meine einzige Waffe hergeben.
Hunters Blick ruht hasserfüllt auf mir.
"Du hast sie alle umgebracht!", brüllt er über das Knistern des Feuers, "Grace, Catherine, Graham und Clyde! Du bist an allem Schuld!"
Um Himmels Willen, hat den niemand in dieser Arena die Spielregeln verstanden?
"Als ob du es nicht getan hättest!", schreie ich zurück und rustche vom Füllhorn hinunter auf den Boden.
"Du hinterhältige, miese Schlampe!", brüllt er. Sein Gesicht wird rot und er spuckt während er wutentbrannt Anschuldigungen gegen mich erhebt.
"Du hast die ganzen Sponsoren im Kapitol doch um den Finger gewickelt! Du und dein Bruder! Es war von Anfang an klar, dass du gewinnen wirst! VERDAMMTE FAVORITEN DES KAPITOLS, DU UND DEINE HURE VON EINEM BRUDER!"
"Vorsicht", sage ich gefährlich ruhig und richte meinen Speer auf ihn.
Mich kann er beleidigen, wie er will, doch über meine Familie wird nichts Schlechtes erzählt.
"Komm", gackert er, "Erstech mich doch und geh zurück zu diesen verwichsten Kapitolsärschen in ihrer Hauptstadt. Krieche ihnen doch alle in den Arsch. Oder vielleicht kriechen sie ja in DICH. DU WIEDERLICHE, VERFÜHRERISCHE NUTTE!"
"Bist du langsam fertig?", frage ich trocken. Ich bin schokiert von der Verwegenheit seiner Worte über das Kapitol. Jetzt kann Hunter gar nicht leben. Sollte er diese Arena verlassen, wird Snow ihn für seine Worte büßen lassen.
Hunters Augen heften sich auf mich. Eine Spur von Wahnsinn liegt darin.
Ohne Vorwarnung stürmt er auf mich zu. Es geht so schnell, dass seine Klinge meine Wange streift, bevor ich ausweichen kann. Ein heißer Schmerz fährt durch mein Gesicht und Blut tritt pochend aus der Wunde hervor. Es klebt an meinem Gesicht und läuft meinen Hals hinab. Ein schmerzliches Stöhnen entflieht mir.
Hunters wahnsinnige Augen verfolgen das Blut hinunter in meinen Kragen und er leckt sich über die Lippen.
Jetzt reicht es mir. Ich setze zum Gegenangriff an.
Ein heftiger Schlagabtausch beginnt. Hunter schlägt zu, ich blocke, ich versuche eine Flinte, er parriert. Wir wandern in einem tödlichen Tanz durch den Feuerkreis. Niemand schafft es den entscheidenden Treffer zu erziehlen. Keiner schafft mehr als eine Schramme am Gegner.
Nach ungefähr einer halben Stunde passiert es.
Ich mache einen Fehler.
Ich stolpere über Hunters Bein und falle der Länge nach auf den kalten Steinboden.
Das war's.
Hunter packt mich an der Schulter und dreht mich zu sich herum. Mein Speer ist mir aus der Hand gefallen. Wahrscheinlich will er mein Gesicht sehen, wenn ich sterben, doch zu meiner Überraschung hat er sein Schwert beiseite gelegt.
"Warum es nicht noch ein bisschen genießen, bevor du mausetot bist?", flüstert er in mein Ohr, "Erinnerst du dich an mein Versprechen aus dem Trainingscenter?"
Mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter.
Hunter sitzt auf mir, drückt mich mit den Knien auf den Boden. Die eine Hand schließt sich um meinen Hals, mit der anderen fährt er unter meinen Pullover.
Ich strample und winde mich unter seinem Griff, doch seine Hand um meinen Hals schließt sich fester. Er küsst mich und drängt seine Zunge in meinen Hals.
Nein. Nicht so!

Hunter schreit. Mein Messer steckt in seiner Brust. Er hustet und Blut kommt aus seinem Mund. Es spritzt mir ins Gesicht. Mit all meiner Kraft drücke ich gegen seinen Körper und schaffe es, mich aus seiner erschlaffender Umklammerung zu befreien.
Das Feuer um uns erlischt langsam.
Ich stehe auf und gehe angewidert einige Schritte von Hunter weg. Schnell richte ich meinen Pullover und versuche das Blut aus meinem Gesicht zu entfernen. Als ich auf den Schnitt in meinem Gesicht komme, brennt er und ich lasse es sein.
Hunter erschlafft und die Kanone wird abgefeuert.
Ich begreife erst nicht, was es jetzt für mich bedeutet. Aus den Lautsprechern um das Füllhorn ertönt eine Siegesfanfare. Claudius Templesmiths Stimme schallt durch den toten Wald: "Meine Damen und Herren, ich präsentieren Ihnen die Siegerin der 71. Hungerspiele: ALYSSA ODAIR!"

Siegerin.

Ich habe gewonnen.

Ich habe überlebt!

Ich sinke auf die Knie umd vergrabe meinen Kopf in den Händen. Ich habe es geschafft. Ich werde Finnick wiedersehen.
Ich weine Freudentränen.

Der Arm eines Hovercrafts holt Hunters toten Körper aus der Arena, danach wird eine Strickleiter zu mir heruntergelassen, an der ich elektisch festklebe, bis ich in einem Hovercraft ankomme. Der Strom lässt nach und ich erhebe mich vorsichtig.
Drei Leute stehen mur gegenüber: Ein Arzt aus dem Kapitol, eine Krankenschwester und... Finnick.
Ein ersticktes Schluchzen entrinnt mir, als ich auf ihn zuhaste und ihn fest in meine Arme schließe. Tränen rinnen jetzt in Sturzbächen über mein Gesicht.
Ich habe so viel Schlimmes in der Arena getan, doch Finnick hält mich einfach nur fest, streichelt mir über das Haar und flüster mir immer wieder zu, dass ich jetzt in Sicherheit bin. Er lässt mich lange nicht los. Erst als der Arzt mich bestimmt von ihm wegzieht um meine Wunden zu versorgen.
Finnick weicht nicht von meiner Seite. Er ist die ganze Zeit in Greifweite, hat seine Hand sanft auf meiner Schulter oder meinen Rücken liegen. Und drückt immer wieder meinr Hand als stummes Versprechen, dass er da ist und auf mich aufpasst.
Als der Arzt seine Arbeit getan hat, bittet Finnick um etwas Zeit für uns.
Als der Arzt die Tür hinter sich schließt, falle ich Finnick in die Arme und schluchze hemmungslos.
Finnick schließt mich in seine Arme, hält mich fest wie ein kleines Kind und wiegt mich beruhigend hin und her.
"Ich bin da", sagt er immer wieder, "Es ist vorbei."
Zu diesen Worten dämmere ich ein.