Lucifer
Für einen Augenblick stand er einfach nur da, starrte an die Stelle, wo vor wenigen Sekunden noch der dunkle Schatten schwebte und sich nun seine Rauchwolke langsam auflöste.
Dann fiel sein Blick auf das Mädchen, welches nun dreckverschmiert zu Boden gerutscht war, mit einem lauten Klirren einer eisernen Kette, die ihre eine Hand und ihre Füße gefangen hielt.
Mit zwei Schritten war er bei ihr, kniete sich neben ihren leblosen Körper in den Staub und starrte vor Schreck wie gelähmt auf sie hinab. Ihre Kleidung war an einigen Stellen zerrissen und setzte die darunter liegenden blutigen Kratzer seinen Blicken aus.
Luc vergewisserte sich für einen Augenblick, dass sie nicht lebensgefährlich verletzt war, ließ dafür seine Augen über die Silhouette ihres Körpers huschen. Doch er erblickte nur ihre gebrochene Hand, die sich blau lila verfärbt hatte und eine deutliche Schwellung zeigte.
Doch das war jetzt nicht weiter relevant, denn in dem Moment bemerkte er erst, dass Angelina nicht atmete.
Sein Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen.
Er wurde aschfahl im Gesicht, als wäre er eine Statue aus weißem Marmor. Doch dann riss er sich zusammen, tastete nach ihrer gesunden Hand und fühlte ihren Puls unter dem Eisenring der Hamdschelle.
Er bekam Panik, als er nichts spürte, doch dann war da etwas, ein leises Pochen unter seinem Daumen. Unregelmäßig, aber vorhanden.
Sie war noch am Leben, nicht erstickt, als der Schatten sie mit einer Hand aus purer Dunkelheit gewürgt hatte. Doch das würde sie bald, wenn sie nicht sofort atmete.
Unbeholfen versuchte Luc das Mädchen, das vor im lag auf die Seite zu drehen, und auch wenn er verletzt und am Ende seiner Kräfte war, schaffte er es, denn die Verzweiflung, die sich in seinem Inneren breit machte, gab ihm Kraft.
Er brauchte sie!
Und er würde sie nicht noch einmal verlieren. Nicht für immer.
Auf einmal hörte er ein Keuchen. Sie atmete!
Vor Erleichterung hörte nun Luc beinahe auf zu atmen. Er blickte auf Angelina hinab, beobachtete sie, wie sie langsam wieder zu Bewusstsein kam und nach Luft schnappte, doch er hielt Abstand zu ihr.
Er sollte ihr nicht zu nah kommen.
Das wusste er, nach all dem, was geschehen war. Nur ein paar Sekunden, dann richtete sich Angelina langsam auf, strauchelte etwas, ging wieder zu Boden.
Sie wurde immer noch von den Eisenketten festgehalten.Unruhig blickte sie sich um, bis ihr Blick seinen traf. Sie riss die Augen auf und wich zurück. Natürlich, damit hatte er gerechnet.
Sie hatte immer noch Angst vor ihm, aus gutem Grund.
"Was hast du getan?!" Flüsterte sie heiser, als ihre Augen die Leiche ihrer besten Freundin fanden. Sie sah furchtbar aus mit dem schwarzen Blut, das an ihrem Hals und Mund klebte und den dämonhaften Augen, die ins Leere starrten.
Tränen sammelten sich in ihren Augen, die sogar im schwachen Licht der untergehenden Sonne, wie Edelsteine leuchteten. Es brach Luc das Herz ihren Schmerz zu sehen.
Er sah es und konnte es doch nicht verhindern, konnte es verstehen und doch schmerzte ihre Angst."Sie hat sich geopfert, um dich zu retten Angel!" Flüsterte er gerade so laut, dass das Mädchen seine Worte verstehen konnte.
"Warst du das?" Fragte sie unter Tränen, während sie versuchte sie zurück zu drängen, um nicht vor ihm zu weinen.
Und doch strömten nun Bäche an ihren Tränen zu Boden.Kraftlos nickte Luc, zwang sich aber sie weiterhin anzusehen. Er wollte sich verteidigen, ihr erzählen, was geschehen war, doch ihm fehlte die Kraft.
Er machte sich bereit, sie würde ihn wieder allein zurück lassen, ihn anschreien und all ihre Wut und Trauer an ihm auslassen, für das, was er getan hatte.
Doch für das, was als nächstes geschah, war er nicht vorbereitet.
"Es tut mir leid." Luc horchte auf. Hatte sie das gerade wirklich gesagt oder hatte er nun endgültig den Verstand verloren?
Nein, er sah es in ihren Augen.
Reue
Warum tat es ihr leid? Was tat ihr leid?
Er hatte das alles angerichtet, hatte die Dunkelheit in ihr Leben gebracht und als den Schmerz aus ihr heraus gezwungen, sie dazu gebracht ihre schlimmsten Momente ein zweites Mal zu durchleben.
"W...was?" Stammelte er vor sich hin und legte den Kopf leicht schief.
"Es tut mir leid, dass du das alles durchmachen musstest! Es war nie deine Schuld." Wiederholte Angelina etwas sicherer.Sie kam einige zögerliche Schritte auf ihn zu, blieb dicht vor ihm stehen und sah ihm in die Augen.
Ein warmes Gefühl machte sich in ihm breit, etwas, das er schon so lange Zeit nicht mehr gefühlt hatte.
In seiner Zelle im Keller der Versuchseinrichtung war alles immer nur kalt gewesen. Er hatte nur seinen Schmerz und seine Reue gehabt. Mal abgesehen von der furchtbaren Wut, die ihn zerfressen hatte.Doch diese Zeit rückte nun in weite Ferne. In dem Moment, in dem Angelina die letzten Meter zu ihm überbrückte und ihn ohne auch nur noch einmal zu zögern in ihre Arme schloss.
Überrumpelt stand Luc einfach nur da, versuchte zu begreifen, ob das hier real war oder nur einer seiner Fieberträume und er immer noch dort war und gefoltert wurde.
Nein, es war echt. Er konnte den Akzent von Vanille in ihrem Haar riechen und hörte das leise, schmerzerfüllte Zischen, das ihre Lippen verließ, als sie ihre gebrochene Hand belastete.
Sie zuckte etwas zurück, doch dann legte Luc seine Arme um sie, hielt sie fest, ließ sie nicht mehr los, als hätte er Angst sie würde wieder weglaufen.
Denn das hatte er.
Seine Hände zitterten, als sie sich in ihrem dunklen Haar vergruben und einige Strähnen um seine Finger wickelten. Luc konnte ihren warmen Atem an seiner Wange spüren und seufzte leise.
Zuhause, das war eines der Dinge, nach denen er sich immer gesehnt, sie jedoch nie bekommen hatte.
Doch nun wusste er wieder, wie es sich anfühlte. Sie war es.
Sie war das, was er Zuhause nannte.
Das wurde ihm nun klar, in diesem Moment, in dem er sie in seinen Armen hielt und sie niemals wieder loslassen wollte.
Er würde ihr folgen, wohin sie auch ging. Er würde sie nicht noch einmal verlieren, ihr gebrochenes Herz wieder zusammen setzen und dafür sorgen, dass es nie wieder auch nur einen Riss bekam.
Es war ein Versprechen.
The End
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Home Sweet Hell
Misteri / ThrillerDas alles hat erst vor zwei Jahren begonnen. All die grausamen Dinge, die man nicht wahrhaben will und das Trauma, das man versucht zu verstecken. Was, wenn es einen irgendwann wieder einholt? Wenn es nur darauf gewartet hat, dass du schwach wirst...