Gestern so später aus der Wohnung zu starten, war gemütlich und auch wirklich schön, aber heute die Großstadt dabei erleben zu können, wie alle langsam wach wurden und in ihren Tag starteten, verzauberte mich auf eine andere Art und Weise.
Elias und ich hatten in einem kleinen Café direkt gegenüber unserer Wohnung gefrühstückt. Es war recht voll und trotz der frühen Zeit recht hektisch, wodurch wir nur noch einen Platz an einem Hochtisch am Fenster bekommen hatten. Viel Stellplatz - mit meiner Tasse Kaffee, einem Glas Wasser und einem Omelett war mein Platz schon aufgebraucht - hatte man zwar nicht, aber dafür konnte man die Passanten umso besser beobachten.
Elias Schwester hatte noch geschlafen, als wir die Wohnung verlassen hatten, deswegen waren wir auch nur zu zweit beim Frühstück. Sie hatte Elias gestern noch hoch und heilig versprochen, dass sie pünktlich am Bahnhof sein würde, auch wenn sie nicht mit uns zusammen aufstand. Elias war darüber sehr skeptisch, ließ seine Schwester aber machen.
„Meine Güte, Vicky", seufzte eben dieser ein paar Stunden später angestrengt, als sich seine kleine Schwester schwer atmend auf den Sitz uns gegenüber fallen ließ. Ihr Gepäck ließ sie dafür einen Augenblick einfach im eh schon engen Gang stehen. „Das war haarscharf."
Die Zugtüren waren schon dabei gewesen, sich zu schließen, als Vicky sich noch schnell hinein gezwängt hatte. Genau so, wie Elias es prophezeit hatte.
„Just in time nenne ich das", erwiderte sie daraufhin aber nur grinsend und zog ihren Schal vom Hals, als sie wieder etwas zu Atem gekommen war.
„Da wundert es mich nicht, dass du so lange in Paris auf deinen Zug warten musstest", stichelte Elias mit einem überbreiten Grinsen auf den Lippen, das eindeutig zeigte, dass er seine Schwester nur damit aufziehen wollte.
Vicky dagegen zog die Stirn kraus. „Dafür konnte ich nichts. Ich war pünktlich am Gleis. Nur der Zug eben nicht."
Bevor Elias jedoch darauf etwas antworten konnte, machte sich ein älterer Herr bemerkbar, der durch Vickys Gepäck nicht zu seinem Platz kam. Vicky und Elias sprangen daraufhin sofort auf und wollten das Gepäck verräumen, dadurch standen sie aber nun zu dritt in dem schmalen Gang, was schlussendlich nicht nur ich sondern auch der ältere Herr mit einem Lachen kommentierte.
Elias hievte dann Vicky Koffer auf die Ablage, woraufhin sich der Mann nett bedankte und nur wenige Sitze weiter Platz nahm.„Ich hoffe, dass du in deinen anderen Zügen etwas rücksichtsvoller warst", tadelte Elias seine Schwester gleich, kaum, dass sich beide wieder hingesetzt hatten. Das ließ Vicky unkommentiert. Sie zog nur überdeutlich ihre Kopfhörer aus ihrer Manteltasche und stöpselte sie gleich in ihre Ohren. Eine Hundertstelsekunde später konnte man schon die Musik daraus dröhnen hören.
„Geschwister...", seufzte Elias lachend, ehe er tiefer in den Sitz rutschte und es sich bequem machte. Auch ich rutschte tiefer und entschied, für einen kurzen Moment die Augen zu schließen, bis wir losgefahren und aus dem Bahnhof draußen waren. Ich freute mich schon sehr auf die schöne Landschaft, die ich die nächsten zwei Stunden beobachten konnte.
Nur blöd, dass es nicht bei einem kurzen Augenschließen blieb, sondern ich komplett wegnickte. Erst als wir in unserem Endbahnhof einrollten, weckte mich Elias mit dem breitesten Grinsen, das ich jemals gesehen hatte, auf den Lippen.
„Wir sind da", grinste er mir entgegen, während ich erstmal mehrmals blinzeln musste, bis ich realisierte, was er gerade gesagt hatte.
Hatte ich wirklich die gesamte Fahrt verschlafen?
Erst da bemerkte ich auch, dass Vicky nicht mehr auf dem Platz gegenüber saß und auch andere Passagiere schon aufgestanden waren, um gleich aus dem Zug zu steigen. Offenbar war das hier die Endstation.
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Xmas with the Conrads
RomanceThilos Freunde sind mittlerweile alle sesshaft geworden, sind verheiratet und haben mindestens ein Kind im Kindergartenalter zuhause. Dadurch ist es eher Zufall als Absicht, wenn man sie mal auf einem Christkindlmarkt findet oder überhaupt die gesam...