1. ~ The devil is watching you

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Angelina

Es war eine der kältesten Nächte gewesen. So kalt, dass sich funkelnde Eiskristalle an den Fenstern gebildet hatten und ein eisiger Schneesturm vor den Türen wütete.

Wir hatten uns am Abend in Decken eingekuschelt und es uns mit einer heißen Schokolade, in der einige Marshmallows schwammen auf der Couch gemütlich gemacht und die Weihnachtsstimmung und den wunderbaren Geruch nach Zimt und Plätzchen bei einem herzerwärmenden Film genossen.

An diesem Abend hatte man noch nichts von der grausamen Zeit gespürt, die uns bevorstand. Von dem Grauen, das unsere Stadt ausgerechnet an Weihnachten heimsuchen würde.

Es tat weh die Erinnerungen zu verdrängen, die sich in mir angestaut hatten, als ich die Worte las.

Sie verschwammen vor meinen Augen, verformten sich und bildeten eine schreckliche Grimasse, die nichts als Grausamkeit ausstrahlte.

Ich kannte die schnörkelige Handschrift, hatte sie so oft gesehen, doch da war er noch anders, nicht der, der heute aus ihm geworden war.

Es war einzig und allein seine Hülle übrig, eine leere, emotionslose Maske aus nichts als falscher Schönheit, die von der ausgedorrten Leere im Inneren ablenkte.

Vielleicht war er immer so gewesen oder vielleicht hatte sich erst im Laufe der Zeit das Monster entwickelt, das er inzwischen war.

Die Angst, die meinen Körper mit ihrer überwältigenden Kraft überrollte, zwang mich beinahe in die Knie. Es war, als drückte mich eine unsichtbare Hand zu Boden.

Der Schmerz, den ich verspürte war tief in meinem Inneren verankert, hatte sich wie ein Parasit in meinen Eingeweiden eingenistet und fraß sich langsam und qualvoll tiefer in meinen Körper.

Es war, als würden die Wunden von damals wieder aufgehen und ich könnte schwören, die Wärme meines Blutes an meiner Haut hinunter fließen zu spüren.

Ich fuhr mit einer zitternden Hand unter meinen weichen Pulli, an die Stelle, an der er mir damals aus dem Hinterhalt ein Messer zwischen die Rippen gestoßen hatte.

Die Narbe würde mich für immer an den Teil meines Herzens erinnern, der an diesem harmlos scheinenden Abend gestorben war. Ein Teil, in dem er gelebt hatte, sein Geist und seine Seele hatten ihren Platz in meinem Herzen verloren und ich hatte mit qualvollen Schmerzen dafür bezahlt ihm je vertraut zu haben.

Ich spürte, wie heiße Tränen in meinen Augen brannten, wie sich der Schmerz und die Angst zu einer giftigen Mischung vereinten, die jeden klaren Gedanken, wie eine Droge benebelte und meinen Kopf in ein watteartieges Gefühl wickelte.

Ich wusste nicht, wie lang ich dort in der Kälte auf dem mit einer hauchzarten Eisschicht überzogenen Boden saß, aber reichte aus, jeden Zentimeter meines Körpers taub zu machen.

Ich fühlte mich, wie ein Eisblock, erstarrt, kalt und gefühllos. Doch erst, als meine Lippen schon blau angelaufen und mein Zittern abgeebt war, erreichte der Gedanke mein Gehirn.

"Er ist wieder da!" Flüsterte ich mit heiserer Stimme, die beinahe nur ein leises Krächtzen war. Und auf einmal hatte ich die Kraft aufzustehen, meine eingefrorenen Glieder zu bewegen und mich aufzurichten.

Ich ignorierte den stechenden Schmerz, der sich anfühlte, als würden tausende Nadeln in meine Füße stechen, bei jedem einzelnen Schritt, den ich machte, bei jeder Bewegung und jedem Atemzug.

Eine weiße Atemwolke schwebte vor meinem Gesicht, erinnerte mich an die eisige Kälte, die mich beinahe vollständig überwältigt hatte.

Mit unsicheren Schritten stieg ich die wenigen Stufen zur Haustür hinauf, die fröhlich, wie immer in einem knalligen Rotton erstrahlte.

Home Sweet HellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt