1. Türchen

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Elias tiefer Atem hallte laut in meinen Ohren wider, während ich seufzend den tanzenden Punkten zusah, die mir anzeigten, dass ein Gruppenteilnehmer gerade am Tippen einer Nachricht war. Morgen war der erste Advent und bisher hatte ich es noch auf keinen einzigen Christkindlmarkt geschafft, obwohl die meisten schon seit Mitte November geöffnet hatten. Deswegen hatte ich die Idee, heute den städtischen Weihnachtsmarkt zu besuchen, in den Gruppenchat mit meinen Freunden geschmissen. Vielleicht etwas kurzfristig, aber die Hoffnung, dass sie vielleicht Zeit hatten, war groß. Immerhin hatten wir alle schon länger nichts mehr miteinander unternommen.

Durchs gekippte Fenster drangen sämtliche Straßengeräusche herein, von hupenden Autos bis hin zu kreischenden Kindern, welche auch der Grund waren, warum ich überhaupt schon wach war.
Ich mochte Elias Wohnung sehr, aber ich hasste es, dass sein Schlafzimmerfenster direkt auf eine stark befahrene Straße und auf den gegenüberliegenden Kindergarten zeigte. Zufälligerweise auch noch auf einen Kindergarten, der selbst am Wochenende Kinderbetreuung ab sieben Uhr morgens anbot. Ein Angebot, das wirklich viele Eltern annahmen.
Obwohl die Temperaturen mittlerweile wirklich zapfig waren und die Kinder sich nicht im Garten des Kindergartens aufhielten, konnte man sie trotzdem deutlich hören.

Auch das Schlafzimmer war durch das Fenster, das die ganze Nacht gekippt war, ziemlich ausgekühlt. Zum Glück hatte Elias beim Öffnen des Fensters daran gedacht, den Heizkörper abzudrehen.
Mein Magen grummelte leise, was nicht nur hörbar war, sondern auch ein lustiges Gefühl in meinem Bauch auslöste und mich leicht schmunzeln ließ. Demnächst müsste ich mich wohl aus Elias Klammergriff lösen und den Heimweg antreten, damit mein Magen nicht noch anfing, sich selbst zu verdauen. Obwohl sich gerade noch alles in mir dagegen sträubte, das warme Bett zu verlassen. Elias war wahrlich eine wandelnde Heizung. Außerdem lenkte seine heiße, nackte Haut auf meiner meine Gedanken immer wieder zurück in die vergangene Nacht, was wiederum die Lust anheizte, es direkt zu wiederholen und damit den Gedanken ans Aufstehen komplett überschattete.

Kalle (Sa. 07:32 Uhr)
Ne sorry man, wir sind heute Abend bei meinen Schwiegereltern eingeladen 🥴

Xaver (Sa. 07:33 Uhr)
Die Zwillinge sind krank... bin also auch raus

Xaver (Sa. 07:33 Uhr)
@Thilo dass du schon wach bist 😂

Ich seufzte lautlos. Nachdem die zwei nun schon abgesagt hatten, würde Rosalie ganz sicher auch absagen. Sie hatte immerhin erst vor wenigen Monaten ein Kind zur Welt gebracht und ging zurzeit völlig in ihrer Mamarolle auf.
Nicht, dass Xaver und Kalle weniger in ihrer Vaterrolle aufgingen, aber ihre Kinder waren schon etwas älter und besuchten zumindest schonmal den Kindergarten, wodurch sie immerhin ein bisschen mehr Freizeit hatten.

Auf Xavers Nachricht hin konnte ich nur mit den Augen rollen. Sie würden mindestens genauso lange schlafen wie ich, wenn sie keine Kleinkinder zuhause hätten, die sie in aller Herrgottsfrühe weckten.

Ich (Sa. 07:34 Uhr)
Und nächstes Wochenende?

Ich wechselte zu Instagram und klickte desinteressiert durch die Storys, die zu meinem Leidwesen zu neunzig Prozent mit Familienbildern gefüllt waren.
Meine Freunde zeigten die Gesichter ihrer Kinder nicht auf Social Media, was ich wirklich guthieß, trotzdem fanden sich zahlreiche Fotos der Racker von hinten oder mit verdecktem Gesicht auf ihren Accounts.
Kalle zum Beispiel war mit seiner zweijährigen Tochter Ella und seiner Frau Judi gestern Schlittenfahren. Die Fotos und Videos, die seine Frau davon in ihrer Story gepostet hatte, und die wiederum alle von Kalle repostet wurden, waren wirklich zuckersüß. Trotzdem verleitete es mich nur dazu, schneller durch die Slides zu tippen.

Nicht, weil ich mich nicht darüber freute, dass sie so glücklich waren, sondern weil ich dadurch irgendwie wehleidig wurde. Familiengründung war noch nichts, womit ich mich jetzt schon auseinandersetzen wollte. Ich war noch nicht bereit dazu, sesshaft zu werden.
Blöderweise war ich nur mittlerweile leider in einem Alter, in dem jeder heiratete und Kinder bekam. Dementsprechend hatte sich mein Social Media auch verändert. Früher fand ich auf Instagram, gerade am Wochenende, nur Posts von Partys. Heutzutage wurden mir nur noch Bilder von glücklichen Familien angezeigt.

Xmas with the ConradsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt