Kapitel 8

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Louis:

Am nächsten Morgen melde ich Arne vom Kindergarten ab. Ich denke, dass er etwas Abstand braucht und ich möchte das Thema noch mit Niklas und Magnus besprechen. Also nehme ich ihn mit zum Trainingszentrum und stelle ihm Memel vor. Es ist vielleicht nicht schlecht, wenn er Memel vorher schon kennenlernt. Die beiden freunden sich schnell an und ich lasse sie mit gutem Gewissen alleine. „Sagst du es ihnen heute?", will Niklas wissen. „Ja", nicke ich, „sie müssen es wissen." „Wir sind wirklich stolz auf dich Kleiner", meint mein ältester Bruder, „du ziehst deinen eigenen Sohn alleine groß, du bist alles durchgestanden was passiert ist und du bist trotzdem noch glücklich." „Ohne euch, Mama, Papa und Arne würde ich das niemals schaffen", sage ich, „ich wäre komplett verloren." „Dafür sind wir ja da", meint Magnus, „immer." „Danke", lächle ich und öffne die Tür zur Kabine. „Endlich bist du da", begrüßt Rune mich, „du hast uns nämlich etwas zu erzählen, wie du mir gestern versprochen hast." „Jetzt?", frage ich überfordert und schaue zu meinen Brüdern. „Wenn alle da sind", sagt Rune. „Können wir es bitte nach dem Training machen?", frage ich ihn. „Meinetwegen", seufzt Rune, „aber nicht wieder kneifen." „Okay", verspreche ich und ziehe mich um.

Das Training vergeht schneller als ich wollte und mein Outing vor der Mannschaft rückt immer näher. Als Filip das Training beendet und alle in die Kabine gehen werde ich wirklich nervös. Magnus legt von hinten seinen Arm um meine Schulter und zieht mich an seine Seite. „Wenn du nicht bereit bist musst du es auch niemanden sagen", versichert er, „das ist alles dir überlassen und du musst das in deinem Tempo machen." „Ich weiß", nicke ich, „aber ich möchte das machen. Sie haben das verdient." „Ich bin bei dir", verspricht er und löst sich wieder von mir um zu seinem Platz zu gehen. „Also Louis, wer ist Arne?", fragt Rune und alle schauen mich neugierig an. „Ich glaube, ich muss euch etwas über mich erzählen", fange ich an, „ihr wisst nicht alles über mich. Ich bin nicht wie ihr... Ich wurde als Mädchen geboren, obwohl ich keins bin. Ich bin transgender. Ich habe mich nie wirklich als Mädchen gefühlt und mit neun wusste ich dann schon für mich, dass ich ein Junge bin. Aber für mich war das ganze halt immer sehr seltsam. Ich wusste dann nicht wirklich was das ist und wie man das nennt. Ich habe im Internet versucht immer mehr darüber heraus zu finden und kurz vor meinem elften Geburtstag konnte ich meinen Gefühlen endlich einen Namen geben. Kurz darauf habe ich mich dann bei meinen Eltern, Magnus und Niklas geoutet, aber vor anderen habe ich es weiter geheim gehalten. Ich habe zwar meine Haare geschnitten, wurde in der Öffentlichkeit aber trotzdem immer für ein Mädchen gehalten. Ich wurde dann auch für eine kurze Zeit in die weibliche Jungendnationalmannschaft gerufen, die halt in meinem Alter war", ich mache eine kurze Pause um mich zu sammeln, „mit 14 wurde ich dann langsam offener und habe es engen Freunden erzählt. Dieses Vertrauen wurde von einer Person ausgenutzt und weil er es anscheinend so schlimm fand, hat er mich vergewaltigt. Und dann hat die schlimmste Zeit in meinem Leben angefangen. Meine engsten Freunde haben es in der ganzen Schule rumerzählt und dann hat das Mobbing angefangen. Und dazu habe ich herausgefunden, dass ich schwanger bin. Tja, neun Monate nach dem schrecklichsten Moment in meinem Leben habe ich Arne bekommen. Er hat alles ein bisschen besser gemacht. Ich habe meinen Namen ändern lassen, mit den Hormonen angefangen und hatte meine Brust-OP. Ich habe dann auch wieder das Selbstbewusstsein gefunden mit Handball anzufangen. Die haben es dort in der Mannschaft aber auch herausgefunden und haben mich so gefoult, dass ich mit einem Kreuzbandriss pausieren musste. Und dann haben wir uns jetzt entschieden, dass ich mit Arne nach Kiel komme, damit ich endlich mal in einer neuen Umgebung neu starten kann."

Ich hätte nie gedacht, dass es so anstrengend ist, meine Geschichte nochmal zu erzählen. Aber es tut auch gut, dass sie es jetzt alle wissen. Ich habe gar nicht bemerkt, wir mir plötzlich die Tränen die Wangen herunterlaufen. Niklas steht auf und umarmt mich einfach stumm. Ich vergrabe mein Gesicht in seiner Schulter und weine still vor mich hin. Magnus kommt auch dazu und umarmt uns beide. Für mich war es eine wirklich schwierige Zeit. Nur meine Familie hat es etwas erträglicher gemacht. Ich hatte Depressionen und es war wie ein Loch, wo ich niemals dachte, dass ich dort wieder herauskomme. Aber Arne so glücklich zu sehen hat mich gerettet. „Ich liebe euch", flüstere ich leise auf Dänisch und Magnus verstärkt seinen Griff um uns. „Wir dich auch", flüstert Niklas in der gleichen Lautstärke. 

Einmal zur Info: Ich bin von benannten Problemen und Situationen nicht betroffen. Falls ich etwas falsch rüberbringe oder ausdrücke könnt ihr mit gerne Bescheid sagen und ich ändere das.

Lucky againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt