Kaum hat der Zug Distrikt 4 verlassen, zieht Finnick mich zur Seite.
"Wir müssen mit dir reden", flüstert er und nickt Mags zu. Die beiden gehen mir voran in den hinteren Teil des Zuges.
Es ist der gleiche Raum, in dem Finnick und ich nach meinen Spielen gessen sind.
Finnick und Mags quetschen sich zu beiden Seiten neben mich auf eine Seite der Sitzbänke und mein Bruder öffnet die Fenster des Abteils. Der Fahrtwind rauscht mit ohrenbetäubenden Lärm über unsere Köpfe. Finnick beugt sich zu mir. Ich kann ihn fast nicht verstehen und muss mehr lippenlesen, als zuhören.
"Alyssa, es gibt eine Rebellion", fängt Finnick an.
"Was?", ich bin mir sicher, dass Finnick das nicht ernst meinen kann.
"Lass mich ausreden. Wir haben nicht viel Zeit", unterbricht er mich und redet hastig weiter, "Der neue Oberste Spielemacher, Plutarch Heavensbee, ist der heimliche Anführer der Rebellion im Kapitol. Ich habe keine Ahnung wie viele sonst noch dabei sind. Es hat angefangen mit Katniss und Peeta und ihren Beeren. Die Distrikte deuten das als offene Auflehnung. Es ist einiges ins Rollen gekommen. Ein Kreis von Sieger unterstützt diese Rebellion. Im Jubeljubiläum sollen diese Sieger in der Arena dafür sorgen, dass Katniss und Peeta überleben. Sie sind der Schlüssel. Der Funke. Er darf nicht erlöschen. Ich sollte eigentlich dafür sorgen, dass jemand außerhalb der Spiele auf unserer Seite ist und Nachrichten an die Tribute schicken kann. Die Rebellen wollen die Arena zerstören und die Tribute retten. Das Brot ist der Schlüssel. Der Distrikt steht für den Tag und die Anzahl der Brote für die Stunde. Du musst diese Rolle jetzt überleben. Halte Katniss und Peeta am Leben. Haymitch Abernethy weiß auch Bescheid. Er oder Peeta werden mit Katniss in der Arena sein. Falls Peeta kein Tribut ist, musst du ein Auge auf ihn haben. Beschütze ihn-"
Ein Diener kommt ins Abteil gestürmt.
"Ich muss euch bitten, sofort dieses Abteil zu verlassen. Tribute sind hier nicht erlaubt! Dass wisst ihr", ruft er entrüstet.
Finnick grinst sein Kapitol-Grinsen, als ob wir nicht gerade über offene Rebellion gesprochen hätten.
"Wir wollten nur noch etwas heimatliche Luft schnuppern", sagt er und steht auf. Er reicht Mags die Hand und hilft ihr hoch. Ich folge ihnen.Ich bin geschockt. Das ist es also, weswegen Finnick die letzten Monate ständig am Telefon hing. Er plant eine Rebellion. Ein bisschen bin ich tatsächlich beleidigt. Wieso hat Finnick mir nicht schon viel früher davon erzählt. So etwas großes hätte wir zusammen machen sollen. Wir sind doch da, um uns zu beschützen.
Beim Abendessen kann ich keinen von beiden in die Augen sehen. Ich habe mich sofort dazu entschieden bei der Rebellion mitzuwirken. Durch das Kapitol habe ich zu viel Schlimmes erlebt. Natürlich will ich Gerechtigkeit. Und da Finnick mitten drin steckt, muss ich ihm helfen, sogut ich kann.
Aber ich kann nicht sagen, dass ich keine Angst habe. Jedes paar Augen wirkt plötzlich so, als sieht es in mir eine Rebellin. Jeder Augenkontakt zwischen Finnick und mir ist verräterisch.
Doch mir bleibt auf der restlichen Fahrt zum Kapitol keine Möglichkeit mehr, mit Finnick zu sprechen. Im Zug gibt es zu viele Ohren. Jetzt wird mir auch klar, warum Finnick mich im offenen Teil des Zuges zur Rede gestellt hat. Der Fahrtwind ist so laut gewesen, dass es mir schwer gefallen ist, ihn zu verstehen. Kein Mikrophon des Kapitols hätte unsere Worte einfangen können. Ich fühle mich aber nicht mehr sicher. Überall könnten Mikrophone oder Kameras versteckt sein. Ich kann nicht mehr mit Finnick über seine Bitte sprechen. Aber ich muss es wenigstens versuchen.
Nachdem wir uns die Zusammenfassung der Ernte angesehen haben, bleibe ich auf meinem Sofa sitzen. Die meisten der Mentoren verziehen sich auf ihre Zimmer. Finnick steht auf und gießt vom Serviertischchen zwei Gläser Wasser ein.
"Was hälst du von den anderen?", fragt er mit dem Rücken zu mir.
"Es sind sehr wenige dabei, die sich rein von ihren Fähigkeiten mit dir messen können", stelle ich sachlich fest, "Das Problem werden die ganzen alten Freundschaften sein. Aber ich glaube nicht, dass das die Meute abhält, wenn sie erst einmal in der Arena sind."
"Das glaube ich auch nicht", sagt Finnick trocken und reicht mir eins der Gläser.
"Danke", sage ich und Finnick setzt sich. Er sieht erschöpft aus. Mit dunklen Ringen unter den Augen und ganz roten Lippen, an den Stellen, wo er auf ihnen kaut. Er hat auch wieder angefangen an seinen Nägel zu kauen. Wenn andere dabei sind, reißt er sich immer zusammen, aber das Ergebniss lässt sich nur schlecht verbergen.
Ich lege ihm eine Hand auf den Arm.
"Wir schaffen das", sage ich beruhigend, "Ich werde als tun was möglich ist, okay? Alles. Auch das worum du mich gebeten hast."
Ich sehe ihn vielsagend an. Er nickt. Er hat verstanden.
"Unsere Turteltäubchen wären doch eigentlich ganz gute Verbündete, oder?", fragt er auf die kühle, humorvolle Art des Kapitol-Finnicks.
"Besser als 1 und 2 auf jeden Fall", emerwidere ich.
"1 und 2 vertraue ich nicht. 3 schon, 5 und 6 sind in Ordnung, aber ich traue ihnen nicht viel zu. 7 möchte ich auf jeden Fall im Team. Und dann... vielleicht noch 10 und 11. Aber mehr nicht." Finnick denkt eher laut, als dass er wirklich mit mir redet, deswegen lasse ich es unkommentiert.
"Pass gut auf Joanna auf", sage ich leise.
Finnicks Gesicht wird starr.
"Ich kann dir nichts versprechen."
Meine Brust ist wie zugeschnürrt. Mein Zeigefinger malt nervös die Linie meiner Narbe nach, die Hunters Klinge mir beigebracht hat.
"Ich weiß", sage ich noch leiser.
Ich lehne mich an Finnick und er legt einen Arm um mich. Ich fühle mich so wunderbar geborgen bei ihm. Eine Welt ohne Finnick kann für mich einfach nicht existieren.In dieser Nacht schlafe ich unruhig und als ich am nächsten Morgen in den Spiegel schaue, weiß ich direkt, dass mein Stylist meine Augenringe verfluchen wird.
Mir ist das egal.
Ich werde in Zukunft wichtigere Probleme haben, als der Zustand meines Gesichtes.
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Games of the Sea (Tribute von Panem ff)
FanficAls Alyssas Name bei der Ernte fällt, horcht ganz Panem auf. Finnick Odairs kleine Schwester wird in den Hungerspielen antreten! Das Kapitol ist begeistert, doch für Alyssa zählt nur der eine selbstsüchtige Gedanke, dass sie überleben will. Und so b...