Ich spürte den Schmerz bei der Erinnerung sofort wieder und es war das schlimmste, was ich jemals gefühlt hatte, bis auf das Gefühl bei der Tatsache, dass ich meinen besten Freund hintergangen hatte.
Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen die Wand geschlagen, um das widerliche Gefühl der Schuld in mir loszuwerden, das sich hartnäckig an meiner Menschlichkeit festgeklammert hatte.
Ich hasste dieses Gefühl, hasste den Schmerz, den es auslöste.
Und das schlimmste war, dass es nicht verschwinden wollte, egal wie sehr man versuchte es zu überspielen. Im Gegenteil, dann wurde es nur noch schlimmer und quälte einen bis in den Wahnsinn.
Verbittert bis ich die Zähne zusammen, versuchte das brennende Gefühl in meiner Kehle zu unterdrücken. Ich wollte das alles nicht mehr fühlen, wollte nicht mehr denken.
Es hatte einfach keinen Sinn, würde doch sowieso nichts ändern.
Missmutig wickelte ich den weißen Stoff des dünnen Verbandes und meine Taille, deckte die blutende Stichwunde ab und ignorierte die Tatsache, dass der Stoff sofort wieder rot durchschien. Schnell wusch ich das Blut von meinen zitternden Händen und meinem Gesicht mit kalten Wasser ab, genoss das erfrischende Gefühl auf meiner Haut.
Ein letztes Mal warf ich meinem Spiegelbild einen vernichtenden Blick zu und ging dann mit wackeligen Knien zurück, zurück in die Dunkelheit meines Lebens.
Ich schloss die helle Holztür hinter mir, sah mich nach Luc um. Er saß nicht mehr auf meinem Bett, stand jetzt vor dem Fenster, starrte hinaus in die Dunkelheit.
Vereinzelt glitzerten Sterne am dunkelblauen Nachthimmel, der Mond wurde von schweren grauen Wolken verdeckt.
Der Anblick war trostlos und einfach deprimierend.Mein Blick wanderte über den Boden. Ich fluchte, als ich die vielen kleinen Glasscherben sah, die dort verteilt lagen. Der große Standspiegel, der sonst immer in der Ecke meines Zimmers stand, lag zerschmettert auf dem Boden, sodass ich mich in den Scherben nun hunderte Male sah.
Verwirrt sah ich zwischen dem Jungen am Fenster und dem zerbrochenen Spiegel hin und her. Er starrte weiter nach draußen, schien mich gar nicht zu bemerken oder ignorierte mich einfach.
"Was zum..." Begann ich, doch verstummte sofort wieder, als sich Luc ganz plötzlich zu mir umdrehte und mit einem blutverschmierten Finger auf mich zeigte.
Automatisch wich ich einen Schritt vor ihm zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Mein Herz hämmerte in meinen Ohren, als er näher kam.
Erst jetzt erkannte ich die große Glasscherbe in seiner Hand, sie war ebenfalls blutbefleckt. Das Glas berührte schon beinahe meine Kehle, so nah war er nun.
Ich konnte spüren, wie mein Körper zu zittern begann, während ich versuchte die Fassade meines Stolzes aufrecht zu halten. Die scharfe Kante der Scherbe schnitt leicht in die weiche Haut an meinem Hals. Es war nur ein feiner Schnitt, doch das Blut begann sofort unaufhörlich aus der Wunde hinab zu perlen.
"Luc..." Flüsterte ich heiser und sah ihn flehend an, während er mich nur mit diesem hasserfüllten Blick betrachtete, der mein Herz brach.
Zum zweiten Mal
"Du... hast mich eingesperrt!" Presste er hervor und versuchte sichtlich angestrengt seine Wut zu unterdrücken.
"Du hast keine Ahnung was ich durchgemacht habe! Sie haben mich gefoltert, Tests mit mir gemacht, während du dachtest ich wäre tot!" Seine Stimme war nur noch ein leises Zischen.Ich schluckte, versuchte die Tränen zurück zu halten, doch er hatte Recht. Mir ging es gut, ich war glücklich gewesen und er hatte Höllenqualen erlitten.
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Home Sweet Hell
Mystery / ThrillerDas alles hat erst vor zwei Jahren begonnen. All die grausamen Dinge, die man nicht wahrhaben will und das Trauma, das man versucht zu verstecken. Was, wenn es einen irgendwann wieder einholt? Wenn es nur darauf gewartet hat, dass du schwach wirst...