Als ich ein leichtes, gleichmäßiges Klopfen höre, richte ich mich seufzend auf und blicke zum Fenster. Seit Tagen war es bewölkt und nun prasselt der Regen gegen die Fensterscheibe und das Dach. Ich atme gedehnt aus und zwinge mich dazu aufzustehen. Zögernd öffne ich das Fenster und ein paar Regentropfen fallen in den Raum auf das Sofa, welches sich genau unter dem Fenster befindet. Mit aller Kraft ziehe ich mich hoch und halte mich mühevoll am Fensterrahmen fest. Es ist bereits ein bisschen rutschig, weil der Regen immer stärker wird, aber wenn ich es jetzt nicht tue, wird es nur noch rutschiger und unmöglich hier irgendwie herunterzukommen. Ich werfe einen letzten Blick ins Zimmer. Harumi liegt auf dem Boden. Sie sieht beinahe aus, als würde sie schlafen. Aber da ist nicht dieses Heben und denken ihrer Brust und der leichte Schmollmund, den sie während dem Schlafen immer zieht. Ich schließe kurz meine Augen, bevor ich mich umsehe, um die Fluchtmöglichkeiten anzuschauen.
Ich klammere mich zögernd am Rand des Dachs. Der einzige Weg hinunter ist, mich hangen zu lassen und dann irgendwie zu den Fensterbänken zu gelangen. Zuerst in den ersten Stock, dann ins Erdgeschoss. Eigentlich ist es völlig lebensmüde, was ich mache. Zuerst muss ich mich irgendwie an der Dachrinne festhalten. Ich bin zwar recht leicht, aber ich bezweifle, dass die Dachrinne mein Gewicht aushält. Aber das muss sie jetzt tun. Sonst kann ich mir das Abhauen abschminken. Langsam und vorsichtig versuche ich hinunterzuklettern. Als der einzige Halt, den ich noch habe, die Dachrinne ist, schaue ich kurz nach unten. Das Fenster ist genau unter mir. „Puh", flüstere ich zu mir selbst, „komm schon Jade, das kriegst du hin." Ermutige ich mich selbst leise. „Viel länger hält die Dachrinne nicht durch. Ich muss springen." Ich lasse mich einfach fallen. Erstaunlicherweise lande ich auf meinen Füssen. Für einen Augenblick gerate ich ins Schwanken, fange mich aber wieder. Dann klettere ich weiter runter und lasse mich auf das untere Fenster fallen. „Geschafft!" Denke ich und springe in den Garten. Ich atme kurz auf. Dann renne ich. Wer weiss, ob Shayan und Anjing mich bemerkt haben? Ich renne so schnell ich kann die Auffahrt entlang und biege dann links ab. Ohne einen einzigen halt, renne ich durch die ganze Stadt, bis ich am Fuss des Berges ankomme, auf welchem sich das Kloster befindet.
So schnell ich kann, eile ich die Treppen hoch. Als ich nur noch ein paar Meter von der Tür entfernt bin, rufe ich die anderen. „Leute!" Schreie ich, so laut ich kann. Ein paar Sekunden später öffnet sich die Tür und die Ninja kommen angerannt. „Jade!" Ruft Wyldfyre überrascht, rennt zu mir und umarmt mich fest. Eine Decke aus Wärme und Geborgenheit umgibt mich, als ich in ihren Armen liege. „I-Ich bin so froh euch zu sehen", schluchze ich. Zum zweiten Mal an diesem Tag fangen die Tränen in meinen Augen an zu brennen und meine Sicht verschwimmt ein wenig. „Geht es dir gut?" „Bist du verletzt?" „Hat Shayan dir was angetan oder so?" Fragen alle wild durcheinander. Wyldfyre löst sich von mir und bringt mich gemeinsam mit den anderen ins Kloster zurück. „K-Körperlich b-bin ich o-Okay", antworte ich leise. „E-Er hat mich nur e-emotional zerstört." Weine ich. Nya und Jay holen ein paar warme Decken. Zitternd decke ich mich ein. Ich habe das Bedürfnis, alles sofort zu erzählen, aber ich kriege kein Wort heraus, was mir wohl anzusehen ist. „Wir haben alle Zeit der Welt, okay? Du musst dich nicht damit beeilen, uns alles zu erzählen." Beruhigt Wyldfyre mich. Ich nicke stumm. „Willst du dich ein bisschen ausruhen? Vielleicht eine Runde schlafen?" Ich schüttle den Kopf. „Ist Rumi auch entkommen?" Fragt Cole. Ich schüttle erneut den Kopf und schniefe laut. „I-I-Ich... H-Harumi ist...", ich kann das einfach nicht. „Wärme dich erst einmal auf, Okay? Du kannst uns nachher erzählen, was passiert ist." Schlägt Lloyd vor. „Willst du einen Tee?" Fragt Arin jetzt. Ich nicke schwach und Arin und Sora gehen in die Küche.
»»————- ★ ————-««
„H-Harumi und ich w-wollten heute ausbrechen", fange ich an und wische mir eine Träne aus dem Auge. „Wir wollten nach dem Mittagessen aus dem Fenster klettern, da wir im Dachboden eingesperrt waren. W-wir dachten wir essen noch das Mittagessen dort-" Ich breche abrupt ab. „Das ist alles m-meine Schuld." Murmle ich. „Oh nein", ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. „Wenn ich doch bloß auf Harumi gehört hätte!" „Was ist denn los?" Ich schlucke. „Harumi wollte sofort ausbrechen. A-Aber ich... ich Idiotin sagte, wir sollten erst nach ein paar Tagen ausbrechen, wenn beide zuhause sind und es unerwartet kommt." Erkläre ich. „Jade, du bist keine Idiotin." Sagt Kai nun. „Ich hatte die Idee heute auszubrechen." Wiederhole ich. „Und wir dachten, wir können noch dort essen, da die Jungs nicht schlecht kochen." Murmle ich. „A-Aber i-ihr essen...", erst jetzt realisiere ich die Geschehnisse von vor ein paar Stunden. Ich trinke einen Schluck Tee und setzende Tasse auf den Tisch. „Ihr Essen war vergiftet." Sage ich kleinlaut. „Das heisst... s-sie ist...", Lloyd sagt nichts mehr. Ich nicke stumm. Die anderen werfen sich gegenseitig Blicke zu. Alle werden kreidebleich und in den Augen der Ninja sind Tränen. „I-Ich soll e-euch w-was ausrichten." Sage ich leise. Die anderen warten die Fortsetzung meines Satzes ab. „S-Sie hat euch alle l-lieb." Murmle ich. Nun sind wir alle schlecht drauf. Lloyd ist nicht wie sonst immer optimistisch, Nya sagt nicht, dass Ninja niemals aufgeben, Jay macht keine Witze und Kais Grinsen ist auch verschwunden. Cole sagt nichts mehr und die beiden Nindroiden überfällt ebenfalls eisernes Schweigen. Wyldfyres glückliche Art ist verschwunden und Arin blickt betroffen auf den Boden, während Soras lächelnd ebenfalls verschwunden ist. Auch ich habe keine Kraft mehr und lege meinen Kopf schluchzend auf Wyldfyres Schulter. Sie legt ihre Hand auf meine und das einzige, was mir im Moment Trost gibt, ist die Tatsache, nicht alleine zu sein. Was würde ich ohne die anderen tun? Sie sind die einzigen, die mich davon abhalten, dummes zu tun. Wenn es sie nicht gäbe, hätte ich mir gar nicht erst die Mühe gemacht, zu fliehen. Aber ich habe endlich Freunde. Ich habe Freunde, die für mich da sind und mit mir trauern. Freunde, die mich unterstützen. Das, was ich damals nicht hatte.
»»————- ★ ————-««
1039 Wörter
Achja, was ich in den letzen drei Kapiteln immer sagen wollte aber jedes Mal vergessen hab: über 500 Reads <3
DU LIEST GERADE
Jade || Roman ✓
Fanfiction(2023) KLAPPENTEXT: Es ist ganz spassig, sich in einem heiligen Kloster ausbilden zu lassen. Zumindest, solange nicht alles von dir abhängt. Jade trägt das Schicksaal mehrerer vereinter Welten, Stämme, Nationen und Kreaturen aller Art auf ihren Schu...