Irgendwann brauchte ich keine weiteren Lichterketten mehr an meinen Fenstern, außer vielleicht im Schlafzimmer, aber dort schlief Ella, deswegen vertagte ich das. Insgeheim freute ich mich schon, weil ich dadurch dem Auseinanderfieseln der anderen Lichterketten ausgekommen war, doch Elias hatte offenbar andere Pläne.
„Komm, die machen wir jetzt noch gemeinsam auseinander", lächelte er und griff sich die erste vom Boden. „Vielleicht machst du dir dieses Jahr beim Abhängen die Mühe und bindest alle zusammen, damit du nächstes Jahr nicht das gleiche Problem wieder hast", gluckste er und begann, mit offensichtlich mehr Feingefühl und Geduld als ich je dafür gehabt hätte, die Lichterkette auseinander zu knoten. Dabei erzählte er mir groß und breit von seinem Vater, dem es in Elias Kindheit jedes Jahr mit Lichterketten ähnlich schlimm ergangen ist wie mir, bis Elias Mutter sich der Sache angenommen hatte und damit endlich Ordnung in die zahlreichen Lichterketten seines Vaters und damit auch Friedens fürs Weihnachtsfest gebracht hatte.
Ich hörte ihm einfach zu, sagte kein einziges Wort zu seinen Kindheitsgeschichten, sondern lauschte einfach seiner Stimme, die sich überraschend gut in die Weihnachtsmusik einfügte und gemeinsam eine angenehme Einheit bildete.
Irgendwann, während er von einem fast ins Wasser gefallenem Weihnachten erzählte, an dem sein Bruder den Weihnachtsbaum beinahe in Brand gesteckt hatte, bemerkte ich, dass Elias britischer Akzent, je mehr er von seiner Kindheit und seiner Familie erzählte, deutlicher herauszuhören war. Irgendwann kamen sogar vereinzelte Wörter auf Englisch heraus.
Das ließ mich lächeln.So wenig ich es zugeben wollte, war ich froh, dass Elias da war und mir mal wieder das Ohr abkaute.
„Willst du eigentlich was trinken?", fragte ich von mir selbst irritiert, dass ich erst jetzt daran dachte, meinem Gast etwas anzubieten. Immerhin half mir Elias gerade immens, da war ein Getränk wirklich das Mindeste. „Was warmes vielleicht?"
„Was hättest du denn da?"
„Heiße Milch mit Honig und Zimt?", bot ich ihm dasselbe an wie Ella. Und irgendwie hatte ich auch selber nochmal Lust auf eine Tasse.
Elias nickte daraufhin und hantierte weiter mit den Lichterketten herum, während ich uns unsere Getränke zubereitete.
Wir verbrachten nur wenig Zeit wirklich miteinander. Wenn wir uns sahen, ging es meistens nur um Sex. Oder wir aßen zusammen und hatten danach Sex. Aber selbst bei den wenigen Gesprächen, die wir hatten, hatte Elias den deutlich größeren Redeanteil. Dass er so viel redete, störte mich oftmals, deswegen hatte ich mich auch nie darum gerissen, viel mehr Zeit mit ihm zu verbringen, außer wenn ich wusste, dass es auf Sex rauslaufen würde, aber dieser Abend heute... Ihn hier zu haben war so angenehm.
Und das obwohl er so viel redete.Ich konnte selber nicht so ganz nachvollziehen, woher dieses Gefühl plötzlich kam, aber zum aller ersten Mal hatte ich absolut kein Problem damit, dass wir heute keinen Sex haben würden. Ich genoss seine Anwesenheit trotzdem.
„Was sind eigentlich deine Weihnachtspläne?", fragte Elias, nachdem ich ihm seine Tasse gereicht und er sich mit einem süßen „Thank you" bedankt hatte, und lehnte sich entspannt gegen meinen Küchentisch.
„Meine Freunde ich und ich feiern Weihnachten jedes Jahr zusammen." Ich zuckte mit den Schultern. Es war meine liebste Weihnachtstradition.
Kalle und ich waren nach der Schule damals für unser Studium hier in die Stadt gezogen, wo wir dann recht zeitnah Xaver und Rosalie kennengelernt hatten, die zum damaligen Zeitpunkt eine Freundschaft plus geführt hatten. Wir haben uns alle von Anfang an super verstanden, aber unser erstes Weihnachten, das wir zusammen verbracht hatten, war trotzdem reiner Zufall, weil unsere eigentlichen Weihnachtspläne durch einen schweren Schneesturm ins Wasser... in den Schnee gefallen waren...
Wir hatten uns dann spontan in Kalles und meiner damaligen Studentenwohnung getroffen und gemeinsam Heilig Abend verbracht. Richtig abgespeckt. Ohne Baum, ohne Deko, ohne Geschenke, weil ja jeder davon ausgegangen war, dass wir uns über die Weihnachtstage nicht sehen würden und vor allem keiner von uns in der Stadt geblieben wäre, da jeder zu seiner Familie gefahren wäre.
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Xmas with the Conrads
RomanceThilos Freunde sind mittlerweile alle sesshaft geworden, sind verheiratet und haben mindestens ein Kind im Kindergartenalter zuhause. Dadurch ist es eher Zufall als Absicht, wenn man sie mal auf einem Christkindlmarkt findet oder überhaupt die gesam...