Seit meinem Streit mit Kalle, bei dem Xaver und auch Rosalie ihm irgendwo, wenn auch nur indirekt, den Rücken gestützt hatten, hatte ich mit keinem der Drei mehr geredet. Ich sah keinen Grund, mich bei ihnen zu melden und sie offenbar umgekehrt auch nicht.
Ich konnte zwar an sich mit der Funkstille leben, ich wusste, dass sie nicht ewig anhalten würde, aber dass Weihnachten unaufhörlich näher rückte, versetzte mich regelrecht in Panik. Ich wollte an den Feiertagen nicht alleine sein. Der Gedanke allein, stimmte mich so traurig, dass ich hier und jetzt zu weinen beginnen könnte.
Die einzige Option, die ich hatte, war zu meinen Eltern zu fahren, aber dagegen sträubte ich mich so sehr, dass ich dann lieber alleine war. Da hörte sich ein einsames, verheultes Weihnachten hundert Mal besser an.
Mein Blick lag durch die zahlreichen Weihnachtssternen an meinen Fenstern vorbei auf den zarten Schneeflocken, die vom Himmel fielen. Ich saß auf meinem Sofa, tief in die Sofadecke vergraben und mehr liegend als sitzend. Heute konnte ich mich wirklich zu gar nichts aufrappeln, selbst den Kaffee, den ich mir nach dem Aufstehen gebrüht hatte, hatte ich kaum angerührt. Dafür lag mir Weihnachten zu sehr im Magen... Ich spürte, wie sich schon Tränen in meinen Augen sammelten, die ich gleich hartnäckig weg blinzelte. Wenn ich Weihnachten alleine verbrachte, dann konnte ich getrost weinen, aber jetzt war noch nicht die Zeit.
Das redete ich mir zumindest ein.Bis mir Elias Angebot plötzlich wieder durch den Kopf schwirrte.
Ohne weiter darüber nachzudenken, entwirrte ich meine Hände aus der Decke und griff ich nach meinem Handy. Ich zögerte keine Sekunde und drückte direkt auf die Nummer des Engländers.
Nach nur zwei Tuten ging er sogar schon ans Telefon.
„Thilo, wie schön von dir zu hören. Was gibt's?" Elias raue Stimme zu hören, beruhigte mein aufgewühltes Inneres sofort. Ich stieß meinen angehaltenen Atem aus und sackte kraftlos auf dem Sofa zusammen, während meine freie Hand längst wieder nach der Zigarettenschachtel in meiner Hosentasche tastete.
„Steht dein Angebot noch?", platzte es einfach aus mir heraus. Das war wahrscheinlich das Unüberlegteste, was ich in meinem Leben jemals getan hatte und trotzdem machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber.
Für einen Augenblick wurde es ungewohnt still in der Leitung.
Elias hatte immer etwas zu sagen, aber das er nun nicht sofort antwortete, machte mir direkt Angst. So viel Angst, dass erneut Tränen in meinen Augen britzelten.„Ja", antwortete er schlussendlich nach einer halben Ewigkeit. „Ich habe meinen Flug schon für morgen gebucht. Ich bin gerade am Packen, aber wenn du wirklich mitmöchtest, schaue ich gleich, ob ich noch ein Ticket für dich bekomme. Ist halt recht kurzfristig."
„Ja bitte", murmelte ich daraufhin nur leise.
Am liebsten hätte ich laut erleichtert aufgeatmet.
Ich spürte regelrecht wie die Angst von mir abfiel, wie sich meine Tränen zu Freudentränen wandelten und sich sogar eine löste. Sie kullerte langsam über meine Wange und tropfte schlussendlich an meinem Kinn hinunter auf meinen Pullover.Ich hatte eine andere Option. Ich musste Weihnachten weder alleine noch mit meinen Eltern verbringen.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du auf mein Angebot zurückkommst. Woher der Wandel?"
„Ich habe Bilder von London zur Weihnachtszeit gesehen und jetzt will ich das mit eigenen Augen sehen." Das war eine glatte Lüge, die mir gerade eben eingefallen war und ich war mir sicher, dass Elias das auch sofort durchblickte. Trotzdem sagte er nichts dazu, sondern erzählte mir gleich wieder wie schön es in London war. Gleichzeitig hörte ich ihn herumkruschteln und irgendwann tippen. Bis es für einige Augenblicke wieder still wurde.
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Xmas with the Conrads
RomanceThilos Freunde sind mittlerweile alle sesshaft geworden, sind verheiratet und haben mindestens ein Kind im Kindergartenalter zuhause. Dadurch ist es eher Zufall als Absicht, wenn man sie mal auf einem Christkindlmarkt findet oder überhaupt die gesam...