Die Hauptstadt

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Am nächsten Morgen fahren wir im Kapitol ein. Mich überwältigt die schiere Größe der Stadt, die ich bisher immer nur im Fernseher gesehen habe. Die großen Hochhäuser fühlen sich so an, als würden sie mich bedrängen. Ich mache einige tiefe Atemzüge und drehe mich von dem Fenster des Zuges weg. Finnick steht in meiner Nähe. Er nickt mir aufmunternd zu. Ich versuche die letzten Minuten zu genießen, die nur mir gehören. In wenigen Augenblicken wird werde ich unter Beobachtung stehen. Vielleicht sogar für den Rest meines Lebens. Ich will die letzten Momente auskosten, in denen ich mich nicht verstellen muss.
Der Augenblick vergeht zu schnell. Finnick legt mir von hinten eine Hand auf die Schulter.
"Wir sind gleich da", sagt er leise, "Du wirst gleich Dinge sehen, die dir nicht gefallen werden. Auch von mir. Denk daran: Wie tun das alle nur um zu überleben und dem Kapitol zu gefallen."
Ich nicke und drücke Finnicks Hand auf meiner Schulter.
"Ich schaffe das", sage ich.
"Ich weiß", antwortet Finnick und lässt meine Hand los.
Ich sehe es in seinen Augen, wie er sich von dem echten Finnick distanziert und der Finnick wird, den das Kapitol in ihm sieht. Die Veränderung geht schnell. Jetzt ist sein Blick hochmütig, für manchr auch verführerisch. Ich finde ihn kalt. Mein Finnick hat ein Strahlen in den Augen, das dieser Finnick vollkommen verloren hat.
"Sei auf alles vorbereitet", sagt er.
Ich nicke, dann gehen wir zur Tür.

Clyde und die anderen Mentoren versammeln sich mit uns an der großen Flügeltür, die sich surrender öffnet, als der Zug im Bahnhof unter dem Trainingscenter anhält.
Uns empfängt ein Blitzlichtgewitter der Kameras und die Leutr klatschen und jubbeln. Clyde und ich verlassen den Wagen als erste und wir werden von Friedenswächtern direkt zu einem Aufzug geführt. Ich lächele den Leuten zu und winke begeistert. Ich höre, wie mein Namen gerufen wird und drehe mich zu ihnen um, winke und verbeuge mich. Ich lächele breit in die Kamera und komme mir dabei doch sehr albern vor, aber die Menge liebt es. Irgendwann zieht mich ein Friedenswächter sehr bestimmt zum Fahrstuhl, doch ich sehe das er selbst ein begeistertes Lächeln nicht zurückhalten kann.
"Deine Zeit zu strahlen ist heute Abend", sagt der Friedenswächter leise.
"Ich kann einfach nichts dagegen tun", flüstere ich zurück und schaue ihn tief in die Augen. Es hat die gewünschte Wirkung, denn der Friedenswächter sieht schnell weg und geleitet mich dann zum Fahrstuhl, eine Hand auf meinem Rücken. Als ich mich im Aufzug umdrehe, um der Menge ein letztes Mal entgegen zu lächeln, sehe ich Finnick, der den Friedenswächter einen mörderischen Blick zuwirft.

Ich treffe mein Vorbereitungsteam in einem Salon: Drei Leute, zwei Männer und eine Frau. Die Frau, Pax, mit violetten Haaren und gelben Augen entfernt mir sämtliche Haare an meinem Körper und reibt mich dann mit merkwürdigen Tinkturen ein, bis meine Haut kribbelt.
Der Mann mit feurigen orange-gelben Haaren und dunkelvioletter Haut, auf der der Sternenhimmel silbern leuchtend tätowiert ist, heißt Darien. Er schneidet und stylt meine Haare und geht danach dazu über, mein Gesicht zu schminken. Währenddessen plappert er darüber, wie wundervoll symmetrisch meine Knochenstruktur ist. Der letzte Mann heißt Valoon. Er hat kein einziges Haar auf seinem Kopf, sondern wilde Tätowierung quer über seinen Schädel. Er hält meine Hände in seinen Fingern, die in sieben Zentimeter langen Nägeln enden, die eher wie Klauen aussehen und manikürt meine Hände und pedikürt meine Zehen.
Die ganze Prozedur dauert über zwei Stunden und ich bemühe mich in dieser Zeit, an den Gesprächen meines Teams teilzuhaben. Sie plappern unablässig im Dialket des Kapitols über die sinnlosesten Sachen, die ich mit vorstellen kann, aber mein Plan ist es, das Kapitol von mir zu überzeugen und sie auf meine Seite zu bringen. Wenn mein Vorbereitungsteam anfängt mich zu mögen und draußen erzählen, dass ich freundlich und nett bin und am Kapitol interessiert bin und nur ein paar ihnen zuhören, steigert das meine Chancen bereits.

Als sie mit mir fertig sind, betritt meine Stylistin den Raum. Sie ist groß und dünn und schön, doch ich kann nicht mit Sicherheit sagen, wie sie aussieht, weil ihr Gesicht unter Tonnen von Makeup versteckt ist. Sie stellt sich mir als Brooke Oaklin vor und kleidet mich in fließende blaue Stoffe, die mehr von mir preisgeben, als sie verdecken. Anscheinend beziehen sich die diesjährigen Kostüme auf die Meeresfrüchte, die Distrikt 4 ans Kapitol liefert, denn ich trage einen Gürtel, von denen kleine silberne Hummer und Schnecken und Muscheln an Ketten hängen und klimpern, wenn ich mich bewege. An meinen Armen und an meinem Hals hängen enge Perlenketten mit Muschelschalen dazwischen. Mein komplettes Kostüm ist in hellen Blau- und Türkistönen gehalten, die an das seichte Meer in der Sonne erinnern.
Brooke dreht mich vor den Spiegel und fragt mich, wie mir das Kostüm gefällt.
Ich betrachte die beiden Stücke durchsichtigen Stoffes, die über meine Schultern und meine Brüste gelegt sind. An der Hüfte werden sie von dem Meeresfrüchtegürtel zusammengehalten und fallen dann in einer Schärpe zwischen meinen Beinen nach unten. Technisch gesehen bin ich nicht nackt, aber viel mehr kann man von mir nicht preisgeben.
Das Kostüm tut seinen Zweck. Ich sage Brooke, dass es mir gut gefällt.
Sie ist begeistert und bringt mich dann zum Fahrstuhl, wo wir auf alle anderen Tribute treffen, die in die wildesten Kostüme gekleidet sind.
Clyde ist schon an unserem Wagen, der von zwei großen, schwarzen Pferden gezogen wird. Mein Mittribut soll wohl irgendeine Art Meeresgott darstellen. Um seine Hüfte schlingt sich eine hellblaue Tunika und quer über seine Brust ist ein voller Gürtel aus Meerestieren platziert und auf seinem Kopf thront eine Art Krone aus Seegras. Wenn Clyde groß und muskulös wäre, hätte es gut ausgesehen, aber da er einen eher drahtigen Körper hat wirkt es eher albern.
Die anderen Tribute sehen in ihren Kostümen ebenfalls lächerlich aus, wenn man sie aus der Nähe sieht. Im Fernseher hat es immer eindrucksvoller gewirkt.

Die Stylisten platzieren uns auf dem Wagen und begutachten uns von allen Seiten, bis sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind.
Mir bleibt nicht mal mehr Zeit, aufgeregt zu sein, denn schon ertönt das Signal und der erste Wagen fährt aus der Halle auf die Straße nach draußen.

Games of the Sea (Tribute von Panem ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt