Dass ich tatsächlich Elias Angebot angenommen hatte, wurde von Minute zu Minute, von Teil zu Teil, das in meinen Koffer wanderte, surrealer. Ich konnte nicht glauben, dass ich wirklich zugestimmt hatte.
Und dass Elias mich auch noch so kurzfristig mitnahm, nachdem ich ihm mehr oder weniger um die Ohren gehauen hatte, wie absurd und weit hergeholt ich diese Idee fand.
Selbst als ich am nächsten Tag fertig angezogen und mit gepacktem Koffer vor meinem Gebäudekomplex stand und auf Elias wartete, der jeden Augenblick anrollen durfte, konnte ich es noch immer kaum fassen. Wahrscheinlich musste ich erst einen Fuß auf englischen Boden setzen, damit es endlich in meinem Kopf ankam.
Meine Finger trommelten nervös auf dem ausgefahrenen Griff meines Koffers, während die andere Hand die wahrscheinlich letzte Zigarette, die ich noch in Deutschland rauchen würde, hielt. Dass ich schon seit fast fünfzehn Minuten in der Kälte stand, nur um auch ja pünktlich vor Elias herunten zu stehen und noch Zeit für eine - oder auch mehrere - Zigaretten zu haben, würde ich niemandem gegenüber erwähnen.
Ich schnippte den verglühten Stummel in den Aschenbecher neben mir, ehe ich mich ein letztes Mal nervös räusperte, als ich schon Elias Auto um die Kurve kommen sah. Natürlich war er wie immer überpünktlich.
Er grinste mir schon durchs Fenster breit entgegen und als er dann das Auto zum Stehen gebracht hatte und ausstieg, wurde sein Grinsen nur noch breiter.
„Ready for England?", strahlte der gebürtige Brite und hob sogar begeistert die Arme. Das entlockte mir dann doch ein Lächeln, während ich spüren konnte, dass seine Anwesenheit alleine meine Nervosität wieder etwas eindämmte.
„Yes", antwortete ich lächelnd und hob meinen Koffer in den Kofferraum, nachdem er ihn mir geöffnet hatte.
Im nächsten Moment fand ich mich in einer innigen Umarmung wider.„Das wird richtig schön", grinste Elias, als wir uns einen Augenblick später schon wieder lösten. „Du wirst London lieben! Ich verspreche es dir!"
„Das ist ein großes Versprechen", gluckste ich von seinem Enthusiasmus direkt angesteckt.
Als ich dann in seinen Wagen stieg, wurde ich gleich von einer angenehmen Wärme empfangen, die mich gleich meinen Wintermantel ausziehen ließ, ehe ich mich anschnallte. Elias hatten in der Zwischenzeit auch schon den Sicherheitsgurt angelegt und den Motor gestartet.
„Let's go!", grinste er erneut und lehnte sich nun sogar zu mir hinüber, um mir ein sanftes Küsschen auf die Lippen zu hauchen, ehe er das Fahrzeug in Bewegung setzte.
Damit war dann auch das letzte Bisschen Nervosität dahin. Jetzt konnte ich mich endlich so richtig auf London freuen.
„Konntest du so kurzfristig überhaupt noch was mit deinem Hotel regeln? Was kostet das eigentlich?", fragte ich, während ich tiefer in die Polster rutschte. Das Lächeln weiterhin präsent auf meinen Lippen. Die Fahrt bis zum Flughafen dauerte nur eine knappe Dreiviertelstunde, trotzdem wollte ich es mir gemütlich machen. Immerhin waren Sitze in Kurzstreckenflugzeugen meist nicht allzu bequem.
„Stimmt, das habe ich dir noch gar nicht gesagt", begann Elias und setzte in aller Ruhe den Blinker, um auf die Autobahn auffahren zu können. „Ein Freund von mir fährt über die Feiertage auch immer zu seinen Eltern, deswegen ist seine Wohnung dann immer leer. Er hat kein Problem damit, wenn ich ein paar Tage im Jahr bei ihm bleibe. Und auch nicht, wenn ich jemanden mitbringe."
„Er vertraut dir einfach seine Wohnung an?", fragte ich verdutzt.
Wobei... Wenn ich genauer darüber nachdachte, würde ich das bei Xaver oder Kalle auch tun, aber auch nur, wenn sie alleine und nicht mit irgendwelchen - für mich - Fremden dort aufkreuzten. Vor allem konnte ich mir kaum vorstellen, dass Elias mich so kurzfristig noch groß angemeldet hatte.„Yes, wir machen das schon seit Jahren so. Auch oft im Sommer, wenn er wegfliegt und ich spontan jemanden besuchen möchte." Elias zuckte mit den Schultern und ich nickte daraufhin nur. „Er war auch schon einmal in meiner Wohnung hier in Deutschland. Und sein Bruder übrigens auch", fügte Elias lachend an.
Die restliche Autofahrt verging wie im Flug. Elias erzählte viel von seinem Kumpel, in dessen Wohnung wir bleiben würde, und davon, was er schon alles in der Wohnung erlebt hatte. Offenbar einiges, denn er konnte damit locker die komplette Hinfahrt füllen. Gleichzeitig ließen seine Geschichten die Vorfreude nur stärker brodeln.
Ich hatte schon viel mit Elias unternommen, aber jetzt mit ihm gemeinsam in den „Urlaub" zu fahren, war dann doch etwas ganz anderes. Aber von dem, was er so erzählte, und wie ich ihn kannte, konnten die nächsten Tage nur schön werden.Dank der Möglichkeit bereits vorab online einzuchecken, war das Prozedere am Flughafen schnell bewältigt, sodass wir recht bald schon in unserem Flieger saßen. Wie angekündigt, saßen wir nicht einmal ansatzweise in der Nähe voneinander, aber nachdem der Flug nicht sehr lange dauerte, war das für mich in Ordnung.
Ich hatte zuhause extra mehrfach kontrolliert, ob ich meine Kopfhörer auch wirklich eingepackt hatte, damit ich die nächsten gut eineinhalb Stunden etwas zu tun hatte.Tatsächlich schlief ich nach den ersten zwei Lieder schon ein, was ich meiner eher kurzen Nacht zu verdanken hatte. Ich war zwar mit Packen und Einkaufen früh fertig, aber die Nervosität hatte mich kaum ein Auge zu tun lassen. Deswegen fand ich es gar nicht so übel, dass ich zumindest die Stunde nutzen konnte, um etwas Schlaf nachzuholen.
Vor allem, da wir ausgemacht hatten, den heutigen Tag auch noch bestmöglich zu nutzen. Immerhin kamen wir ja schon kurz nach Mittag dort an.Man merkte, dass Elias nicht zum ersten Mal nach London flog. Er kannte sich nicht nur am Flughafen aus, sondern wusste sogar, wann die nächste U-Bahn fuhr und lotste mich ohne Probleme direkt dort hin. Nachdem auch das Kaufen und Aufladen der Oyster Card mit Elias ein wahres Kinderspiel war, fanden wir uns schon in der U-Bahn wieder, die uns fast direkt vor die Wohnungstür unserer Unterkunft brachte.
„Treten Sie ein", grinste Elias, nachdem er vor mir die Tür aufgesperrt hatte. Dafür machte er extra eine übertriebene, einladende Armbewegung, die so ulkig aussah, dass ich glatt laut lachen musste.
„Sehr wohl, Sir", spielte ich sein Spiel mit, was ihm ein breites Lächeln auf die Lippen zauberte.
Die Wohnung war genau das, was ich mir unter einer Großstadtwohnung vorgestellt hatte. Sehr klein, nahezu beengt, mit einer sehr überschaubaren Küche. Dafür war das Schlafzimmer aber groß genug, um neben einem Bett und einem Schrank noch einen Schreibtisch hineinzubekommen und im Wohnzimmer gab es sogar die Möglichkeit, das Sofa zu einem Schlafsofa umzufunktionieren.
„Klein, aber fein", stellte Elias mir die Wohnung vor. „Und deutlich billiger als ein Hotel in dieser Lage."
„Billiger als kostenlos geht ja kaum", schmunzelte ich und lockerte meinen Schal ein wenig.
„Stimmt", erwiderte Elias daraufhin nur, während er den Reißverschluss seiner Jacke laut aufzog.
Mein Blick flog von der Schlafcouch durch die offene Tür ins Schlafzimmer. Das Bett war groß genug, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass Elias Freund damit einverstanden war, wenn wir, oder auch nur Elias, in seinem Bett schlief.
„Passen wir beide auf die Schlafcouch?", fragte ich deshalb skeptisch nach, während Elias längst den Kühlschrank inspizierte.
„Wir schlafen im Bett", antwortete Elias daraufhin nur, als würde das ohnehin klar auf der Hand liegen und drückte die Kühlschranktür wieder zu.
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Xmas with the Conrads
RomanceThilos Freunde sind mittlerweile alle sesshaft geworden, sind verheiratet und haben mindestens ein Kind im Kindergartenalter zuhause. Dadurch ist es eher Zufall als Absicht, wenn man sie mal auf einem Christkindlmarkt findet oder überhaupt die gesam...