Angst

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Kapitel 22:

24.November

Sind sie sich sicher?" fragte ich meine Frauenärztin. Sie saß vor mir auf dem Stuhl und fuhr mit dem Ultraschallkopf auf meinem Unterbauch entlang.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie in der 6. Woche schwanger sind Ella" versicherte sie mir.
Vor lauter Schock konnte ich nichtmal weinen. Aber freuen, tat ich mich auch nicht. Ich bekam ein Kind mit Felix. Mit dem Mann, der niemals mein Freund sein wird, nur mein Fuck-Buddy.

„Das kann nicht sein" wiederholte ich.
„Wir drehen uns im Kreis. Ich kann ihnen gerne nochmal zeigen, was ich sehen kann" sagte sie und wollte gerade ihren Bildschirm zu mir drehen.
„Nein!" sagte ich bestimmend.
„Ist schon gut.... Ich bin einfach nur überfordert" gab ich zu.
„Das verstehe ich. Nehmen sie sich Zeit um die Nachricht zu verarbeiten. Glücklicherweise haben sie noch etwa 6.Wochen Zeit" erklärte sie mir.
„Zeit wofür?" fragte ich.
„Wenn sie das Baby nicht behalten möchten, dann haben sie bis zur 12. Schwangerschaftswoche Zeit das Kind abzutreiben" erwiderte sie.
„Nein.... Nein ich..... ich glaube da spann ich nicht" antworte ich.
„Sie können das Kind auch zur Adoption freigeben"  sagt sie.
„Danke, ich werde mich melden" antworte ich.

„Ich hatte nicht gedacht, dass wir uns so schnell wieder sehen" begrüßt mich meine Ärztin.
Ich schrecke aus meinem Tagtraum hoch.
Vor ein paar Monaten hatte ich hier schonmal gesessen. Da hatte sie mir verkündet, dass ich schwanger bin.
„Ich auch nicht" murmelte ich vor mich hin.
„Ich konnte lesen, dass sie das Baby verloren haben? Das tut mir leid" sagt sie und schaut mich traurig an.
„Ja, ich.... Ich hab es verloren." wiederholte ich ihre Worte nochmal in meinen Worten. Sie lächelt mich leicht an und streicht mir über den Unterarm.
„Was kann ich für sie tun?" fragt sie mich.
„Naja also.... Ich.... Mir ist das etwas unangenehm, aber ich glaube ich bin wieder schwanger" antworte ich und kaue mir nervös auf die Unterlippe.
„Okey, darf ich fragen welche Symptome du hast? Und haste u schon einen Test zu Hause gemacht?" fragt sie mich.
„Nein ich habe keinen Test gemacht. Ich bin seit ein paar Wochen so unglaublich müde und bei dem Gedanken oder Geruch von essen wird mir sehr übel. Außerdem leide ich unter ständigen Stimmungsschwankungen" erkläre ich.
Sie nickt und tippt alles in ihren Computer ein.
„Das sind schon typische Symptome einer Schwangerschaft, aber um diese zu bestätigen muss ich erst einen Ultraschall machen. Das kennen sie ja noch" erwidert sie. Ich nicke.
„Dann machen sie sich mal frei und legen sich auf die liege" weist sie mich an.

Halb ausgezogen lege ich mich auf die Liege.
„Achtung es wird kalt" warnt sie mich und macht mir das Gel auf den Bauch. Danach fährt sie mir mit dem Ultraschallkopf über den Bauch.
„Haben sie denn einen Kinderwunsch?" fragt sie mich.
„Jetzt gerade eigentlich nicht. Ich möchte schon Kinder, aber es wäre jetzt sehr ungeplant" antworte ich.
Ich versuche in ihrem Gesicht zu lesen, was sie dort auf dem Bildschirm sieht. Sie schmunzelt.
„Und?" Frage ich nervös und atme ein paar mal tief durch, nicht bereit zu hören, was sie zu sagen hat.
„Ich sehe dort..... ein Fötus" stellt sie fest und schaut mich an.
„Also bin ich schwanger?" Frage ich nochmal genau nach. Ich kann mit den Fachbegriffen nicht so viel anfangen.
„Ja ganz genau. ca. 10 Woche schon" erwidert sie.
„10. Woche?" Frage ich geschockt. So weit habe ich es beim letzten Mal nicht geschafft.
„Die unsicheren 12. Wochen sind bald um und.... Und ich muss ihnen sagen, dass es keine Möglichkeit mehr gibt abzutreiben. Das würde terminlich alles nicht hinhauen. Es wäre zu spät" antwortet sie.
Ich werde Mutter und Felix wird Vater.
„Das muss ich erstmal verarbeiten" erkläre ich.
„Sie reagieren gelassener, als letztes Mal. Spielt der Vater eine aktive Rolle in ihrem Leben?" fragt sie.
„Ja, wir sind in einer Beziehung" antworte ich.
„Nehmen sie sich die Zeit als Paar die Informationen zu verarbeiten. Ihnen steht, genau wie beim letzten Mal, immer noch die Option der Adoption" erklärt sie.
„Ja, also das wird nicht passieren" stelle ich sofort klar. Niemals würde ich mein Baby in eine fremde Familie geben.
„Wir nehmen jetzt noch Blut ab und rufen Sie dann leihen an, wie die Werte sind. Fehlgeburten passieren, auch plötzlich, aber was ich heute sehen konnte, war ein normal entwickelter Fötus. Ein bisschen schüchtern, sodass ich den Herzschlag nicht hören konnte, aber dieser hat kräftig geschlafen. Kommen sie nächste Woche wieder, dann schauen wir nochmal genau nach dem Herzschlag. Vielleicht möchte der werdende Vater auch mitkommen" lächelt sie mich an.
„Danke" erwidere ich und ziehe mich wieder an.

Gedankenverloren laufe ich durch Berlin. Ich bin schwanger. Von Felix. Mal wieder!
Und ich habe eine scheiß Angst.
1. Das Baby erneut zu verlieren
2. Es Felix zu sagen
Wie wird er reagieren? Passt es in sein Leben? Ich weiß es nicht. Wir haben nie wieder aktiv darüber geredet, ob und wann wir Kinder zusammen haben möchten. Ich kann mich nur daran erinnern, wie verletzt er beim letzten Mal war, als ich ihm nicht die Wahrheit erzählt habe. Deshalb muss ich ihm direkt erzählen was los ist, sonst verliere ich ihn.
Genau wie beim letzten Mal war ich weder traurig, noch freute ich mich aktiv. In mir herrscht gerade einfach nur Angst.
Ich komme an der Haustür an, wo es mich hingezogen hat und Klingel.
„Hallo?" hörte ich eine mir vertraute Stimme an der Gegensprechanlage.
„Ich bin's, Ella" melde ich mich und mir wird sofort die Haustür geöffnet.
Ich laufe die Treppe nach oben und sehe Nils am Türrahmen lehnen.
„Das ist ja eine Überraschung" begrüßt er mich und lächelt mich frech an.
„Ich bin nicht in Stimmung" verkünde ich direkt und lasse mich in seine Arme fallen.
„Was ist denn los?" fragt er mich verwirrt.
Erst dann löst sich eine erste Träne aus meinem Auge, danach noch viele mehr.
„Ist was mit Felix? Habt ihr euch gestritten?" fragt er weiter und schließt die Haustür. Ich schüttele den Kopf.

„Ich bin schwanger" platzt es aus mir heraus.
Nils Augen weiten sich.
„Nein? Ella. Wie? Was?" stottert er.
„Ich glaube das ‚wie' muss ich dir nicht erklären" erwidere ich.
„Jetzt hör auf!" schimpft er mit mir.
„Wie gehts dir damit?" fügt er hinzu.
„Ich habe eine scheiß Angst.... Das Baby wieder zu verlieren meine ich, aber irgendwie fühlt es sich anders an, als beim letzten Mal" erkläre ich.
„Du und Felix habt jetzt auch eine Beziehung. Optimal ist der Zeitpunkt mit Sicherheit nicht, aber du bist nicht mehr so verloren, wie beim letzten Mal" antwortet er. Ich nicke.
„Ich hab aber wirklich Angst es Felix zu sagen. Wie wird er reagieren?" spreche ich meine Gedanken aus.
„Das musst du herausfinden" antwortet er.

Der späte Nachmittag bei Nils verfliegt. Als Matze nach Hause kommt und die Neuigkeiten erfährt ist er mindestens genauso geschockt wie ich. Dann hat er mir erstmal eine Standpauke gehalten, dass er das nicht mehr so mitmachen wird, wie beim letzten Mal.
„Schließlich ist Felix einer meiner besten Freunde. Ich fühl mich heute noch schlecht, ihm das verheimlicht zu haben" schimpft er.
Ich muss ihm versprechen, direkt mit ihm darüber zu sprechen, damit er nicht wieder ein Geheimnis mit sich rumtragen muss.
Ich bemerke gar nicht, wie lange ich schon unterwegs bin, bis Felix mich anruft.

Ella: „Tut mir leid Felix, ich bin noch bei Nils und hab die Zeit vergessen"
Felix: „Man Ella, dit kannst du nüscht mit mir machen. Ick hab mir Sorgen gemacht"
Ella: „wie gesagt, es tut mir leid. Ich komme jetzt zu dir"
Felix: „Ick bin eben mit Jule unterwegs. Bin gleich da"
Ella: „eh ja, ok?"
Felix: „Bis gleich"

„Ich muss jetzt wirklich los. Felix hat mir schon die Hölle heiß gemacht" erkläre ich und zeige dabei auf mein Handy.
„Meld dich bitte bei mir" sagt Nils und ich nicke ihm zu.
„Mach ich, versprochen" antworte ich.
Ich verabschiede mich von Nils und Matze und mache mich auf den Weg zu Felix.
Als ich die Haustür aufschließe war es dunkel in der Wohnung. Felix war also noch nicht wieder zurück.
Ich stelle mich schnell unter die Dusche und ziehe mir ein Shirt von Felix über.
Mit einer Tasse Tee setzte ich mich auf das Sofa und schaue wahlloses Zeug im Tv an.
Wo bleibt er?
Seid unserem Telefonat hat er sich nicht mehr gemeldet. Das war jetzt 2 Stunden her.

Nach einer Weile hörte ich, wie der Schlüssel in das Loch gesteckt wurde und Felix war nicht alleine.
„Püppi?" rief er.
„Bin im Wohnzimmer" antwortete ich.
Als ich Julians stimme erkannte, sprang ich auf und sammelte die Ultraschallbilder und den Schwangerschaftstest, den ich gerade noch gemacht hatte, vom Wohnzimmertisch ein.
„Was ist los?" hörte ich Felix stimme hinter mir.
„Eh nichts..,. Nichts" stammelte ich.
„Und wat machst du dann da?" fragt er. Ich konnte ihn hinter mir spüren.
„Später" erwiderte ich und drücke die Sachen an meinen Körper.
„Wat hast du denn da?" er hörte nicht auf neugierig zu fragen. Er streckte die Hand aus und wollte mir die Dinge aus der Hand nehmen.
„Nein Felix!" sagte ich bestimmend.
„Ich möchte das später erzählen...... wenn wir alleine sind" flüsterte ich den letzten Satz dazu.
Er runzelte die Stirn, ließ es aber auf sich beruhen.
„Hey Julian" begrüßte ich Felix Bruder.
„Boah geil, is dit Knoblauchbrot?" fragt er.
„Bedien dich" lächelte ich zaghaft und verschwand im Schlafzimmer. Ich war nicht bereit dafür, was mich später erwarten würde.

Hero (Felix Lobrecht)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt