Games of the Sea (Tribute von Panem ff)

Niemand gewinnt die Spiele

Seneca Crane ist weder der Einzige, noch der Letzte. Irgendwann werden Nächte mit fremden, leidenschaftlichen Männern und manchmal auch Frauen zur Routine. Jedes Mal, wenn ich in den folgenden Jahren ins Kapitol geladen werde, ist es jemand anderes. Außer Seneca. Er bezahlt mich jedes Mal wieder für meine Gesellschaft. Er beschenkt mich mit Schmuck und teuren Geschenke, doch er bezahlt mich mit Geheimnissen.
Im Laufe der Jahre sammeln Finnick und ich so viele Geheimnisse an, dass wir mit Sicherheit die am besten informierten Personen in ganz Panem sind.
Aber es sind nicht immer Geheimnissen, mit denen sie bezahlen.

Im nächsten Jahr fahre ich als Mentorin wieder ins Kapitol. Die diesjährigen Tribute sind beides Freiwillige, die schon jahrelang für die Spiele trainiert haben. Ich kann ihre Entscheidung, die Spiele freiwillig mitzumachen, nicht verstehen, doch unterstütze ich sie so gut ich kann. Wir bereiten die Tribute auf die Interviews vor und arbeiten mit jedem eine individuelle Strategie aus, basierend auf ihren Stärken und Schwächen.
Als die Spiele beginnen, werden wir in das Hauptquartier der Spielemacher umquartiert, um den besten Ausgangspunkt für unsere Aufgabe zu haben. Ich flirte reihenweise mit Sponsoren um ihnen etwas Geld für meine Tribute aus der Tasche zu ziehen und schlafe mit Seneca Crane für Informationen über die diesjährige Arena. Er will mir erst nichts sagen, doch nachdem ich für ihn die Beine breit gemacht habe, strömen die Fakten über die Arena nur so aus ihm heraus. Ich bin nicht überrascht, als die Arena enthüllt wird und sie aus Dornensträuchern und trockenem Sandbodem besteht. Für die Tribute aus dem Fischereidistrikt keine gute Ausgangssituation. Beide sind dem Tod geweiht. Der Junge aus Distrikt 1 gewinnt die Spiele. Ich stehe vor den großen Bildschirmen im Mentorenflügel des Hauptquartiers und kaue auf meiner Unterlippe. Der Junge erinnert mich unangenehm an Hunter.

Während den 72. Hungerspielen lerne ich Johanna Mason kennen. Finnick stellt sie mir als eine Freundin vor. Ich kenne sie nur aus dem Fernsehen, doch sie nimmt mich direkt in die Arme und fängt an über Belangloses zu plappern. Ich mag Johanna sofort. Als unsere Tribute alle tot sind, sehen wir uns zu dritt die restlichen Spiele in unseren Quartieren an und diskutieren die Motive und Aktionen der Tribute.
Ich kann mit Johanna über alles reden. Ich habe zwar keine Geheimnisse vor Finnick, doch es gibt bestimmte Dinge, die bespricht man besser mit anderen Frauen. Nach meinem ersten Jahr als Mentorin ist Johanna meine beste Freundin.

Im nächsten Jahr wiederholt sich der Kreis wieder. Tribute werden ausgewählt, wir fahren uns Kapitol, ich tue alles, um die Tribute am Leben zu halten, die Tribute sterben, wir fahren wieder nach Hause. Diesesmal gewinnt der Junge aus Distrikt 2.
Mir graut es davor, jedes Jahr in einer unendlichen Wiederholung die Hungerspiele erleben zu müssen, als die 74. Hungerspiele alles verändern. Und sie beginnen mit einem kleinen Zettel auf dem der Name "Primrose Everdeen" steht.

Wir beobachten bei der Wiederholung der Ernte im Zug auf dem Weg ins Kapitol, wie die kleine, zarte Primrose Everdeen auf die Bühne zugeht, von einem älteren Mädchen eingeholt und hinter sich versteckt wird. Als Katniss Everdeen sich freiwillig für ihre Schwester meldet, werfen Finnick und ich uns wissende Blicke zu. Dieses Mädchen hat Siegerpotenial. Die 74. Hungerspiele sollten spannend werden.
Es beginnt bereits am ersten Abend, als Katniss und ihr Mittribut Peeta Mellark als flammendes Inferno die Prachtstraße des Kapitols entlangfahren. Ich schäme mich etwas für unseren diesjährigen Stylisten. Brooke hat Distrikt 4 für Distrikt 2 verlassen. Ihre Tribute fahren in eleganten, goldenen Kostümen die Straße entlang, während unsere wie blau-rosa Fische verkleidet sind. Was denkt sich dieser Stylist eigentlich? Immerhin schneidert immernoch Brooke meine Kostüme und nicht dieser neue Möchtegern-Designer.
Die Zuschauer verfallen Katniss sofort und als Peeta im Interview mit Caesar erwähnt, dass er in sie verliebt ist, ist das Publikum nicht mehr zu halten. Das tragische Liebespaar aus Distrikt 12 ist in aller Munde.
Katniss ist eine Kämpferin, das merke ich im ersten Augenblick. Klar wird es mir, als Seneca mir von dem abgeschossenen Apfel während Katniss' Einzeltraining erzählt. Das Mädchen ist also einr begabte Bogenschützin. Dafür fehlt es ihr fast gänzlich an Bühnenpräsenz. Ich sehe ihr an, wie unsicher sie vor der Kamera ist und wie grob und harsch sie sein kann.
Peeta ist ihr volles Gegenteil. Er ist charmant und wortgewandt, wirkt jedoch so als könne er keiner Fliege etwas zuleide tun.
Ich bin sehr gespannt wohin sich das Blatt noch wenden wird.

Mit Johanna sehe ich mir die Spiele an. Unser besonderes Augenmerk gilt hierbei Katniss. Ein so starkes Tribut aus Distrikt 12 zieht einfach die Aufmerksamkeit auf sich. Was sie den Karrieretributen vorweghat ist, dass sie mit Entbehrungen leben kann. Die Karrieros verlassen sich auf den Proviant aus dem Füllhorn. Als Katniss diesen zerstört, nagen sie am Hungertuch.
Der Tod der kleinen Rue ist herzzerreißend, doch als Katniss mit einem Strauß Blumen auf die Leiche zugeht, schaltet die Übertragung plötzlich ab und Claudius Tempelsmith erscheint auf dem Bildschirm und verkündet eine Sondersitzung der Spielemacher, die eine Regeländerung beratschlagen. Sie schalten wieder zurück in die Arena, wo der Körper von Rue von einem Hovercraft abgeholt wird. Sie ist mit wilden Blumen geschmückt.
Heute weiß ich, dass das der Wendepunkt war.
Seneca bestellt mich ab diesem Moment jeden Abend zu sich. Er wirkt weggetreten und geistig Abwesend. Während dem Sex ist er gröber und brutaler als sonst. Er baut seinen Frust an mir ab. Die Spiele bereiten ihm ernsthafte Probleme.
Am nächsten Tag wird die Regelneuerung preisgegeben, laut der zwei Tribute des gleichen Distrikts gewinnen können. Ich habe die dunkle Vorahnung, dass etwas an der Sache nicht stimmt. Katniss und Peeta kämpfen sich gemeinsam durch die Arena und stehen am Ende als die letzten beiden Tribute in der Arena. Dann kommt der Beerentrick.
"Jetzt sind sie tot", murmelt Johanna, als wir beobachten, wie Katniss und Peeta zu Siegern ernannt werden.
An diesem Abend ist Seneca brutal. Er benutzt mich, bis mir fast schwarz vor Augen wird. Immer und immer wieder. Er murmelt etwas davon, dass er bald tot sein wird.
Am nächsten Morgen wird Seneca Crane von Präsident Snow vorgeladen.
Ich sehe ihn nie wieder.

Ich hoffe, dass das Ende jener furchtbaren Beziehung eine besser Zeit für uns einleutet, doch es soll alles ganz anders kommen.