Kapitel 40

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Louis:

Ich kann den Pass zu Mertens abfangen und laufe die wenigen Meter zum Tor zu. Drei Schritte, abspringen, werfen. Los Louis, den triffst du jetzt! Ich springe ab, beobachte was Portner macht und versenke den Ball im Netzt. Unentschieden! Ich habe getroffen! Endlich!

Ein Pfiff ertönt und ich schaue zum Schiedsrichter. Das Tor zählt nicht: Schritte. Magdeburg hat gewonnen. Während die Magdeburger jubelnd auf das Spielfeld stürmen und überglücklich im Kreis hüpfen, sinke ich enttäuscht auf den Boden und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Ich habe alle enttäuscht. Wenn ich die Würfe getroffen hätten wir hier haushoch gewonnen. Aber ich musste ja versagen. Es ist alles meine Schuld. Komplett verzweifelt reihe ich mich zum Abklatschen der Gegner ein und verschwinde dann in der Kabine ohne mich bei unseren Fans zu bedanken. Stattdessen packe ich schnell meine Sachen zusammen und flüchte in den Mannschaftsbus, bevor draußen Zuschauer auftauchen können. Schnell schreibe ich noch Niklas, dass er sich bitte um Arne kümmern soll und lasse dann meine Comfort Playlist durch meine Kopfhörer spielen. Ich ziehe mir die Kapuze über den Kopf und blicke aus dem Fenster. Ich beobachte die glücklichen Magedeburger Fans die zufrieden zu ihrem Autos gehen oder vor dem Spielereingang auf ihre Helden warten. Und die enttäuschten Kieler Fans, die vor dem Spielereingang warten um die Anderen trotzdem zu loben oder traurig zu ihren Autos gehen. Sie sind bestimmt enttäuscht von mir. Wieso spiele ich denn überhaupt mit? Ich bin sowieso viel zu schlecht. Ich erhalte eine Nachricht von Harry, aber ich bin gerade nicht in der Lage diese zu lesen. Ich sehe sowieso nichts, da die ganzen Tränen jetzt endlich frei meine Wangen herunterfließen und ich nur noch schemenhaft etwas durch den Tränenschleier erkennen kann. Ich will nie wieder für Kiel spielen.

Nach einer Dreiviertelstunde trudeln langsam die anderen ein und ich beobachte ans Fenster gelehnt wie sich alles stumm einen Platz suchen. Ich erkenne auch, dass Niklas seinen Neffen dabeihat und ihn neben sich sitzen lässt. Die Fahrt zurück nach Kiel ist sehr ruhig. Niemand traut sich so wirklich etwas zu sagen. Sie sind bestimmt alle sauer auf mich. Ich habe es vergeigt.

Als wir beim Trainingszentrum ankommen hat immer noch niemand gesprochen. „Wir sehen uns morgen", sagt Filip nur und wir steigen alle aus dem Bus. Arne kommt zu mir gerannt und klammert sich an meinen Beinen fest. Ich kann mich aber gerade nicht um ihn kümmern. Dazu bin ich viel zu aufgewühlt. Ich greife also einfach nur nach seiner Hand, hole meine Tasche und gehe schonmal zum Auto. Sobald meine Brüder auch kommen schmeiße ich meine Tasche in den Kofferraum und helfe Arne ins Auto, nur um dann selbst schnell einzusteigen. Meine Brüder unterhalten sich auf der Fahrt leise miteinander, aber sie kennen mich gut genug, sodass sie mich nicht einbinden. Bei der Wohnung nimmt Magnus für mich Arne aus dem Auto und Niklas schließt die Tür auf. Ich verschwinde direkt in meinem Zimmer und hoffe, dass die beiden sich um Arne kümmern. Ich komme nicht zum Abendessen, da ich keinen Hunger habe. Zu Arnes Schlafenzeit kommt Niklas in mein Zimmer, damit ich ihm eine gute Nacht wünschen kann. Ich quäle mich aus dem Bett und gehe mit Arne in sein Zimmer. Dort klettert er in sein Bett und ich decke ihn zu. „Papi ist etwas schlecht drauf, deshalb haben sich Onkel Magnus und Onkel Niklas um dich gekümmert", erkläre ich, „aber morgen kümmere ich mich wieder um dich, in Ordnung?" Er nickt zufrieden und ihm fallen schon die Augen zu. „Gute Nacht Großer", wünsche ich ihm und küsse seine Stirn. Ich gehe leise aus seinem Zimmer raus und schließe die Tür vorsichtig. Dann gehe ich ins Wohnzimmer, wo meine Brüder auf den Sofas liegen. „Danke", murmle ich und setze mich zu Magnus Füßen auf das Sofa. Ich ziehe meine Beine eng an meinen Körper und lege mein Kinn auf meinen Knien ab. „Wir sind für dich da", versichert Niklas, „auch, wenn du reden willst." Ich nicke kurz und starre dann die Wand an. „Ich hatte Angst vor mir", verrate ich nach einer Weile und die beiden schaue sofort zu mir auf. Magnus setzt sich hin und schlingt einen Arm um meine Schulter. „Wieso das?", will er wissen. Ich lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab und ziehe die Sofadecke über mich. „Ich habe mich selbst nicht wiedererkannt. In meinen Gefühlen und Handlungen. Es war richtig gruselig", erzähle ich, „ich hatte irgendwie keine Kontrolle mehr." Niklas steht von seinem Sofa auf und setzt sich auf meine andere Seite. Beruhigend legt er eine Hand auf meinen Rücken und streicht langsam darüber. „Ich war sehr enttäuscht", fahre ich fort, „und irgendwie sauer auf mich, weil ich das scheiß Tor nicht getroffen habe. Und dann bin ich irgendwie wütend geworden. Ich weiß gar nicht mehr genau was ich gefühlt habe. Es ist irgendwie als war ich nicht wirklich anwesend? Ich weiß nicht." Die Situation überfordert mich. Magnus zieht mich näher an sich und schlüpft mit mir unter die Decke. „Ich will nicht, dass sowas nochmal passiert", sage ich verzweifelt, „ich konnte mich nicht mal um Arne kümmern." „Mach dir um Arne mal keine Sorgen", sagt Niklas, „wenn es dir nicht gut geht kümmern wir uns um ihn. Das ist doch klar. Sobald wir bemerkt haben, dass du nicht in der Kabine bist haben sich alle darum gekümmert, dass er gut versorgt ist." „Danke", murmle ich und lächle leicht. „Willst du vielleicht erstmal schlafen gehen und wir reden morgen nochmal?", schlägt Magnus vor, „also ich muss sagen, dass ich ehrlicherweise keine Ahnung habe wie ich dir helfen soll." „Ich glaube ich muss einfach mit dem Spiel abschließen und dann nächstes Spiel besser spielen und nicht enttäuschen. Solange ihr mich noch wollt", überlege ich. „Natürlich wollen wir dich noch", sagt Niklas sofort, „du gehörst zum Team Lou. Ja, du hattest heute einen schlechten Tag, aber das passiert uns allen Mal. Es war ungünstig, dass Niclas nicht spielen und deine Fehlwürfe kompensieren konnte. Aber du hast nicht aufgegeben und es immer wieder versucht. Gerade auch am Ende der letzte Wurf. Du hast keine Erfahrung auf dem Niveau und es ist okay Lou, spiel weiter und lass dich nicht von dem Spiel runterziehen. Magnus und ich sind immer stolz auf dich. Mama und Papa natürlich auch und Arne sowieso. Er hat sofort nach dir gefragt und gemerkt, dass du traurig bist. Er wollte seinen Papi unbedingt trösten und war traurig, als du nicht in der Kabine warst." „Aww, wie süß", lächle ich, „er ist der Beste." „Siehst du", lacht Magnus, „niemand ist dir Böse." „Aber die Fans doch bestimmt", erwidere ich. „Wir hatten alle nicht unser bestes Spiel und haben die Fans gemeinsam enttäuscht. Mach dir da mal keine Sorgen", sagt Niklas, „sie stehen alle hinter dir." Im Anschluss wechseln wir das Thema und bleiben noch etwas im Wohnzimmer.

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Am nächsten Morgen bringe ich erst Arne in den Kindergarten und fahre dann mit meinen Brüdern zum Trainingszentrum. „Und die anderen sind wirklich nicht sauer?", frage ich unsicher. „Nein", versichert Magnus, „und wenn doch sind wir ja da." „Okay", nicke. „Das wird schon", meint Niklas.

Wir kommen an und steigen aus dem Auto. Sobald ich Eric und Karl sehe, die gerade das Trainingszentrum betreten, werde ich wieder unsicher und meine Beine fangen an zu zittern. „Lou, es ist alles gut", versucht Niklas mich zu beruhigen. Er schlingt seine Arme um mich und zieht mich eng an seine Brust: „Mach dir keine Sorgen Lou. Es wird alles gut, okay?" „Okay", nicke ich und löse mich von ihm. Dann gehen wir zum Trainingszentrum und direkt in Richtung Kabine. Die Stimmung ist wirklich schlecht. Kaum jemand sagt ein Wort und wir setzen uns alle stumm auf unsere Plätze. Alle ziehen sich leise um und wir trudeln nach uns noch in der Trainingshalle ein. „Guten Morgen", begrüßt Filip uns ruhig, „wir werden heute ein ruhiges Training machen und etwas an unserer Wurfausbeute arbeiten." Sofort schaue ich auf meine Füße und muss einmal schlucken. Magnus legt beruhigend eine Hand auf meine Schulter und drückt diese leicht. „Ihr hattet alle eine lange Pause und bevor sich durch Fehlwürfe Blockaden oder Ängste festigen möchte ich direkt an der Wurfausbeute arbeiten. Aber erstmal wärmt ihr euch bitte auf." Wir setzen uns alle in Bewegung, aber Filip ruft mich nochmal zu sich zurück. „Ist alles in Ordnung?", will er wissen, „du wirkst so unsicher." „Das Spiel gestern war einfach nicht gut", seufze ich, „aber sonst geht es mir gut." „Denk nicht zu viel darüber nach", rät er mir, „du hattest einen schlechten Tag und das ist auch mal in Ordnung. Gleich wirfst du etwas aufs Tor und dann wird das wieder." Er klopft mir auf die Schulter und ich laufe wieder zu den anderen.

Dieses Kapitel ist sehr persönlich für mich, weil Louis wirklich 1:1 das Gefühl beschreibt, was ich mal gefühlt habe. Und es ist wirklich gruselig, kann ich sagen.

Ich weiß, dass es jetzt plötzlich kommt, aber das war tatsächlich das letzte richtige Kapitel. Ich hatte was diese Story angeht immer wieder mit Blockaden zu kämpfen und um zu verhindern, dass ich immer wieder Storylines anfange und sie nicht beenden kann, möchte ich hier einen Schlussstrich ziehen. Es folgt noch ein Epilog, der die Zeit in 'Lucky Again' beendet und dann folgen noch wenige Zusatzkapitel, wo wir Arne noch etwas aufwachsen sehen. Er ist mein kleines Baby geworden und wir wollen bestimmt alle sehen, was aus ihm wird.

Lucky againWo Geschichten leben. Entdecke jetzt