♡
Mit einem Kaffee zwischen meinen Händen saß ich an einem der Tische im Cafè.
Es war mal wieder weit nach zwanzig Uhr als wir endlich die Tür abgeschlossen hatten und Mona die Küche ein letztes Mal durchgefegt hatte. Lars war in seinem Smartphone vertieft und Mona schrieb mit Kreide die Angebote für morgen an die große Wandtafel.
Ich pustete mir eine Strähne aus dem Gesicht und lehnte mich im Stuhl zurück, dann endlich hörte man das Klimpern ihres überladenen Schlüsselbunds. Cordula staß die Flügeltür auf und betrat lächelnd den Gastraum. Ihre faltrige Haut war gebräunt, denn im Gegensatz zu uns hatte sie die ausreichende Zeit um sich in einen Flieger zu setzen, um dann mit Cocktails am Strand zu liegen. Ihr kurzes, graues Haar war gestylt, die rote Hornbrille passte perfekt zu dem knallroten Lippenstift, der ihre schmale Oberlippe etwas hervorhob.
,,Drei müde Gesichter."
Kam sie auf Absatzschuhen zu uns herüber und stellte die schwarze Chanel Handtasche auf den Tisch. Lars stand auf und zog ihr einen Stuhl zurück, worauf sie sich auch sofort setzte und dankend nickte.
,,Also, ich hab mir ein paar Wochen die Sonne auf den Bauch scheinen lassen und dabei hab ich mir viele Gedanken gemacht." Begann sie zu sprechen.
,,Auf diese Personalsache werde ich nicht eingehen, ihr seit alle dabei und kennt die Situation."
,,Also gibt es immer noch nichts neues ? Will denn keiner mehr arbeiten ?"
Fragte Lars und schüttelte den Kopf. Cordula schenkte ihm ein mitleidendes Lächeln.
,,Die Gastronomie ist ein hartes Pflaster. Die meisten jungen Leute gehen studieren und haben keine Lust auf diese Branche. Überall fehlen Mitarbeiter, wir sind nicht die einzigen."
Mona ächtzte auf.
,,Siehe Marc."
,,Ja, genau. Haben Sie mit ihm sprechen können ?"
Cordula nickte und begann mit ihrem lackierten Fingernagel auf die Tischplatte zu Klopfen.
,,Ich kann ihn nicht kündigen. Dafür gibt es keinen Grund. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er auf zwanzig Stunden runter geht. Ab nächste Woche ist er also wieder fest geplant."
Ich richtete mich auf und räusperte mich vorsichtig.
,,Also, das ist ja schön und gut aber wir brauchen zuverlässige Vollzeitkräfte. Die Überstunden, die uns die letzten Wochen entstanden sind, können wir niemals durch Freizeitausgleich begleichen, dafür müssten wir den Laden schließen."
Mona nickte meine Aussage ab, Cordula griff zu ihrer Handtasche und zog den magnetischen Verschluss auf.
,,Mir ist sehr bewusst, wieviel Sie die letzten Wochen geleistet haben."
Sagte sie und zog Umschläge aus dem Inneren der Tasche.
,,Ich möchte Sie alle entlasten und habe über eine abänderung der Öffnungszeiten nachgedacht." Lars atmete auf und begann zu strahlen. Das klang wie ein Geschenk.
,,Der Herbst kommt. Niemanden treibt es da morgens um sieben in die Stadt. Saisonbedingt öffnen wir ab nächste Woche daher erst um neun und schließen auch eine Stunde eher. Bis zum nächsten Sommer wird sich eine Lösung finden und bis dahin wird meine Tochter hier eingearbeitet sein."
,,Das klingt gut!"
Sagten Mona und ich fast gleichzeitig.,,Ich möchte Sie als Mitarbeiter nicht missen. Aber ich bewege mich auf die siebzig zu." Schnaubte sie fast ungläubig auf.
,,Mein Tochter Carina wird dann in Zukunft die Leitung übernehmen, nachdem Sie sie eingearbeitet haben."
Legte sie dann die Umschläge auf den Tisch und schob jedem von uns einen zu.
,,Ich werde mich im Hintergrund zur Ruhe setzen und das hier ist für Sie. Ein Zeichen meiner Dankbarkeit, für Ihre Treue und Ihr Durchhaltevermögen. Es waren harte Zeiten dabei aber auf Sie war stets verlass." Richtete Cordula sich vorallem an Lars, der dieses Cafè von der Wiege und vermutlich bis zur Barre begleitete und nun über dreißig Jahre im Barkleys arbeitete. Er legte den Kopf gerührt zur Seite und faltete die Hände vor seiner Brust.
,,Ich hoffe, dass Sie auch unter der Leitung meiner Tochter so tapfer bleiben." Zwinkerte sie und legte ihre Hand auf seinen Unterarm. Zwischen Lars und Cordula herrschte schon immer ein fast familiäres Verhältnis. Wenn man ignorierte, dass sie sich siezten, sahen sie aus wie Mutter und Sohn.
Der Gedanke, dass Cordula nicht länger unsere Ansprechpartnerin sein würde, ließ sich nur schwer in meinem Kopf verpflanzen. Sie hatte das Herz am rechten Fleck und trotzdem genug strenge um die Mannschaft an Bord zu halten.Lars schlüpfte in seine Jacke und hielt den Umschlag in seiner Hand.
Auf die Frage, die ihm ins Gesicht geschrieben war hatte ich keine Antwort, ich zuckte mit den Schultern. Vorsichtig knibbelte er also das verklebte Ende auf und öffnete den Umschlag. Sein Blick fiel sofort völlig entgeistert zu mir. Mit geöffnetem Mund zog er mehrere bunte Euroscheine heraus und hielt sie mir vors Gesicht. Ich schluckte, dass war eine ganze Menge Geld.
,,Das sind mindestens zweitausend Kröten!" Staß er aus. Monas Kopf streckte sich aus der Flügeltür.
,,Es sind genau 3500." Strahlte sie über beide Ohren. Das waren mehr als zwei volle Monatsgehälter.
,,Ist das Legal ? So unter der Hand ?" War die einzige Sorge, die sich mir sofort auftat. Lars verzog gleichgültig die Mundwinkel.
,,Weiß doch keiner." Ich nickte seine Aussage ab.
,,Man Marlie, freu dich doch!"
,,Ich freu mich, wirklich! Ich überlege nur, was ich damit anstellen soll."
Begann ich zu lächeln. Lars legte seinen Arm um meine Schulter.
,,Ihr Frauen habt da echt genug Möglichkeiten. Ikea, sämtliche Drogeriemärkte, Friseur, Wellness." Mona kam Aufbruchbereit aus der Küche und lehnte sich an den Thresen.
,,Oder du lädst den hübschen Mann auf ein tolles Essen ein."
,,Ohja! Stimmt, das ist völlig untergegangen. Ich wollte dich eigentlich noch ein wenig über ihn ausquetschen." Lachte er auf.
,,Hört auf damit." Verdeckte ich mein Gesicht mit meinen Händen und kicherte hinein.
,,Marlie ist verliebt." Flötete Mona und formte mit den Fingern ein Herz vor ihrer Brust.
,,Ich weiß noch gar nicht wie ich damit umgehen soll." Gab ich zu und setzte mich auf einen der Hocker.
,,Ich hab mich so sehr damit abgefunden alleine zu sein, dass mich die ganze Situation mit ihm vollkommen umgeworfen hat. Ich kann an nichts anderes mehr denken und hab furchtbare Angst, dass das ganze schneller vorbei sein könnte als mir lieb ist."
Lars lachte leise auf.
,,Du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass das normal ist. Ich hab nach so vielen Jahren Ehe noch Angst, dass Melanie mich vor die Tür setzt, weil sie mich nicht mehr erträgt. Das bedeutet aber am Ende auch nur, dass man den andere nicht als selbstverständlich ansieht. Eine Beziehung bedeutet Arbeit, für beide Seiten."
Ich ließ den Kopf auf die kalte, marmorierte Theke sinken und atmete durch. Meine letzte Beziehung nahm ein unschönes aber bitternötiges Ende. Alex und ich lebten nicht mehr miteinander, eher nebeneinander und noch viel mehr aneinander vorbei. Die Luft war nach über zehn Jahren raus. Ich habs immer gemocht, wie er heimlich nach mir schielte, doch irgendwann sahen wir beide nicht mehr hin. Ich hatte geglaubt ihn zu heiraten, eine Familie zu gründen, doch in den vielen Jahren passierte nichts. Meine Mutter hatte ihn schon am ersten Tag Schwiegersöhnchen genannt aber dazu sollte es niemals kommen. Er wollte nicht heiraten, keine Kinder, nur mich für sich. Was sich hinter verschlossener Tür abspielte, ahnte niemand. Nicht mal ich, erst Jahre später wurde mir bewusst wie sehr er mich manipulierte und für sich einnahm. Erst nachdem er sich an mir satt getrunken hatte und mich den Hunden zum Fraß vorwarf, ich einen neuen Job angefangen hatte und weiter wegzog, Abstand zwischen mir und diesem Kapitel brachte, wurde mir durch den Geschichten von Lars und seiner Melanie bewusst, dass in meiner Beziehung etwas ganz und gar nicht okay war. Ich hatte nie einen Führerschein gemacht, seine Angst begründete er immer damit, dass mir etwas zustoßen könnte, was er nicht verkraften würde. Ich versank in seinem süßen Wein und den Lügen die er mir immer wieder auftischte.
Außer meiner damaligen Arbeitskollegen, Hanna und meiner Mutter hatte ich keine Kontakte. Das brauchte ich auch nicht, ich hatte ja ihn. Nichtmal einkaufen musste ich, auch das nahm er mir ab, wollte mich auf Händen tragen. Alex, der mir alles gab und doch alles genommen hatte.Es dauerte lange, bis ich wieder lernte, mein Leben zu ordnen und ob man es glauben würde oder nicht, die normalsten Dinge wie Einkaufen und Telefonate führen waren lange eine riesige Bürde für mich. Es hatte gedauert, bis ich verstand, dass er mir einfach meine Selbstständigkeit genommen und mich zu seinem Eigentum herangezüchtet hatte.
Ich trauerte dem nicht nach, war nicht traumatisiert oder verglich jedes Männliche Geschöpf mit meiner Vergangenheit. Es war eher die grundlegende Angst, ob ich jemandem nach so langer Zeit allein gerecht werden konnte.
,,Was wenn ich ihn enttäusche ?"
,,Also so wie er dich angesehen hat, passiert das denke ich nicht so schnell." Bemerkte Mona und löste wie immer den Zopfgummi aus dem Haar. Das lange blonde Haar fiel ihr über die Schulter. Einen kurzen Moment massierte sie ihre Kopfhaut und schloss entspannt die Augen.
,,Um was du dir Gedanken machst. Lern ihn erst mal besser kennen, ihr werdet herausfinden müssen was passt und was nicht."Ich murmelte nur etwas unverständliches, dann hob ich den Kopf und schaute zwischen Lars und Mona hin und her.
,,Meint ihr, ich könnte morgen Vormittag frei machen ?" Dieser Gedanke waberte schon seit der Mittagspause durch meinen Kopf. Getraut zu fragen, hatte ich mich bisher aber nicht.
,,Hast du Termine ?" Fragte Lars neugierig, ich schüttelte den Kopf.
,,Nicht direkt."♡
DU LIEST GERADE
꧁𝒮𝓉𝓊𝓇𝓏 𝒾𝓃𝓈 𝒢𝓁ü𝒸𝓀꧂
FanfictionEinfach mal was schönes! Nachrichten die durch Mark und Bein gehen, Krieg, Unglück, überall traurige Gesichter. Mein Newsticker überbringt mir nur noch selten schöne Ereignisse. Ich bin aus meinem Alltag geflüchtet, hinein in diese Geschichte. Ei...