Tiefen

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,,Das kann nicht wahr sein!" Keifte ich und schaute an mir herunter. Sogar in meinem Gesicht klebte Sahne. Sie wollte einfach nicht steif werden, also beschloss ich eine weitere Portion Sahnefest in die Schüssel zu geben und griff mit einer Hand nach dem Löffel. Aus der anderen rutschte mir der Mixer, Sahne schoss unkontrolliert durch die Gegend und die routierenden Stäbe beförderten die Schüssel schließlich auf den Fußboden. Mir dröhnte der Schädel, nicht nur vom Alkohol. Auch vom Schlafmangel. Ich hatte kein Auge zu bekommen.
Die Stille die einkehrte, nachdem die dröhnende Musik von nebenan verstummte, lag mir schwer in den Ohren. Als ich zur Uhr schaute war es weit nach Mitternacht und ich begann die Stunden zu zählen, bis der Wecker mich erbarmungslos in den Tag riss. Dieses Wechselspiel von Nähe und Distanz, dass er ohne zu zögern immer wieder mit mir spielte, brachte mich an meine Grenze.
Es war aufregend und im selben Moment zutiefst kränkend, wenn er mich im letzten Augenblick immer wieder zurück wies. Ich war verunsichert und doch voller Erwartung. Jedes Mal hoffte ich auf das Feuerwerk, auf den Funken, der uns beide in Brand setzte. Die Lunte brannte, die Spannung stieg und dann erlosch die Flamme. Die Rakete zündete nicht. Trotzdem war die Wärme die dabei enstand immer genug um mich vor ihm zerfliesen zu lassen.

Ächtzend ließ ich mich in die Hocke sinken und wischte die Sahne auf.
Mona schob sich mit dreckigem Geschirr in die Küche und schaute entgeistert zu mir herunter.
,,Ups." Sagte sie lediglich und stellte das Tablett auf die Spüle. Sie hatte schon heute morgen bemerkt, dass ich nicht gut drauf war. Die Augenringe sprachen Bände. Mein Gesichtsausdruck prophezeite den Weltuntergang, wenn jemand etwas falsches sagen würde.
,,Kann ich gleich in den Service gehen ?" Murmelte ich gereizt und band die Schürze ab. Mona nickte zustimmend.
,,Klar gerne."

Ich war genervt. Von mir, von dieser dämlichen Glocke über der Tür, die immer leise läutete sobald jemand hereinkam oder herrausging. Von der gesamten Situation und von dem aufdringlichen Gast, der an der Theke lehnte und mich voll quatschte.
,,Wie lange bist du denn noch hier ?" Fragte er das dritte mal und zupfte sich den Kinnbart zurecht. Er war überzeugt von sich und seinem guten aussehen und davon, dass jeder andere das auch über ihn behaupten würde.
,,Lange." Entgegnete ich ihm schließlich frech und lächelte ihn gespielt freundlich an.
,,Dann ist ja sicher noch Zeit für einen weiteren Kaffee oder ?" Ich wendete mich zum Vollautomaten und betätigte den Knopf, der die schwarze Flüssigkeit, die einem vortäuschte wach zu sein, in den bunten Becher laufen ließ. Geladen drehte ich mich zu ihm und knallte ihm die Tasse auf den Tisch.
,,Wir schließen gleich."
Deutete ich zur Wanduhr.
,,Dein Temperament gefällt mir." Lächelte er und griff zur Tasse. Mein müder Blick glitt an ihm vorbei und fiel auf den dunklen Schopf, der sich durch die Tür drückte.
Lächelnd stellte er sich neben dem selbsternannten Frauenheld an den Thresen.
,,Hey." Grüßte er. Ich widmete ihm lediglich einen kurzen Blick.
,,Was bekommst du ?"
,,Dich, zum mitnehmen bitte." Grinste er leicht und setzte sich auf einen der Hocker. Die Erinnerungen an gestern Nacht keimte in mir auf und die Info, dass er mich abholen wollte. Zumindest bewirkte sein Auftreten, dass der andere Typ sich die Jacke über die Schulter schmiss und ziemlich frustriert das Cafè verließ. Ich atmete auf.
,,Ich komm gleich raus."
,,Ich kann dir auch helfen, wenn du möchtest." Setzte er sich gerade auf und zog die Hände vom Tresen.
,,Ich brauch keine Hilfe!" Patzte ich ihn an und verschwand in der Küche.
,,Alles okay ? Du siehst aus als würdest du gleich explodieren." Äußerte Mona zögerlich. Ich schnaufte auf.
,,Ist hier alles sauber ?" Fragte ich gereizt. Mona nickte und hängte noch das Handtuch zurück an den Henkel des Geschirrspülers.
,,Gut. Heute arbeite ich keine Minute länger."
Mit Kraft schlug ich die Flügeltür auf, die mit einem lauten knall an die Wand prallte, um dann festzustellen, dass Michael gegangen war. Ich verzog meine Mundwinkel. Ich hatte ja nicht mal Lust auf mich selbst, kein Wunder dass er die Flucht ergriff. Ein junges Pärchen saß noch immer an einem der runden Tische. In den Kaffeetassen standen nur noch kleine Pfützen.
,,Sorry Leute. Ich will euch echt nicht stören, aber wir wollen schließen. Ein paar Straßen weiter gibt es eine tolle Bar." Ging ich freundlich auf die beiden zu. Zu ihrem und auch zu meinem Glück akzeptierten sie sofort und der Junge Mann zückte sein Portemonnaie.
,,Stimmt so." Legte er mir zehn Euro auf den Tisch. Ich belächelte ihn. Die fünfzig Cent retteten meine Existenz. Gleich nach ihnen schloss ich die Tür ab. Mona kam mit ihrer Tasche über der Schulter aus der Küche und schaute mich geduckt an.
,,Darf ich schon gehen ?" Fragte sie leise.
,,Es ist Feierabend. Mach was du für richtig hälst."
,,Hab ich was falsch gemacht ?" Hörte ich sie dann noch leise fragen. Meine Schultern verloren augenblicklich die stählerne Rüstung. Ich schüttelte den Kopf.
,,Nein. Nein, ich hab heute wirklich nur einen schlechten Tag. Tut mir leid wenn ich dir das Gefühl gegeben habe, dass es an dir liegt." Sanft lächelte sie mich an.
,,Ich hoffe dir geht's morgen besser."
,,Ich auch. Hau ab Mona. Schönen Feierabend." Lächelte ich und schaltete noch die Außenbeleuchtung ein.

꧁𝒮𝓉𝓊𝓇𝓏 𝒾𝓃𝓈 𝒢𝓁ü𝒸𝓀꧂ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt