Nächtliche Begegnung

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Ungeduldig schaute ich zur Uhr. Nicht mehr allzulange. Das Blech mit den Rohlingen schob ich zum gehen in das Fach unter den Backofen. Alles war für morgen vorbereitet, die Küche war sauber, mussten nur noch die letzten Gäste die biege machen. Das Nachrichten Signal meines Handys ließ mich aufmerksam werden. Mit der Hand, die nicht voll mit Mehl war zog ich es aus meiner Hosentasche.
Hanna hatte mehrere Nachrichten geschrieben und mir fiel alles aus dem Gesicht, als mir einfiel, dass sie morgen vorbei kommen würde. Ich jammerte auf und ließ das Handy auf die Arbeitsplatte sinken. Die Flügeltür zur Küche schlug auf und Lars schaute mich erschrocken an.
,,Was ist passiert ?"
,,Nichts, mir geht's gut."
,,Du hast gejault als hätte man dir den Finger abgehackt." Immernoch stand er mit großen Augen vor mir.
,,Ich bin einfach unglaublich dämlich und überhaupt nicht mehr mit meinem Leben verankert." Striff ich mir die losen Strähnen aus der Stirn, die aus dem Dutt gerutscht waren.
,,Hanna kommt morgen zu mir. Was bedeutet dass ich gleich auch noch zum Späti muss, morgen schaff ich das nicht. Die Arbeit frisst uns auf Lars, wir brauchen zuverlässige Mitarbeiter. Wir stehen seit Wochen alleine hier."

Er ließ die Schultern sinken und schaute mich mitleidend an.
,,Ich weiß.. aber Mona ist bald zurück aus der Reha und Marc.. ich werd mal mit Cordula sprechen. Entweder er kommt regelmäßig oder er bleibt ganz zuhause." Dann lief er auch mich zu und griff meine Hand. Ich schnaubte Luft aus meiner Nase. Ich war ausgelaugt, hatte höllische Schmerzen im Arm und ich war schon wieder hungrig.
,,Geh nachhause Marlie. Es ist nicht mehr viel. Das schaff ich alleine." Sofort schüttelte ich den Kopf.
,,Nein das kann ich nicht machen. Ich helf dir noch." Doch Lars ließ sich nicht bequatschen. Er schüttelte den Kopf, wiederholte sich und griff meine Tasche.
,,Du musst noch einkaufen. Bis du zuhause bist.. wann willst du da noch schlafen ?" Sanft schob er mich mit Sack und Pack zum Hinterausgang.
,,Morgen sehen wir uns in aller frische."
,,Du bist echt der beste Lars!" Kurz drückte ich ihn an mich und schulterte meine Tasche nochmal.
,,Ach Marlie, warte mal."
Rief er mir nach als ich den Türknauf schon in der Hand hatte.
,,Das soll ich dir geben."
,,Was ist das ? Und von wem ?" Lars hob die Schultern.
,,Männlich, dunkles Haar, nicht besonders groß, freundliche Ausstrahlung. Er hat mir das in die Hand gedrückt und gesagt, das sei für das verletzte Mädchen."
Ich musste lachen als ich die Tüte öffnete und hineinschaute. Voltaren, Pflaster, Verbände und Gummibärchen.
,,So ein Spinner." Schmunzelte ich und schüttelte den Kopf.
,,Danke Lars. Du rettest mir echt den Hintern."
,,Immer wieder meine Liebe. Komm gut nachhause."

Die U-Bahn grollte unter meinen Füßen als ich mit meinen Einkäufen den Weg zur nächsten Station lief. Es war bereits weit nach ein Uhr und es war stockfinster. Immer wieder schlichen dunkle Silhouetten an mir vorbei. Der Geruch von Graphitstaub stieg mir in die Nase, als ich die Stufen zur Bahn hinunter stieg. Die kaltweiße Beleuchtung ließ alles so trostlos wirken. Um diese Zeit waren nicht mehr viele Leute unterwegs und die, die es waren hatten monotone Gesichtszüge und sahen genauso müde aus wie ich. Mit meinen Einkaufstaschen ließ ich mich auf einen der blauen Sitze sinken und lehnte den Kopf an die kühle Fensterscheibe. Rau setzte die Bahn sich in Bewegung und fuhr mich drei Stationen weiter fast bis vor meine Haustür. Hastig lief ich die letzten Meter bis ich schließlich die schwere Haustür aufdrückte. Die Anstrengung des Tages fiel förmlich von mir ab. Ich freute mich auf eine heiße Dusche und auf mein gemütliches Bett. Ich drückte mit dem unversehrten Ellenbogen auf den Lichtschalter, der den Flur in mattes Licht hüllte, dann eilte ich die Treppen hoch und lief schnellen Schrittes den engen Flur entlang und fummelte währenddessen meinen Schlüssel aus der Tasche. Plötzlich spürte ich, wie ich heftig zur Seite gestoßen wurde, erschrocken quietschte ich auf und die Tüte mit den Einkäufen glitt aus meinen Armen. Man konnte deutlich hören, wie die Eier zermatschten.
,,Oh shit, I'm Sorry."
Nachdem ich mir das Dilemma angeschaut hatte, dass mir zu Füßen lag, hätte ich heulen können. Sein Kopf war von einer Kapuze bedeckt, der Kragen des Pullovers hochgeschlagen als wollte er in den Skiurlaub fahren. Er sammelte den Einkauf ein und als er sich wieder aufstellte und ich einen Blick in sein vermummtes Gesicht erspähen konnte, erlosch das Flurlicht mit einem leisen klicken.
,,Mist." Platzte es laut aus mir herraus, so dass es durch den Flur echote.
Ich konnte kaum die Hand vor Augen sehen, dann vernahm ich Schritte und der Flur war wieder lichtdurchflutet. Immernoch hielt er das Toast und den Orangensaft im Arm, dann drehte er sich zu mir und blieb abrupt stehen.
,,Du ?" Fragte er so erschrocken, dass mir plötzlich die Haare zu Berge standen, dann löste er die Kapuze und ich verstand.
,,Wie.. wo kommst du schon wieder her ?!"
Er stellte das Toast und den Orangensaft auf die Treppenstufen die ins nächste Stockwerk führten.
,,Ich wohne hier. Du etwa auch ?"
Ich konnte das gespielte Lachen kaum zurückhalten.
,,Das wäre mir aufgefallen wenn du hier wohnen würdest. Ist das deine Strategie ? Leute umrempeln und dann verfolgen ?"
,,Ich bin vorgestern erst eingezogen. Außerdem hast du mich ebenfalls übersehen und ich könnte genauso denken, dass du mich verfolgst."
Zwinkerte er und lief auf mich zu. Vorsichtig setzte ich einen Schritt zurück. Er hob die Hände als wolle er beweisen dass er unschuldig sei.
,,Merkwürdiger Zufall, ich bin auch überrascht." Sagte er ruhig.
,,Hab ich dir wehgetan ?"
Ich verneinte und betrachtete die Tüte, aus der die rohe Eiermasse heraussuppte.
,,Warum siehst du so gruselig aus. Willst du eine Bank überfallen ?" Fragte ich ihn schließlich und versuchte die Einkäufe zu retten.
,,Darf ich dir helfen ?"
Ich nickte seine Frage nur kurz ab und er hockte sich zu mir.
,,Ich wollte dich nicht erschrecken. Mein Freund wollte mich mit dem Bike abholen und wir wollten einfach ein bisschen unterwegs. Auf dem Motorrad ist es kalt, darum Kapuze und Kragenpullover. Ich hab nicht damit gerechnet dass ich um diese Uhrzeit noch jemanden antreffe und schon gar nicht dich." Lachte er schließlich leise und suchte meinen Blick. Kurz hielt ich inne und erwiderte sein Lächeln.
,,Verrücktes leben. Sowas kann doch kein Zufall sein."
,,Wer weiß." Sagte er und stand auf um mir die Tüte zu reichen.
,,Wie heißt du eigentlich ? Ich denke jetzt, da wir offiziell Nachbarn sind und uns schon mehrfach über den Haufen gerannt haben ist es okay das zu fragen oder ?" Schaute ich ihn an und reichte ihm meine Hand. Sofort ergriff er sie.
,,Ich bin Michael."
,,Marlie."
Er wandte sich um und schaute auf das Klingelschild an der Tür.
,,Marlie Steiner ?"
Ich nickte und sammelte auch den Osaft und das Toastbrot ein.
,,Dann wohnen wir auch noch Tür an Tür." Deutete er auf den nächsten Wohnungseingang.
,,Nie im Leben! Dann hast du heute morgen deine Wände eingerissen ?"
Er lachte auf und striff sich durchs zottelige Haar.
,,Wände eingerissen ? Ich hab meine Küche aufgebaut."
,,Ganz schön laute Küche hast du da."
Amüsiert schüttelte er den Kopf.
,,Soll ich noch was tragen helfen ?"
,,Nein, das geht schon danke. Und ab jetzt passt du auf, wen du umrennst." Lachte ich und schob den Schlüssel in die Tür.
,,Ich schau mal ob ich jemanden finde. Wird sicher schwer." Scherzte er.
,,Ich wünsch dir einen schönen Feierabend Marlie." Lächelte er dann sanft und lief Richtung Ausgang.

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